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32-Jähriger hat Vorstrafen

Pfleger aus Waldbronn droht Abschiebung nach Gambia – Kollegen und Betreuerin wehren sich

Ousman Jabbis Kollegen sind geschockt. Am 7. Juni soll der im Team und bei Heimbewohnern beliebte 32-Jährige in sein Heimatland abgeschoben werden. Seine Betreuerin will das vor Gericht verhindern.

Das Seniorenhaus am Rathausmarkt in Waldbronn
Im Seniorenhaus am Rathausmarkt in Waldbronn arbeitet Ousman Jabbi, der vor einigen Jahren als Flüchtling aus Gambia kam. Nun soll er in sein Heimatland abgeschoben werden. Foto: Julia Trauden

Für die Mitarbeiter des Seniorenhauses am Rathausmarkt Waldbronn war es ein Schock: Am vergangenen Freitag tauchten dort vier Polizisten auf und führten ihren Kollegen Ousman Jabbi ab. 

Der junge Mann aus Gambia arbeitete seit dem Sommer 2018 hier als Pfleger, war geschätzt und beliebt im Team, bei Bewohnern und Angehörigen. Nun soll er schon an diesem Mittwoch (7. Juni) abgeschoben werden in sein Heimatland. Aktuell befindet er sich im Abschiebegefängnis in Pforzheim.

Für Pierre Eckert, Leiter des mit 78 Bewohnern voll belegten Seniorenhauses der Diakonie in Waldbronn, ist das überhaupt nicht nachvollziehbar. 

„Wie kann man jemanden nach über fünf Jahren abschieben, der hier in Deutschland anerkannt, integriert, geliebt und geschätzt wird?“, fragt er in einem Schreiben, das am Montagmorgen an zahlreiche Ministerien rausging und das Ziel hat, das Blatt für Ousman Jabbi noch zu wenden. 

Dieses Vorgehen lässt viele am Sozialstaat Deutschland zweifeln.
Pierre Eckert, Heimleiter Seniorenhaus Waldbronn

Jabbi, schreibt Eckert weiter in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, habe fünf Jahre in die Sozialkassen eingezahlt („und er könnte es noch weitere 35 Jahre tun“), habe die Strukturen im Pflegeheim verinnerlicht, kenne alle Abläufe. 

So jemanden abzuschieben, während gleichzeitig etwa in Mexiko oder Brasilien um Pflegekräfte für Deutschland geworben wird, hält Eckert für absurd. „Er ist schon hier! Man muss ihn nicht durch irgendwelche Pflegekräfte aus irgendwelchen südamerikanischen Staaten ersetzen.“ Das Vorgehen lasse „viele, die das alles mitbekommen haben, am Sozialstaat Deutschland zweifeln“.

Jabbis Problem: Seit seiner Ankunft in Deutschland 2014 ist er mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Einige Male wurde er beim Schwarzfahren erwischt, berichtet seine Betreuerin vom Arbeitskreis Asyl in Ettlingen, wo er in der Asylbewerberunterkunft in der Bunsenstraße wohnte, bis er im Mai eine eigene Wohnung in Waldbronn bezog.

Auf Mahnschreiben habe der heute 32-Jährige nicht reagiert, sie vielleicht auch nicht verstanden: „Er hat es auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen.“

Hinzu kamen in der Vergangenheit Anzeigen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln sowie im August 2022 ein unerlaubter Aufenthalt im Ausland und damit verbunden unerlaubte Einreise nach Deutschland.

Eilantrag beim Verwaltungsgericht war nicht erfolgreich

Um zu verhindern, dass Jabbi das Land verlassen muss, hat seine Betreuerin am Montag einen Eilantrag auf Aussetzung der Abschiebung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe gestellt. Dieser wurde am Dienstag abgelehnt. 

Jabbis Betreuerin will nun versuchen, mithilfe eines Rechtsanwalts in der nächsten Instanz am Verwaltungsgerichtshof (VGH) noch die Abschiebung zu stoppen.

Das für Abschiebungen zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) sieht keine Perspektive für Jabbi in Deutschland. Vor jeder Abschiebung werde individuell geprüft, ob eine Legalisierung des Aufenthalts erfolgen kann, teilte die Behörde am Dienstag auf Nachfrage mit. 

Bei Jabbi komme aber aufgrund seiner „zahlreichen Vorstrafen“ weder eine Beschäftigungsduldung noch eine „Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des Chancenaufenthaltsrechts in Betracht“.

Asylantrag wurde 2017 abgelehnt

Laut RP stellte Jabbi 2014 in Deutschland einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe diesen 2017 „als offensichtlich unbegründet abgelehnt und die Abschiebung nach Gambia angedroht“. Ein Eilschutzantrag und eine Klage gegen den BAMF-Bescheid seien abgewiesen worden.

Damit sei Jabbi bereits seit mehreren Jahren ausreisepflichtig. „Aufgrund fehlender Reisedokumente“ habe man ihn jedoch dulden müssen.

Als er im November 2022 doch einen Reisepass vorlegte und damit keine Duldungsgründe mehr vorhanden waren, „leitete das Regierungspräsidium Karlsruhe sodann im Rahmen der verfügbaren Flugkapazitäten aufenthaltsbeendende Maßnahmen ein“.

RP sieht keinen Ermessensspielraum bei Abschiebungen

Einen Ermessensspielraum habe das RP nicht bei Abschiebungen, „die Entscheidungen des BAMF sind für die Ausländerbehörden des Landes bindend“.

Gudrun Mund, Geschäftsführerin der Diakonie im Landkreis Karlsruhe gGmbH und damit mitverantwortlich für das Pflegeheim in Waldbronn, hat wie Heimleiter Eckert kein Verständnis für Jabbis Rückführung.

In Jabbis Führungszeugnis hatte sie bei seiner Bewerbung 2018 die Einträge wegen des „Erschleichens von Leistungen“ – also Schwarzfahren – entdeckt. „Wir wollten ihm dennoch eine Chance geben“. 

Das ist jemand, der sich bewiesen hat.
Gudrun Mund, Geschäftsführerin Diakonie im Landkreis Karlsruhe gGmbH

Pflegekräfte sind schließlich Mangelware, und Jabbi wirkte motiviert. 2016 hatte er in Ettlingen Deutschkurse belegt und nebenher bei Lidl gejobbt. 

Es folgte ein Pflegepraktikum bei der Caritas, dann kam Jabbi als Pflegehilfskraft zur Diakonie und ins Heim nach Waldbronn. „Das ist jemand, der sich bewiesen hat und seit knapp fünf Jahren sehr gut bei uns arbeitet“, sagt Mund.

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