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Gegen das Vergessen

Schüler erinnern in Ettlingen an die Opfer der Reichspogromnacht

Auch in Ettlingen wurde bei einer Gedenkstunde an die Schrecken der Reichspogromnacht erinnert. Denn das Wissen soll nicht verloren gehen.

Menschen stellen Kerzen auf einen Gedenkstein
Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht: Am Mahnmal vor der Thiebauthschule stellten Gemeinderäte und Schüler des Eichendorff-Gymnasiums am Dienstagnachmittag Kerzen auf. Foto: Klaus Müller

9.11.? Bei einer Umfrage der „Stiftung Aufarbeitung“ assoziierten 13 Prozent der Befragten das Datum mit „Nine Eleven“. 31 Prozent hätten das Datum mit dem Mauerfall verbunden, erläuterte Bürgermeister Moritz Heidecker (parteilos) weiter.

Die Hälfte der Befragten hatten erst gar keinen Bezug zum „9.11.“ „Nur zehn Prozent von ihnen fiel dabei die Pogromnacht am 9. November 1938 ein.“

Am Dienstag war der besagte Gedenktag, verbunden mit einer fast schon traditionellen Gedenkstunde in Ettlingen am Mahnmal von Irmela Maier nahe der Thiebauthschule; musikalisch auf der Posaune begleitet von Musikschüler Jakob.

Ettlinger Bürgermeister zitiert Holocaust-Überlebende Esther Bejarano

Als erschreckend bezeichnete Heidecker das Ergebnis aus der von ihm zuvor erwähnten Umfrage. „Wir müssen uns in einem Land, das sich gerne damit rühmt, aus der Geschichte gelernt zu haben, gegen diese Geschichtsvergessenheit erwehren“, befand der Bürgermeister und zitierte in diesem Zusammenhang die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano: „Ihr tragt keine Schuld an dem, was passiert ist. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt.“

Das schreckliche wie menschenverachtende Szenario des Holocaust, die millionenfache Ermordung von Juden nahm seinen Anfang in einem, so Heidecker, sozialen Ausgrenzungsprozess – und das in aller Öffentlichkeit.

Den Faden griff bei der Gedenkstunde Pfarrer Andreas Heitmann-Kühlewein auf, der eine Studie des jüdischen Autors Victor Klemperer wiedergab. Darin wird eindrücklich – ja äußerst bedrückend – geschildert, wie die Nazis durch Verordnungen und Gesetze das Alltagsleben der Juden Schritt für Schritt verengten. Immer mehr sei verboten worden – Theater, Radio, der Kauf von Zigarren, ein Besuch beim Friseur. Die Nadelstiche nahmen zu: „Der Würger zog sich immer enger zusammen.“

Schüler verlesen Namen der Opfer des Rassenwahns der Nazis

Und dann erst die Gefahr, jederzeit mit einer Hausdurchsuchung, mit Misshandlungen, Gefängnis und Gewalt rechnen zu müssen. „All das führte zur letzten Eskalationsstufe – eben bis zur Ermordung von sechs Millionen Juden“, sagte Heitmann-Kühlewein. Die Folgen all dessen gaben Schüler des Eichendorff-Gymnasiums wieder. Sie verlasen die Namen von (jüdischen) Menschen, die Opfer des Rassenwahns der Nazis wurden. „Wir haben das mit den Namen, mit dem Vorlesen, vorher geübt“, ließ Schülerin Kerstin anklingen.

„Es ist beängstigend, in welcher Geschwindigkeit im NS-Staat ein grundlegender Werteverfall und -wandel stattfand“, konstatierte Heidecker. Das Wissen darum, wie solch ein gesellschaftlicher Ausgrenzungsprozess habe geschehen können, sei wichtig. Und genauso der Mut, dagegen aufzubegehren. „Mut, der auch im Jahre 2021 dringend notwendig ist.“

Die Frage, warum Menschen Lust daran empfinden würden, andere zu drangsalieren und zu quälen, warf Pfarrer Heitmann-Kühlewein auf, verbunden mit einer Antwort des Apostels Paulus: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

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