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Ausbruch nach dem Krieg

Vor 100 Jahren wütete die Ruhr-Seuche in Malsch

100 Jahre vor Corona wütete in Malsch die Ruhr. Jeder Vierte war betroffen, fast 100 Menschen starben. Bald gab es Vermutungen, was die Ursache für die gefährliche Epidemie gewesen sein könnte.

Ehemaliges Ruhrgräberfeld auf dem Friedhof Malsch, welches 1952 geräumt wurde.
Ehemaliges Ruhrgräberfeld auf dem Friedhof Malsch, welches 1952 geräumt wurde. Foto: Heimatfreunde Malsch

Der Bericht in der lokalen Presse aus dem Sommer 1920 macht das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich: „Malsch (bei Ettlingen), 12. August: Die Ruhr greift in erschreckender Weise um sich. Nach dem ‘Badischen Landsmann’ liegen zurzeit 1.200 Personen an der gefährlichen Krankheit darnieder. Zahlreiche Fälle sind tödlich verlaufen.“

Von damals rund 4.400 Einwohnern war jeder Vierte von der Krankheit betroffen, die sich in krampfartigen Bauchschmerzen, Durchfall und Fieber äußert und zu lebensbedrohlichem Flüssigkeitsmangel, Nierenversagen oder einem Kreislaufkollaps führen kann.

Verunreinigte ein Ruhrkranker den Federbach?

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 traten in Malsch die ersten Fälle der gefährlichen Krankheit auf - im Jahr 1920 weitete sie sich zu einer Epidemie aus.

Bei einem Ortsbesuch des Gesundheitsarztes im Auftrag des Innenministeriums Karlsruhe am 7. August 1920 versuchte man festzustellen, wo die Ursachen der Epidemie lagen.

Da die ersten Ruhrerkrankungen in den am Federbach gelegenen Häusern aufgetreten waren, lag die Vermutung sehr nahe, dass der Federbach durch einen Ruhrkranken verunreinigt worden war und dass das der Grund für die Ausbreitung der Seuche war. Diese Annahme wurde dadurch bestärkt, dass die Einwohner von Malsch nicht selten im Federbach ihre Wäsche reinigten und die Kinder in dem Bach barfuß gingen.

Milch und Fliegen als weitere Infektionsquellen

Eine weitere Infektionsquelle sah man in den drei Milchzentralen, bei denen die Einwohner von Malsch ihre Milch abgaben, um sie von hier aus an die Nichtselbstversorger verteilen zu lassen. Es wurde vermutet, dass mit Ruhrkeimen verunreinigte Milch im Sammelbecken in der Zentrale die Weiterverbreitung der Krankheit begünstigte. Die Keime konnten etwa beim Melken oder durch verunreinigte Töpfe in die Milch gelangen.

Als weiterer Überträger wurden die Fliegen ausgemacht, die in großer Zahl vorhanden waren. Die in Malsch praktizierenden Ärzte bestätigten, dass größtenteils Ruhrkranke und Gesunde derselben Familie in einem Schlafraum lagen, was die Ansteckungsgefahr deutlich erhöhte. Sieben Ordensschwestern aus Gegenbach pflegten damals die Kranken von Malsch.

Friedhofskapelle als Aufbewahrungsort für Leichen

Damit die Leichen zur Vermeidung weiterer Ansteckungen aus den jeweiligen Häusern entfernt werden konnten, hatte der damalige Pfarrer Julius Berberich zugesagt, die Friedhofskapelle als Aufbewahrungsort zur Verfügung zu stellen. Die erste Leichenhalle in Malsch wurde erst 1937 erbaut.

Bis zum 13. September 1920 starben in Malsch insgesamt 98 Menschen an der Ruhr, darunter 23 Schüler. Für sie wurde ein besonderes Gräberfeld im unteren Bereich des Friedhofes, neben dem damaligen Kinder-Gräberfeld geschaffen. 1952 schließlich wurden die Angehörigen der Verstorbenen aufgefordert, die Steine auf den Gräbern und deren Einfassungen „abzuräumen, da das Feld (...) eingeebnet wird“.

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