Paukenschlag vor dem Wirtschaftsforum der Stadt, bei dem die Ettlin AG an diesem Donnerstag einer der Kooperationspartner ist: Am Mittwoch informierte Vorstand Oliver Maetschke unsere Redaktion darüber, dass die Weberei bis zum Frühjahr 2023 komplett dicht gemacht werden soll. 60 Beschäftigte des alteingesessenen Unternehmens an der Alb seien davon betroffen. Die Weberei gehört zur Ettlin Produktions GmbH.
Wir gehören zu den 1.000 energieintensiven Betrieben in der Bundesrepublik.Oliver Maetschke, Vorstand Ettlin AG
Hergestellt werden dort Gewebe für die Schleifmittelindustrie, also etwa Schleifbänder, Schleifscheiben oder auch Teile für die Reifenproduktion sowie Gummibeläge für Druckmaschinen.
Maetschke begründete die unternehmerische Entscheidung, die erst in den vergangenen 14 Tagen gefallen sei, mit der Energiepreisentwicklung. „Wir gehören zu den 1.000 sehr energieintensiven Betrieben in der Bundesrepublik“, so Maetschke weiter.
Strompreise haben sich verzehnfacht
In der Produktion würden sowohl große Mengen an Strom als auch an Gas gebraucht. Die Preise hätten sich im Vergleich zum Jahresbeginn 2021 verzehnfacht. Beim Strom habe man damals noch fünf Cent pro Kilowattstunde bezahlt, „jetzt sind wir bei 50 Cent, wenn wir fürs nächste Jahr einkaufen“.
Beim Gas sehe die Entwicklung nicht viel besser aus, hier habe sich der Preis versechsfacht. Zwar seien die Auftragsbücher 2022 zunächst noch voll gewesen und man habe den Kunden zwei Preiserhöhungen zugemutet
Indes: „Seit dem Sommer verkaufen wir nichts mehr.“ Kunden haben sich Maetschke zufolge für andere Lieferanten entschieden, die beispielsweise in den USA oder in Pakistan sitzen. „Dort gibt es keine Energiekrise, die können ganz andere Preise bieten als wir in Europa.“
Ettlin-Belegschaft weiß seit ein paar Tagen Bescheid
Früher habe Ettlin beim Stromeinkauf „um einen halben Cent gehandelt, jetzt geht es um mehr als 40 Cent“. Der Unternehmenschef rechnet nicht damit, dass die Energiepreise wieder auf das Niveau vor dem Ukraine-Krieg fallen, das sei unrealistisch. Die Belegschaft der Weberei wisse seit ein paar Tagen Bescheid, es werde jetzt um Interessensausgleich und Abfindungen gehen.
Die Ettlin AG hatte schon 2018 die Sparte Spinnerei und damit die Produktion von Garnen aufgegeben. Damit war eine mehr als 180 Jahre alte stolze Industrietradition im vorderen Albtal zu Ende. Die Schließung betraf damals knapp 30 Mitarbeiter. Einige von ihnen hatten befristete Arbeitsplätze, die ausliefen, anderen wurde gekündigt.
40 Arbeitsplätze sollen am Standort Ettlingen bleiben
Vom jetzigen Schnitt nicht tangiert sind laut Oliver Maetschke die Beschäftigten bei Smart Textiles. Dort werden weiter Textilien für Lichtdesign, Leuchtgewebe und Hightech-Materialien mit leitfähiger textiler Struktur hergestellt. Verbleiben sollen nach Ende der Weberei am Standort noch 40 Arbeitsplätze in Produktion und Verwaltung.
„Wir werden uns teuer verkaufen“, kündigt IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Boris Zirwes aus Karlsruhe an. Schon an diesem Donnerstag sei ein Treffen des Betriebsrates mit einem rechtlichen Beistand angesetzt. Die Geschäftsleitung werde einen Fragenkatalog erhalten zur wirtschaftlichen Lage und warum eine Schließung unabwendbar sei.
Die Kommunikation ist sehr schlecht gelaufen.Boris Zirwes, Gewerkschaftssekretär
„Noch im September wurden Auszubildende eingestellt und im Sommer noch neue Mitarbeiter gesucht“, erklärt Zirwes. Die Kommunikation seitens des Vorstandes sei „sehr schlecht gelaufen“.
Erst habe es am Donnerstag voriger Woche eine Infoveranstaltung der Geschäftsleitung ohne Gewerkschaft für die Mitarbeiter gegeben, diese Woche Montag habe der Betriebsrat dann eine Betriebsversammlung abgehalten und in Anwesenheit der IG-Metall berichtet, was die Unternehmensleitung beabsichtige.
Anders als Maetschke fürchtet Zirwes, dass nur einige junge, technisch versierte Mitarbeiter gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, es für die anderen, älteren aber „nicht rosig aussieht“.