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Nicht-Aberkennung bewegt

Scharfe Kritik nach Ehrenbürger-Entscheidung in Malsch

Die Nicht-Aberkennung der Ehrenbürgerwürde des einst prügelnden Pfarrers Böhe sorgt für Wirbel. Vorwürfe kommen etwa von Kirchengemeinde und einer Opferschutz-Initiative.

Blick aus dem Rathaus-Sitzungssaal auf die Pfarrkirche St. Cyriak Malsch
Blick aus dem Rathaus-Sitzungssaal: Die Pfarrkirche St. Cyriak liegt direkt neben dem Rathaus – auch aus der Seelsorgeeinheit kommt Kritik an der Gemeinderatsentscheidung. Foto: Rainer Obert

Heftige Diskussionen im Ort. Der Vorstand des Pfarrgemeinderats der katholischen Seelsorgeeinheit Malsch kritisiert die Entscheidung, dem einst prügelnden Ortspfarrer Anton Böhe die Ehrenbürgerwürde nicht abzuerkennen.

Wie berichtet, ging die Gemeinderatsentscheidung denkbar knapp aus. Eine Stimme fehlte zur Zwei-Drittel-Mehrheit und somit zur symbolträchtigen Aberkennung der Ehrenbürgerschaft. Auch diverse Leserbriefe beschäftigten sich bereits mit dem Thema.

Vorstand des Malscher Pfarrgemeinderats ist enttäuscht

In einer Stellungnahme zeigt sich der Pfarrgemeinderatsvorstand „verwundert, dass diese Entscheidung so ausgefallen ist“. Auch wenn man das knappe Abstimmungsergebnis „als Entscheidung eines demokratisch gewählten Gemeinderats“ akzeptiere.

Der Vorstand besteht aus Pfarrer Rainer Warneck, Martina Kastner, die auch Vorsitzende des Diözesanrats in der Erzdiözese Freiburg ist, sowie Renate Joachim, zugleich Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (kfd) in Malsch. Der Gesamtpfarrgemeinderat wisse Bescheid, man habe einfach schnell mit der Stellungnahme auf die Entscheidung reagieren wollen, so Warneck.

Zu Beginn des Aufarbeitungsprozesses über eine Historische Kommission unter Historiker Clemens Rehm hatte sich der Pfarrgemeinderat der Seelsorgeeinheit bereits zu Wort gemeldet und betont: Die Entscheidung obliege der politischen Gemeinde.

Chance zur Anerkennung des Leids von Betroffenen wurde nicht genutzt.
Rainer Warneck, katholischer Pfarrer von Malsch

Vorgeworfen wird jedoch, damit nicht im Sinne der Opfer gehandelt zu haben. Ja, Aufarbeitung geschehe auch durch das Setzen von Zeichen und nicht durch ein weiteres „Beschweigen“.

„Die Chance zur Aufarbeitung und damit zur Anerkennung des Leids von Betroffenen wurde durch die Entscheidung des Gemeinderats nicht genutzt.“

Wie berichtet, stimmte die CDU-Fraktion, auf deren Antrag hin Pfarrer Böhe 1982 letztlich Ehrenbürger geworden war, geschlossen gegen die Aberkennung. Dies allein hätte aber nicht gereicht, um diese zu verhindern. Thomas Schick (SPD) sowie Bürgermeister Markus Bechler (Freie Wähler) votierten ebenfalls gegen eine Aberkennung. Alle anderen Ratsmitglieder waren dafür.

Sozialpädagoge fordert eine Korrektur

Bestürzt reagiert der Vereinsvorsitzende der bundesweit tätigen Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen auf die Entscheidung. Johannes Heibel, selbst viele Jahre aktiv in der Aufarbeitung von Missbrauch, lässt daran kein gutes Haar.

Seine öffentliche Stellungnahme beginnt mit einem Vers aus dem Matthäusevangelium: „Wer aber einem von diesen Kleinen, die an ihn glauben, Ärgernis gibt, dem wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.“

Heibel appelliert nun an Bürgermeister Bechler, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen. Er komme gern auch nach Malsch. Etwa, um vor dem Gemeinderat zu sprechen. Dies hatte Heibel schon in der Vergangenheit angeboten. „Entscheidungen können in einer Demokratie, insbesondere wenn man erkennt, dass es ein Fehler war, korrigiert werden“, meint der Sozialpädagoge.

Er hoffe, dass die Bürger „diese fragwürdige Entscheidung so nicht mittragen und nicht Ruhe geben werden“. Das Thema sei nicht erledigt. Die Entscheidung beschädigt nach Ansicht Heibels das Ansehen von Malsch über die Ortsgrenzen hinaus. Er sei nach dem Gemeinderatsbeschluss auch schon mit Pfarrer Warneck in Kontakt gewesen, so Heibel im Gespräch.

Gibt es eine öffentliche Veranstaltung zum Thema?

Er sei erfreut, dass man sich aus dem Pfarrgemeinderat „so deutlich geäußert hat“. Er habe dem Priester angeboten, „vielleicht zusammen mit ihm eine Veranstaltung zu machen“. Er sei gut vernetzt mit Experten in Sachen Gewaltopfer. „Wer in dem Thema drin ist, hat für die Entscheidung kein Verständnis.“

Pfarrer Warneck sagt auf Nachfrage: „Es ist niemandem gedient, wieder den Mantel des Schweigens darüberzulegen.“ Das Bedürfnis der Menschen sei entscheidend. Hier sollte nichts unterdrückt werden.

Auch Künstler Joe Degado, gebürtige Malscher mit bürgerlichem Namen Joachim Nies, meldete sich nun zu Wort. Er hatte vor rund zweieinhalb Jahren die Böhe-Diskussion durch ein Schreiben ans Rathaus ausgelöst. Er forderte Konsequenzen für die Ehrenbürgerschaft aufgrund der Gewalt durch den Geistlichen in der Vergangenheit.

Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, meint er. Nach moralischem, menschlichen, sei die Ehrenbürgerwürde abzusprechen gewesen. Leider sei mit der unrühmlichen Vergangenheit nicht aufgeräumt worden.

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