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Andenken

In Waldbronn erinnern 200 Kerzen und Mütter an Sternenkinder

Vor dem Waldbronner Rathausmarkt stehen 200 Kerzen. Aber nicht für die Adventszeit, sondern für Sternenkinder, also Kinder, die unmittelbar nach ihrer Geburt verstarben. Wir haben mit betroffenen Müttern gesprochen.

Rathaus + Kerzen
Wie nah beieinander Tod und Leben zusammenliegen, zeigen die Kerzen vor dem Waldbronner Rathaus. Foto: Klaus Müller

Die 200 Kerzen, akribisch zu einer Spirale aufgereiht, strahlen hier vom Waldbronner Rathausmarkt aus direkt in den Himmel. Es ist ein kalter Abend. Der Anblick der vielen Kerzen sorgt wenigstens für ein bisschen innere Wärme. Und vielleicht trifft das Licht irgendwo in der Unendlichkeit einen Stern. Den Stern eines Sternenkindes.

Nein, mit irgendeinem vorweihnachtlichen Brimborium haben die vielen Kerzen nichts zu tun. Es geht tatsächlich um Sternenkinder – um Kinder, die nie das Licht der Welt erblickten, um Kinder, die unmittelbar nach ihrer Geburt verstarben.

Anlass für das Kerzenmeer auf dem Rathausmarkt war der World Candle Day. Es ist ein weltweiter Gedenktag für verstorbene Kinder. Jedes Jahr findet der Tag am zweiten Sonntag im Dezember statt. Um 19 Uhr Ortszeit werden die Kerzen angezündet – als Lichtband, das um die Erde Richtung Himmel geschickt wird.

Erstmals gab es nun den Gedenktag in Waldbronn, initiiert von der Hebamme Anja Lehnertz-Hemberger und Elisabeth Strnad vom Hospizverein Karlsbad-Marxzell-Waldbronn.

Schätzungsweise 30 Prozent Fehlgeburten in Deutschland

„Jede weiße Kerze steht für ein geborenes Kind. Jede rote für eine Fehlgeburt oder für ein gleich nach der Geburt verstorbenes Kind“, erzählt Anja Lehnertz. Es sind 138 Kerzen, so viele Kinder wurden in dem Jahr in Waldbronn geboren. Und es sind 59 rote Kerzen. Die Zahl sei geschätzt, sagt die Hebamme. Genaue Zahlen von Fehlgeburten in Deutschland gebe es nicht. Neueste Forschungen gingen von einer Fehlgeburtenrate von rund 30 Prozent aus.

Was solche statistischen Zahlen nie und nimmer zum Ausdruck bringen können, ist die unglaubliche Tragik, die Trauer, das Leid – eben Gefühle, die solche Ereignisse bei den Betroffen heraufbeschwören. „Egal, wann es passiert, in welcher Woche der Schwangerschaft, es ist immer schlimm“, erzählt eine 31-jährige Mutter aus Bad Herrenalb. Die sehr intensiven wie eindrücklichen Gespräche wurden vor dem World Candle Day geführt.

In dem Augenblick wurde mir regelrecht der Boden unter den Füßen weggerissen.
Mutter eines Sternenkindes

„Sobald der Schwangerschaftstest positiv war, habe ich mich als Mutter gefühlt.“ Dann kam der Tag, den die Frau nie vergessen wird. „Bei einer Routine-Untersuchung, als ein Ultraschall gemacht wurde, hieß es plötzlich, das Herz schlägt nicht mehr. In dem Augenblick wurde mir regelrecht der Boden unter den Füßen weggerissen.“ Genauso erging es einer 29-jährigen Mutter aus dem Raum Karlsruhe. Es war ein normaler Routine-Termin, der in einem kurzen „Das Herz schlägt nicht mehr“ endete.

Was tun? In dem Augenblick bricht alles zusammen. „Du fühlst dich so allein. So geschockt.“ Viele Frauenärztinnen und Frauenärzte, so die Erfahrungen von Hebamme Lehnertz, „raten“ da gleich zur OP, zur Ausschabung.

Neben einer OP gibt es noch weitere Möglichkeiten mit Sternenkindern umzugehen: Warten bis sich Wehen auslösen; die Natur machen lassen. Beide Frauen entschieden sich für den Weg der Natur. Ganz wichtig dabei sei die Unterstützung der jeweiligen Hebamme: „Sie hat mich begleitet. Sie war immer für mich da.“ Und doch ist es am Ende die Entscheidung jeder betroffenen Frau, welchen Weg sie gehen möchte.

Als „kleine Geburt“ beschreibt die 31-Jährige den Weg der Natur. Dass sie sich gegen die OP, die ihr der Arzt eigentlich anriet, entschieden habe, sei für sie richtig gewesen, betont die 29-jährige Mutter. Sie hat ihre Kleine, ihr Sternenkind, auf die Welt gebracht. „Hätte ich mich anders entschieden, hätte ich mir wahrscheinlich mein Leben lang darüber Gedanken gemacht. So wurde es zu Ende gebracht.“

Regenbogenkinder stehen für die Hoffnung

Jede Frau sollte auch entscheiden können, was mit dem totgeborenen Kind passiert. „Meine Hebamme hat das übernommen. Sie hat gesagt, sie kümmere sich darum und nimmt die Seele des Kleinen mit“, verrät die Mutter aus Bad Herrenalb.

Sie ist wieder schwanger. Mit einem Regenbogenkind. So werden die Kinder in unmittelbarer Schwangerschaft nach einem Sternenkind genannt. Der Namen stehe für Hoffnung – für die Verbindung zwischen Erde und Himmel, hinauf zum Sternenkind.

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