Skip to main content

Laterne und Hellebarde gehören dazu

Nachtwächter Uwe Reich führt seit 14 Jahren Menschen durch Ettlingen

Von einer historisch wertvollen Ecke in die andere führt Nachtwächter Uwe Reich rund 20 Teilnehmer bei einer spätabendlichen Erkundungstour durch die Ettlinger Altstadt.

Fünf Personen in der Abenddämmerung
In dunkler Ecke angestrahlt vom Blitzlicht: Nachtwächter Uwe Reich (links) begeistert seine Zuhörer mit alten Geschichten und Anekdoten zur Ettlinger Altstadt. Foto: Stefan Lumpp

„Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen, vom Turm die Uhr hat Neun geschlagen. Menschen wachen hat kein Nützen. Gott muss wachen, Gott muss schützen“, ruft Uwe Reic zur Begrüßung am Narrenbrunnen.

Reich kommt aus Karlsruhe, ist aber in Ettlingen aufgewachsen. Bereits seit 14 Jahren nimmt er Menschen auf seinen Führungen mit auf Zeitreise. „Ich will die Geschichten und Anekdoten am Leben halten. Vieles wurde mir von meinem Vater und Großvater überliefert“, so Reich – und früher im Heimatkundeunterricht habe er genau aufgepasst. Wenn er seine Zuhörer unterhält, ist er ein Stück weit auch Schauspieler. Dazu gehört ein schwarzes Kostüm und auf dem Kopf trägt er ein Dreispitz. Laterne, Horn und eine Hellebarde gehören mit dazu.

Vielen Teilnehmer der Nachtwächterführung ist die Neugier in die Gesichter geschrieben. „Ich bin einfach gekommen, um etwas über die Stadt zu erfahren“, so Sonja Gion-De Nardis. Fast täglich laufe man an diesen Orten vorbei, ohne die geschichtlichen Hintergründe zu kennen, bestätigt ihr Sohn Luca.

Warum die Ettlinger „Dohlenaze“ und „Dohlentreppler“ genannt wurden

Uwe Reich erzählt, dass der Beruf des Nachtwächters in Ettlingen versteigert wurde; folglich erhielt derjenige, der am wenigsten verlangte, den Zuschlag. Nachtwächter verkündeten die Uhrzeit, schlossen die Stadttore und leuchteten dunkle Gassen aus. Sie kümmerten sich auch um Fremde: „Wenn nötig, wurden sie von den Nachtwächtern am Schlafittchen gepackt und eingesperrt.“

Vom Narrenbrunnen führt der Nachtwächter zum Musikantenbrunnen, erzählt von Markgräfin Sibylla Augusta, bis die Gruppe vor dem Georgsbrunnen steht. Hier holten in der Vergangenheit die Hausfrauen Wasser und tratschten. Auf der anderen Albseite, in der Albstraße, zeigt Reich das schmalste und kleinste Haus Ettlingens, das 1714 für Witwen und Waisen gebaut wurde.

Direkt gegenüber befindet sich das alte Wehr hinter dem Rathaus, wo man früher Tiere zum Tränken hinbrachte. Auch das urige Lauerturmstüble liegt auf der Exkursionstour: „Hier kann man sich vorstellen, wie die Ettlinger im Mittelalter ihren Feierabend verbrachten.“

Zudem wissen wohl die Wenigsten, was sich einst im heutigen Finanzamt verbarg. Erst war es ein Jesuitenkolleg, später ein Lehrerseminar. „Manch Ettlinger würde sagen, es war noch nie was Gescheites drin“, so der Nachtwächter schmunzelnd.

Alle lauschen gespannt im spärlichen Licht, wenn er erzählt, warum die Ettlinger „Dohlenaze“ und „Dohletreppler“ genannt werden. Im 17. Jahrhundert floss das Abwasser in Gräben durch die Stadt, die umgangssprachlich mit Dohlen bedeckt waren. Besonders den Buben machte es Spaß, darauf herumzutrampeln. Da zu dieser Zeit der Name „Ignaz“ in Ettlingen sehr verbreitet war, entstand im Laufe der Zeit der „Dohlenaze“.

Dem Nachtwächter gelingt es trotz Regenwetter, einige alte Geschichten wieder ins Bewusstsein zu bringen. „Auch für Einheimische ein informativer Abend. Man bekommt einen ganz anderen Blick auf die Stadt“, freut sich eine begeisterte Zugezogene.

nach oben Zurück zum Seitenanfang