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Dichterwettstreit für den guten Zweck

Marius Loy siegt beim Poetry Slam in Waldbronn mit „Ästhetik und Schönheit“

Selbst geschrieben und nicht länger als sieben Minuten, so müssen die Beiträge beim fünften Benefiz Poetry Slam des Lions Clubs in Waldbronn sein. Fünf Teilnehmer messen sich mit kuriosen und berührenden Beiträgen.

Marius Loy (links) kann den Dichterwettstreit mit „Ästhetik und Schönheit“ gewinnen. Der zweite Platz geht an Anna-Lisa Tuczek mit „Apfelkompott“.
Marius Loy (links) kann den Dichterwettstreit mit „Ästhetik und Schönheit“ gewinnen. Der zweite Platz geht an Anna-Lisa Tuczek mit „Apfelkompott“. Foto: Jürgen Hotz

Der Waldbronner Kurhaussaal am Samstagabend ist ausverkauft, der Dichterwettstreit des fünften Benefiz Poetry Slam des örtlichen Lions Clubs kann beginnen. „Selbst geschrieben, keine Requisiten und nicht länger als sieben Minuten, sonst geht eine Falltür auf“, erklärt Moderator Stefan Unser den Poetry-Slam-Novizen im Auditorium launig die Regeln.

Die Lautstärke des Applauses entscheidet über das Weiterkommen der Poeten in einer Art K.-o.-System mit zweiter Chance. Der Ein-Punkte-Applaus solle so sein, „dass der Slammer die Würde noch behält“, beim Zehn-Punkte-Applaus solle sich nichts weniger als ein „kollektiver Verbal-Orgasmus“ einstellen.

Die Texte in Waldbronn bewegen sich zwischen tiefer Ernsthaftigkeit und Klamauk

Mit einer Betrachtung über „das Wollen“ und gewollten Wortschöpfungen „Wollenskraft, Rumwoller, Will-Will-Situation“ eröffnet Unser außer Konkurrenz die Wort-Bühne für die fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer und deren Texte „von tiefer Ernsthaftigkeit bis Klamauk“.

Marius Loy aus Aichwald-Aichschieß erzählt vom rückständigen Dorf, „wo an der Tanke gegen 19.58 schon die Lichter erloschen sind und ich jetzt offenlasse, ob die Uhrzeit oder das Jahr gemeint ist“. Julie Kerdellant „wär so gern alt, mit Dauerwelle und dass Leute für mich im Bus aufstehen“, aber am Ende dann doch nicht. 

Das Prinzip von Lasse Samströms Text von 2019 kennen ältere TV-Zuschauer aus den 90er Jahren von Stefan Jürgens’ „Kentucky schreit Ficken“. „Den Raneten pletten“ und „Hühner aus Hodenbaltung“ heißt es bei Slammer Samström.

Anna-Lisa Tuczeks Text kippt von Idylle zu den Gräueltaten des Nazi-Regimes

Anna-Lisa Tuczeks „5. August“, den sie erst im Juni geschrieben hat, beginnt idyllisch: „eines der Scharniere quiiiietscht“, Kinderschritte trippeln, Reisevorbereitungen werden getroffen. Sie lebt ihren frei vorgetragenen Text gestisch mit. Dann kippt der Text, denn er beschreibt die Deportation von Janusz Korczak, der mit den Kindern seines Waisenhauses 1942 im Konzentrationslager ermordet wurde.

Karsten Hohage widmet sich etwas „wovon man ausnahmsweise allen anderen mehr wünscht, man selber aber grundsätzlich denkt, man habe genug – Hirn“. Die Runde geht an Anna-Lisa Tuczek. Marius Loy wird zweiter Finalist.

Marius Loy gewinnt mit Körpereinsatz und Charmedusche

Im Stechen beginnt Tuczek mit „Apfelkompott“ von 2020, einer Ode an ihren verstorbenen Großvater. Loy trägt – wie schon 2021 beim Ettlinger Poetry Slam, nun aber Waldbronn-modifiziert – „Ästhetik und Schönheit“ vor, es geht ums Rauchen. Mit vollem Körpereinsatz und Charmedusche – das Publikum tobt – gewinnt er den Slam.

Fasziniert „von den emotionalen Vorträgen“ sieht Bürgermeister Christian Stalf (parteilos) im Poetry Slam „eine eigene Kunstform“. Lions-Präsident Sven Christoph Beutelspacher erwartet vom Ticketverkauf einen Erlös wie im Vorjahr, rund 3.500 Euro. Die kämen regionalen Projekten zugute, die per Abstimmung in der kommenden Mitgliederversammlung ermittelt würden.

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