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Diözesanratsvorsitzende aus Malsch

Gläubigen-Vertreterin: Mich erschüttert, dass unsere Bischöfe die Täter geschützt haben

Der Missbrauchsbericht hat bei den Gläubigen in Baden Entsetzen ausgelöst. Jetzt fordert die oberste Vertreterin der Laien einen radikalen Umbau der Machtstrukturen und kritisiert auch den aktuellen Freiburger Erzbischof.

Martina Kastner
Martina Kastner ist Diözesanratsvorsitzende aus Malsch und fordert von der Kirche Veränderung. Foto: Kastner

Martina Kastner aus Malsch ist Diözesanratsvorsitzende, also Chefin der Laienvertreter in der Erzdiözese Freiburg. Das Kirchenbeben um die Altbischöfe Saier und Zollitsch und den Missbrauchsbericht lässt sie nicht los. Kastner fordert im Interview tiefgreifende Reformen.

Frau Kastner, mit etwas zeitlichem Abstand: Wie bewerten Sie den Freiburger Missbrauchsbericht?
Kastner

Ich bin immer noch erschüttert. Wie dieses System der Vertuschung jahrelang im Verborgenen funktioniert hat und die Bistumsleitung so krass versagt hat: Wie konnte es so weit kommen?

Das ist genau die Frage: Haben Sie eine Antwort?
Kastner

Nein, habe ich nicht. Was mich besonders erschüttert: Dass die Bischöfe Oskar Saier und Robert Zollitsch überhaupt keinen Blick für die Opfer von Missbrauch hatten. Die Kirche als Institution stand über allem, es galt, diese zu schützen, koste es, was es wolle. Sie wollten nicht wahrhaben, dass das Verbrechen sind, sie haben Täter geschützt und einfach an einen andern Ort versetzt. Nicht zu erklären ist für mich aber auch, dass es Pfarrgemeinden gab, in denen – trotz einer Ahnung zum Treiben ihres Pfarrers – zu all dem geschwiegen wurde. Seltsam ist auch, dass es in Rom nicht auffiel, dass ausgerechnet aus Freiburg, dem Sitz des damaligen Bischofskonferenzvorsitzenden Zollitsch, keine Missbrauchsfälle gemeldet wurden.

Sie sprechen von toxischen Strukturen in der Kirche.
Kastner

Ja, es geht um Machtstrukturen in der katholischen Kirche. Das ist ein Bollwerk, das sich nicht an Recht, Gesetz und Moral gehalten hat. Wie können die Verantwortlichen das Evangelium verkünden und dem dann so zuwiderhandeln?

Welche Konsequenzen muss das Erzbistum nun aus dem Bericht ziehen? Und glauben Sie, dass Konsequenzen gezogen werden?
Kastner

Ich nehme Erzbischof Stephan Burger und Generalvikar Christoph Neubrand ab, dass sie Konsequenzen ziehen wollen. Sie haben zugesichert, den Blick der Betroffenen einzubeziehen und die Empfehlungen der Kommission umzusetzen. Bei den Präventionsmaßnahmen und -schulungen für Haupt- und Ehrenamtliche sind wir schon auf einem guten Weg.

Genügt das, um die katholische Kirche aus der Vertrauenskrise zu holen?
Kastner

Es bräuchte auch die Umsetzung der Forderungen des Synodalen Wegs. Unser Erzbischof blockiert diesen zwar nicht, gehört aber bekanntlich nicht zur Speerspitze der Reformer. Da hoffe ich auf ein Nachdenken und Umdenken bei ihm. Klar, er ist Kirchenrechtler und sieht aus dieser Warte auf die Kirche. Aber das Recht hat den Menschen zu dienen und nicht umgekehrt.

Bei so viel Kritik: Was hält Sie noch in der Kirche?
Kastner

Ich bin in diese Kirche hineingewachsen, ich bin mit vielen Menschen darin gemeinsam unterwegs. Doch ich sehe Reformbedarf und ich will die Kirche nicht einigen wenigen überlassen, die sich diesen Reformen verweigern.

Reicht die Kraft der wenigen Engagierten dafür noch oder überwiegt bei zu vielen mittlerweile die Resignation, der Frust?
Kastner

Es gibt noch genug Menschen, die für Reformen in der Kirche eintreten, aber klar, viele sagen auch: Ich kann nicht mehr, legen ihr Engagement resigniert nieder oder verlassen auch ganz die Kirche. Sie haben keine Hoffnung, dass sich diese Kirche wirklich erneuern kann, denn was haben wir nicht alles schon an Pastoralinitiativen und Dialogprozessen gehabt – mit guten Ergebnissen, aber leider ohne Umsetzung

Was also verlangen Sie von Erzbischof Burger?
Kastner

Er fühlt sich oft zu sehr Rom verpflichtet, er ist aber zuerst Bischof für die Menschen in seiner Diözese. Um diese nicht zu verlieren, müsste er mutiger sein – auch im Hinblick auf Kirchenentwicklung 2030. Nach jetzigem Stand ist die Leitung einer neuen Pfarrei an einen Priester gebunden. Auch wenn dieser das nur zusammen mit Ehren- und Hauptamtlichen leisten kann, die letzte Verantwortung hat er. Und damit Macht. Doch gerade die Machtstrukturen müssen aufgebrochen werden. Auch müsste unser Bischof neue Aufbrüche in der Pastoral zulassen. Ich denke da zum Beispiel an die Taufspendung durch Laien, die in einigen Diözesen schon möglich ist. Und natürlich die Frauenfrage.

Was genau ist Ihnen dabei wichtig?
Kastner

Die Frauenverbände fordern seit langem den Zugang von Frauen zu allen Ämtern der Kirche, und das gut und fundiert begründet. Die theologischen Argumente dazu sind alle ausgiebig ausgetauscht. Der mutige Schritt, die Gleichwürdigkeit und Gleichwertigkeit aller Menschen wirklich umzusetzen, fehlt aber. Für viele Frauen, denen ihre Berufung zur Diakonin oder zur Priesterin quasi abgesprochen wird, ist das nur noch schwer auszuhalten. Erfreulich ist, dass viele Kirchenmänner sich inzwischen dem Weiheamt für Frauen nicht mehr entgegenstellen und sich mit Frauen solidarisieren. Aber jetzt müssen auch die entscheidenden Schritte folgen.

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