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Internationaler Linkshändertag

Den Knoten im Gehirn lösen: Thomas Fang aus Waldbronn ist Linkshänderberater

Türklinken, Scheren, Korkenzieher: Viele Dinge im Alltag sind für Rechtshänder gemacht. Linkshänder müssen sich anpassen - und haben es vor allem in der Schule oft schwer. Thomas Fang aus Waldbronn ist zertifizierter Linkshänderberater. Zum internationalen Linkshändertag (13. August) erklärt er, was seine Arbeit ausmacht.

Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch, vor ihm liegen Bücher. Er hält einen Stift in seiner linken Hand.
Ist eigentlich Rechtshänder: Thomas Fang sitzt in seiner Praxis vor einer Schreibvorlage für Linkshänder. Foto: Julia Trauden

Wenn Thomas Fang überprüfen will, ob ein Kind linkshändig veranlagt ist, dann lässt er es mit einem Auge durch ein Kaleidoskop schauen. Oder er fordert es auf, auf seine Beine zu trommeln und dann auf Kommando mit einer Hand den Kopf zu berühren. Die Seite, die dominiert, gewinnt bei diesen instinktiven Übungen.

Beim Malen oder beim Schreiben ist das anders, so Fang: Hier neigt das Kind dazu, nachzuahmen, was es bei anderen gesehen hat. Und die anderen, das sind meistens Rechtshänder.

Verkrampfte Haltung als Indiz

Thomas Fang ist zertifizierter Linkshänderberater. In seiner Ergotherapiepraxis in Waldbronn berät er seit 20 Jahren vor allem Eltern von Kindern, bei denen Probleme beim Schreiben oder Lesen darauf hindeuten, dass sie linkshändig orientiert sein könnten. „Oft haben die Kinder eine verkrampfte Haltung”, erklärt Fang. Er neigt den Kopf zur Seite und krümmt das rechte Handgelenk. „Teilweise schreiben sie auch in Spiegelschrift.”

Auf dem Tisch in Fangs Praxis liegen Übungsblätter mit Zahlen und geometrischen Flächen. Kinder, die zum ihm kommen, fordert er auf, sie nachzuzeichnen. Dabei zeigt sich, welche Hand dominiert. Bei der Zahl 1 setzen Linkshänder beispielsweise unten rechts an und führen die Hand nach oben, dann nach links. Bei Rechtshändern ist es umgekehrt.

Umerzogene Linkshänder gehen in der Statistik unter

Zehn bis 15 Prozent der weltweiten Bevölkerung sind nach Schätzungen Linkshänder. Linkshänder-Vereine und einige Forscher gehen von einem höheren Anteil aus. Thomas Fang schätzt, dass 35 bis 40 Prozent der Menschen links veranlagt sind. Schließlich lasse die Statistik umerzogene Linkshänder außen vor.

Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden Linkshänder in Schulen auf rechts umgepolt. Teilweise mit fatalen Folgen, wie die bekannteste Linkshänder-Forscherin in Deutschland, Johanna Barbara Sattler, in ihren Fachbüchern erklärt.

Als „einen der massivsten Eingriffe in das menschliche Gehirn ohne Blutvergießen“ bezeichnet die Psychologin die Umerziehung. Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme mit der Feinmotorik, Lese- und Rechtsschreibschwäche oder Sprachstörungen könnten das Ergebnis sein.

Konzentrationsschwäche als Folge

Für Thomas Fang, der sein Zertifikat als Linkshänderberater bei Sattler gemacht hat, sind Diagnosen wie Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) oder Legasthenie daher Anlass, genauer hinzuschauen. Konzentrationsschwierigkeiten seien bei Linkshändern oft das Resultat von Überforderung. Bei ihnen ist die rechte Gehirnhälfte dominant, bei Rechtshändern die linke.

Werden Linkshänder aufgefordert, Dinge so zu tun wie ein Rechtshänder, fährt das Gehirn Achterbahn. Müdigkeit und Ermattung sind die Folge. Manche schalten dann einfach ab.

Einige Erzieher sagen immer noch: Nimm doch die gute Hand.
Thomas Fang, Linkshänderberater

Die Umerziehung finde zwar heute nicht mehr aktiv statt, sagt Thomas Fang. „Aber einige Erzieher sagen immer noch: Nimm doch die gute Hand.” Die meisten Kinder kämen erst zu spät zu ihm, in der zweiten Klasse, wenn sie schon zu lange mit der „falschen Hand” gearbeitet haben. Dann sei eine Rückschulung nicht mehr unbedingt förderlich: „Das Gehirn wird dadurch wieder zu viel durcheinandergebracht.”

Fang rät dazu, bei „Wechselkindern”, die keine Hand eindeutig bevorzugen, schon im Kindergartenalter zu prüfen, wie sie veranlagt sind.

Rentner wollen sich zurückschulen lassen

20 bis 25 Kinder begrüßt er jede Woche in seiner Praxis, sie kommen aus dem ganzen Landkreis. Zertifizierte Linkshänderberater wie Fang, die sich in Seminaren bei der Psychologin Sattler ausbilden lassen haben, gibt es in der Region wenige. Viele Ergotherapeuten böten die Linkshändlerberatung aber „nebenbei” an, erzählt Fang. Vermittelt werden ihm seine Patienten durch Kinderärzte oder Schulen.

Auch zwei Erwachsene behandelt Fang aktuell in seiner Praxis. Sie wollen den Ruhestand nutzen, um sich zurückschulen zu lassen. „Das ist nach 40 Jahren aber gar nicht so einfach”, sagt der Therapeut. Viele Routinen hätten sich eingeprägt. Aber nicht alle: „Häufig ist es bei umgeschulten Linkshändern so, dass sie beispielsweise den Nagel immer noch mit links in die Wand schlagen.”

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