Erwartungsvoll richten sich die Blicke auf dem Ettlinger Marktplatz um elf Uhr Richtung Himmel, und dann passiert ... erstmals nichts. Am ersten bundesweiten Warntag sollten zwischen 11 Uhr und 11.40 Uhr die Sirenen heulen, um die Bevölkerung für Warnsignale zu sensibilisieren.
Zudem sollte die Funktionsfähigkeit des bestehenden Warnsystems getestet werden. Viele Menschen, die am Donnerstagvormittag auf dem Marktplatz stehen, haben sich darauf eingestellt, dass es direkt um 11 Uhr losgeht. Vor der Baustelle in den Ratsstuben haben die Arbeiter eine Pause eingelegt.
„Ich bin gespannt, wie die Leute reagieren“, sagt Bauarbeiter Ioan Sorin Bunea. Als die Sirenen einige Minuten später immer noch nicht ertönt sind, geht er mit seinen Kollegen zurück an die Arbeit.
Ich habe mir den Ton lauter vorgestellt, so dass man richtig erschreckt wird.Marta Lauinger, Bürgerin aus Ettlingen
Als es dann gegen 11.10 Uhr losgeht, sind viele enttäuscht. Die Sirenen sind so leise, dass man sie kaum hört. Nach einer Minute ist alles vorbei. „Ich habe mir den Ton lauter vorgestellt, so dass man richtig erschreckt wird“, sagt Marta Lauinger. Sie ist 1940 geboren und kennt den Sirenenalarm noch aus Kriegszeiten.
„Wenn man’s nicht gewusst hätte, hätte man’s nicht gehört“, befindet Uta Schwald (64) aus Ettlingen. Auf der Bank neben ihr sitzt die 27-jährige Jasmin, die betont: „Es muss so laut sein, dass es jeder hört. Auch wenn in der Wohnung das Radio oder der Fernseher läuft.“
Bei uns gab es ABC-Alarm – aber bis jetzt keine Entwarnung.Gerold Becker, Bürger aus Marxzell
Auch in anderen Gemeinden lief die Erprobung der Warnsysteme nicht ganz rund. Um kurz vor 12 Uhr meldet sich BNN-Leser Gerold Becker aus Marxzell-Pfaffenrot in der Redaktion: „Bei uns gab es ABC-Alarm – aber bis jetzt keine Entwarnung.“ Er habe versucht, im Rathaus anzurufen, dort aber nur den Anrufbeantworter erreicht.
Der Polizeiposten Albtal habe sich für nicht zuständig erklärt und auf die Gemeinde verwiesen. Gerold Becker ist sauer: „Das ist ein Chaos. Das ist so nicht hinnehmbar.“
Die Gemeinde Marxzell weist die Vorwürfe zurück: „Es lief alles reibungslos“, berichtet Nastassia Di Mauro, Leiterin des Bereichs Bürgerservice und zentrale Dienste. Auch der Entwarnungston sei ertönt. Man habe den Alarm nach Absprache mit der Integrierten Leitstelle (ILS) für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz in Karlsruhe um 11.30 Uhr ausgelöst. „Die Sirenen gingen rechtzeitig an und es gab keine besonderen Vorkommnisse.“
Liegt hier ein Versäumnis vor? Was passiert im Fall X?Willi Spiesz, Geschäftsführer Grau Elektronik in Ittersbach
Auch aus anderen Kommunen melden sich Bürger, die nichts oder kaum etwas von dem Probealarm mitbekommen haben: „Im Karlsbad-Ittersbacher Industriegebiet hört man die Sirenen leider nicht, außer man steht im Freien, es herrscht Windstille, kein Auto, keine Säge ist gerade eingeschaltet“, schreibt der Geschäftsführer einer Firma an die BNN. „Liegt hier ein Versäumnis vor? Was passiert im Fall X?“
„Bei uns in Mörsch gar nichts gehört“, kommentiert ein Facebook-Nutzer in der Gruppe „Rheinstetten“. In den sozialen Medien mischen sich unter Verwunderung und hämische Reaktionen wie „Im Ernstfall auch bitte bei uns klingeln“ beschwichtigende Stimmen: „Die Idee eines Tests ist doch, genau solche Schwachstellen aufzudecken“, schreibt eine Nutzerin in der Facebook-Gruppe „Malsch“. In der Gemeinde war der Alarm auch nicht überall deutlich zu hören war.
Fehlersuche beginnt nach Ausfall einiger Sirenen
Frederik Layh, Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung in Malsch, betont: „Mit ein Ziel des Warntages ist ja, die Alarmierungssysteme generell auf deren Funktionsfähigkeit hin zu überprüfen.“ Eine von sechs Sirenen in Malsch, die in Neumalsch, sei nicht wie geplant um 11.15 Uhr angesprungen.
„Hier wird im Nachgang die Ursache gesucht werden, um übergangsweise die Funktion wieder herzustellen zu können.“ Übergangsweise, weil das komplette Sirenensystem in Malsch erneuert wird und voraussichtlich im kommenden Jahr in Betrieb gehen kann. In Karlsbad haben nach Angaben von Ordnungsamtsleiter Jürgen Augenstein nur sieben von neun Sirenen ausgelöst. Auch dort beginnt nun die Fehlersuche.
Ettlingen hat Sirenen erst vor zwei Wochen installiert
Ettlingen will ebenfalls gegebenenfalls nachjustieren, nachdem die Stadtverwaltung mehrere Anrufe von Bürgern erreicht haben, denen die Alarmsignale zu leise gewesen waren, berichtet Sonja Reich vom Ordnungsamt. „Alle 19 Sirenen in der Stadt sind aber angegangen.“ Sie seien allesamt neu und erst vor zwei Wochen aufgebaut worden. Es handele sich um elektronische Sirenen, die sich rein optisch stark von den mechanischen Exemplaren unterscheiden, die noch auf einigen Dächern zu finden sind. Statt einer Blechhaube besitzen sie mehrere Schallhörner, über die die Töne freigegeben werden.
In der Nachjustierung können man diese Hörner entweder neu ausrichten oder ihre Zahl erhöhen, um die Lautstärke anzupassen. Auch der Aufbau weiterer Sirenen sei eine Option – „allerdings ist das immer auch ein Kostenfrage“. Mit den Fachplanern vom Ingenieurbüro und der Sirenenfirma werde man sich noch einmal besprechen.