Skip to main content

Anspruch auf finanzielle Unterstützung

Selbstständige Pflegeberaterin aus Malsch: „Viele wissen gar nicht, was ihnen an Hilfe zusteht“

Wenn Menschen gepflegt werden müssen, dann wird das schnell teuer. Viele wissen nicht, dass sie finanzielle Unterstützung bekommen. Hier will Sarah Koch als Pflegeberaterin vermitteln. Das erlebt sie bei ihrem Job.

PRODUKTION - 13.12.2022, Baden-Württemberg, Bretten: Schwester Selma (r), Mitarbeiterin beim mobilen Pflegedienst Schulz, unterhält sich mit einer Patientin (l) in deren Zuhause. Viele pflegebedürftige Menschen möchten so lange wie möglich zu Hause bleiben. Sie werden betreut von Angehörigen. Und ambulanten Pflegediensten - ohne sie ginge es nicht. (zu dpa "Unter dem Radar - Ambulante Pflegedienste kämpfen an vielen Fronten") Foto: Philipp von Ditfurth/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Was muss man bei der Pflege von Angehörigen beachten? Sarah Koch gibt Tipps. Foto: Philipp von Ditfurth Philipp von Ditfurth/dpa

Der 85-Jährige soll aus dem Krankenhaus entlassen werden, ist aber noch bettlägerig. Seine 82-jährige Frau ist vollkommen überfordert.

Wie soll sie das bewältigen, welche Hilfsmöglichkeiten stehen ihr zu, wer bezahlt das, welche Anträge muss sie wo stellen?

Kinder hat das Ehepaar nicht. Der Sozialdienst des Krankenhauses, der in solchen Fällen berät, kämpft gerade selber mit Krankheitsausfällen. In solchen Situationen hilft beispielsweise Sarah Koch.

Koch hat schon einige verzweifelte Angehörige gesehen

Die 36-Jährige aus Malsch hat sich im April vergangenen Jahres als Pflegeberaterin selbstständig gemacht. Ihr Antrieb? „Die Menschen sollen Zeit für sich und ihre Angehörigen haben“, sagt sie. „Für den ganzen Papierkram bin ich da.“

Koch ist ausgebildete Altenpflegerin, hat 15 Jahre in diesem Beruf gearbeitet, stationär und ambulant. Dabei hat sie oft verzweifelte und überforderte Angehörige erlebt: „Viele wissen gar nicht, was ihnen an Hilfe zustehen würde, geschweige denn, wo sie das beantragen müssen.“

Gibt es seit einigen Jahren dafür nicht die Pflegestützpunkte bei den Landkreisen, die sogar kostenlos beraten? „Ja“, bestätigt Koch, auch die Kassen bieten Pflegeberatung an.

Fälle ziehen sich zum Teil über Monate hinweg

Doch sie sieht darin keinen Konflikt, sondern ihre Dienstleistung – 40 Euro kostet die einstündige Erstberatung – als ergänzendes Angebot und vor allem als langfristige Beratung aus einer Hand. Denn so viel hat sie in ihrer knapp einjährigen Selbstständigkeit schon erfahren: Die Fälle ziehen sich teilweise über Monate hin.

Viele wissen gar nicht, was ihnen an Hilfe zustehen würde, geschweige denn, wo sie das beantragen müssen.
Sarah Koch, Pflegeberatung

Viele Privatleute würden da entnervt aufgeben, weiß sie, wüssten teils auch nicht, dass man gegen Entscheidungen Widerspruch einlegen kann und wie der zu formulieren ist. „Beim Erstantrag auf die Einstufung in einen Pflegegrad ist es üblich, dass der zunächst abgelehnt wird“, erzählt sie aus ihrem Berufsalltag.

„Da muss man sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auskennen und vieles mehr“, erläutert sie. Koch selbst hat das in einer Weiterbildung zur Casemanagerin und Pflegeberaterin gelernt.

Für viele Betroffene aber seien das „böhmische Dörfer“, sprich unbekannt, wie sie aus ihrer Arbeit, aber auch als Mutter eines Kindes mit Einschränkungen, weiß.

Für den Umbau gibt es bis zu 4.000 Euro

„Ich habe schon viele Angehörige zusammenbrechen sehen, weil sie mit Pflege und Papierkrieg überfordert waren“, sagt Koch. Denn es sei auch emotional eine enorme Herausforderung, wenn kurzfristig ein Angehöriger zum Pflegefall wird.

Bei einem Hausbesuch lotet sie in der Regel zunächst den Unterstützungsbedarf aus, schlägt Hilfsmöglichkeiten vor und kümmert sich bei Bedarf um die Antragstellung bei Kranken- und Rentenkassen, Landratsamt oder Amtsgericht. „Viele wissen schon gar nicht, dass ihnen bis zu 4.000 Euro für Wohnraumumbau zustehen“, schildert Koch.

Zudem spricht sie mit ihren Kunden auch immer über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht – für viele nach wie vor Tabuthemen. Doch sie hat schon oft erlebt, was passiert, wenn nichts verfügt wurde, angefangen bei fehlendem Zugriff auf Bankkonten.

Koch muss sich bekannt machen

Ein großes Thema seien auch Zuzahlungen, die im Pflegebereich zunehmen würden. „Jede Krankenkasse hat da oft andere Bedingungen“, sagt Koch. Sie kümmert sich auch um Befreiungsanträge, kommt dazu, wenn der Medizinische Dienst ihre Kunden wegen des Pflegegrads begutachtet oder hilft bei Reha-Anträgen.

Dass sie mit ihrer Selbstständigkeit dicke Bretter bohren muss, gibt Sarah Koch unumwunden zu. Noch sei es schwierig, Kooperationspartner zu finden, erzählt sie von Ablehnung durch Krankenkassen und Ämter.

Dabei seien die oft mit dem Aufkommen an Pflegeberatung überlastet, meint sie, dass durchaus vorstellbar wäre, sie in solchen Fällen zu beauftragen. Das sei in anderen Bundesländern gang und gäbe, weiß sie von Kollegen.

Manche müssen von Hartz IV leben

Entmutigen lassen will die 36-Jährige sich dennoch nicht so schnell. „Zwei Jahre Zeit muss man sich lassen“, findet sie, „um bekannt zu werden, sich einen Namen zu machen“.

So ist sie demnächst beispielsweise beim Seniorenrat in Ötigheim zu Gast. Den Bedarf an Pflegeberatung sieht sie allemal. Sie berichtet zum Beispiel von einem schwer kranken Kunden, der aus Unwissenheit keinen Pflegegrad hatte, deshalb kein Pflegegeld bekam und schließlich von Hartz IV leben musste.

nach oben Zurück zum Seitenanfang