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Rathausstürme und Narrengerichte

Närrischer Schlüssel-Klau und ein unerwarteter Freispruch in Ettlingen

Die ausgerufene Narrenfreiheit hat in Ettlingen und dem Albgau am 11.11. zu beherzten Aufmärschen der Fastnachter geführt. Der Start in die fünfte Jahreszeit im Überblick.

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Niedergejubelt: Der Sprung von Rathauschef Arnold bringt Staatsanwalt Markus Utry zu Boden, Richter Bernd Eyberger hebt bei der Umarmung ab. Foto: Rainer Obert

Wie ein emotionaler Vulkanausbruch war am 11.11. der Sprung in die fünfte Jahreszeit in der Region. Ausgelassen wie durch Corona lange nicht, ging es bei Machtübernahmen und Narrengerichten hoch her.

Was war rund um Ettlingen los? Ein Überblick.

Ettlingen

Das Narrengericht war auf dem Ettlinger Marktplatz in Bestbesetzung aufmarschiert – Rathauschef Johannes Arnold und seinen Verteidigern – dem Neue-Welle-Moderatorenduo Vanja & Penz – verschlug es aber nicht die Sprache.

Auch wenn es Anklagepunkte hagelte: „Lustloses Lustwandeln im Schlafanzug morgens im Garten“ legte ihm „Staatsanwalt“ Markus Utry nach Zeugenhinweisen zur Last. Der Täter verteidigte sich mit einer Strip-Einlage zu „You Can Leave Your Hat On“ – drunter hatte er das Modell „Heißer Papi“!

Dass der energiesparend beleuchtete Radweg nach Bruchhausen viel zu dunkel sei, kommentierte er frech: „Kein Problem, die Bruchhausener sind ja alles helle Köpfe.“ Der OB leide unter chronischer „Schelmitis“.

Wohl freudetrunken ob wiedergewonnener Narrenfreiheit, war das Gericht jedoch milde gestimmt. Als der Schelm auch noch rappte „Wir sind zusammen groß, wir sind zusammen eins“ und seine Verteidiger anboten, eine Woche Schülerlotse zu spielen, johlte das Narrenvolk.

Dann die Sensation: Arnold muss die Narren nur verköstigen. „Freispruch unter Auflagen“, verkündete das hohe Gericht. Der OB brachte per Freudensprung den Staatsanwalt zu Boden, gab den Rathausschlüssel gern ab und schmetterte mit der Gemeinde das Badnerlied. Der Rest war Rambazamba.

Spessart

Der Schlüssel zum Rathaus ward oben in Spessart, bei den Ebern, schnell in närrischer Hand. Endlich wieder, freute sich Peter Wilk, der erstmals als Präsident der Spessarter Eber Ortsvorsteherin Elke Werner den Schlüssel abebern durfte: „Nach zwei Jahren Fastnachtseröffnung ohne Radau – endlich wieder in gewohnter Weise als Wildsau“, ließ er die Narrenschar vorm Eber-Vereinsheim wissen.

Narren in der Überzahl: Ortsvorsteherin Elke Werner hat keine Chance. Sie muss Peter Wilk, dem Präsidenten der Spessarter Eber, den Rathausschlüssel übergeben.
Narren in der Überzahl: Ortsvorsteherin Elke Werner hat keine Chance. Sie muss Peter Wilk, dem Präsidenten der Spessarter Eber, den Rathausschlüssel übergeben. Foto: Peter Wilk

Den Blick zurück, auf 50 Jahre Spessart zu Ettlingen, richtete Elke Werner: „Die Vernunft hat gesiegt! Oder hat uns nur unser Erwin rumgekriegt? Nein – Dr. Vetter hat richtig gehandelt, und Spessart und Ettlingen in Liebe verbandelt.“

Wieder in der Gegenwart angekommen und das „unversehrt von der Hohstraß hier rauf, und das mit Hilfe – oder wegen – dem neuen Handlauf“ lobte sie die „engagierten Leute vom Ort“. „Auf die Spessarter ich immer bau, deshalb grüß ich von Herzen mit dreifachem Wildsau.“ Und der Eber-Chef jubilierte: „Wir sind endlich wieder vereint!“

Rheinstetten

Was ihm blühen würde, ahnte Oberbürgermeister Sebastian Schrempp wohl bereits. In einen schwarzen Umhang gehüllt ging er gesenkten Kopfes zur Anklagebank vor dem Mörscher Rathaus, in der Hand eine Lautsprecherbox, aus der das mystische „Conquest Of Paradise“ ertönte – zum selben Lied war 1996 Boxer Henry Maske zu seinem letzten Kampf eingelaufen. Er verlor.

Kämpferisch: OB Sebastian Schrempp bei seinem „Einmarsch“ in Boxermanier vor dem Narrengericht in Mörsch
Kämpferisch: OB Sebastian Schrempp bei seinem „Einmarsch“ in Boxermanier vor dem Narrengericht in Mörsch Foto: Julia Trauden

Mit seiner leidenschaftlichen Verteidigungsrede konnte Schrempp Stefan Kungl vom Forchheimer Elferrat Club, Michael Pustleik von den Mörscher Stadtmusikanten und Eintracht-Mörsch-Vorstand Volker Rocca nicht überzeugen. Richter Rocca erklärte ihn in allen Anklagepunkten für schuldig.

So habe Schrempp beim Versuch, sein „Patenkind“, ein Kamel aus dem Circus Bely, zu befreien, den Zirkus verwechselt und stattdessen die Kamele des Circus Renz losgelassen. Zudem habe er seine Strafen von 2021 nicht abgebüßt: Verkehrspolizist zu spielen am Kreisel und die Präsidenten der Fastnachtsvereine zu verköstigen. Sollte er dies weiter verweigern, müsse er den Vereinen jeweils zwei Kästen Bier zur Verfügung stellen, urteilte Rocca. Außerdem verpflichtete er Feuerwehr-Neuzugang Schrempp, zwei Kindergärten zur Feuerwehr einzuladen.

Auerbach

Pünktlich um 19.11 Uhr stürmte der Elferrat der Fastnachtsgemeinschaft Auerbach mit Christian Zechiel an der Spitze das Rathaus, um Bürgermeister Jens Timm und Ortsvorsteher Hans Kleiner ob ihrer Fehlleistungen festzunehmen.

Entmachtung der Obrigkeit: Der Rathausschlüssel ist in Narrenhand. Fastnachtspräsident Christian Zechiel (Mitte) hat ihn Ortsvorsteher Hans Kleiner (rechts) und Bürgermeister Jens Timm entrissen.
Entmachtung der Obrigkeit: Der Rathausschlüssel ist in Narrenhand. Fastnachtspräsident Christian Zechiel (Mitte) hat ihn Ortsvorsteher Hans Kleiner (rechts) und Bürgermeister Jens Timm entrissen. Foto: Gustl Weber

„Hinter FFP2-Masken fanden wir diese zwei traurigen Gestalten in ihren Winterkitteln. Wenn wir Narren an der Macht sind, weht bis Aschermittwoch ein anderer Wind. Doch in diesem Jahr müssen wir im Rathaus mächtig frieren, denn bei 19 Grad öffnen sich von alleine Fenster und Türen“, so Zechiel.

Der Bürgermeister nahm’s gelassen und meinte: „Die Auerbacher Fasnet ist einfach famos, ab jetzt sind bis Aschermittwoch wieder die Narren los“. Für Stimmung auf dem Rathausplatz sorgten der schräge Klangkörper der Guggamusik „Bärreglopfa“ aus Gräfenhausen und die Auerbacher „Sternschnuppen-Garde“.

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