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I hätt do mol e Frog

Warum steht im Ettlinger Wald ein hessisches Vogelfutterhaus?

Im Wald bei Ettlingen-Spessart, direkt neben der Kreuzelberghütte, steht ein kleines Haus auf Stelzen, dessen Aufschrift BNN-Leserin Gaby Weber Rätsel aufgibt. Die Suche nach Antworten führt nach Frankfurt am Main.

BNN-Leserin Gaby Weber steht neben der Futterstelle mit der Aufschrift „Hessische Vogelfütterung“ an der Kreuzelberghütte im Ettlinger Wald.
Über die „Hessische Vogelfütterung“ an der Kreuzelberghütte hat Gaby Weber sich schon häufiger gewundert. Foto: Julia Trauden

Warum steht auf dem Dach eines Futterhauses für Vögel an der Kreuzelberghütte im Ettlinger Wald die Aufschrift „Hessische Vogelfütterung“? Diese Frage stellt sich BNN-Leserin Gaby Weber aus Spessart immer wieder, wenn sie bei ihren Spaziergängen an dem Forsthaus vorbeikommt.

Auch den Leiter der Ettlinger Forstabteilung, Joachim Lauinger, würde interessieren, was genau hinter dem Schriftzug steckt. Es handele sich vermutlich um eine alte Beschriftung von einem ehemaligen Förster, der noch in den 70er-Jahren für den Wald verantwortlich war, erklärt er auf Nachfrage.

Die Bezeichnung hänge mit der Bauweise der Futterstelle zusammen. Sie gleicht einem kleinen Haus auf Stelzen, den Futtertisch mit einem Loch in der Mitte umrahmen gläserne Seitenwände: „Die Vögel konnten von unten rein fliegen und dort mehr oder weniger geschützt fressen“, sagt Lauinger. Krähen können ihnen dort nichts anhaben und Nagetiere wie Eichhörnchen oder Mäuse nicht das Futter wegschnappen.

Die Futterstelle werde vom Forst aber schon lange nicht mehr befüllt. „Wir haben keine härteren Winter mehr“, erklärt Lauinger, und außerdem müsse man nicht unnötig in die Natur eingreifen.

Tierschützer streiten darüber, ob man aufs Füttern verzichten und der natürlichen Selektion freien Lauf lassen sollte oder Vögel sogar ganzjährig füttern müsste, um den kontinuierlichen Rückgang der Population aufzuhalten.

Bauweise bietet Vögeln Schutz vor anderen Tieren und Wettereinflüssen

Im Internet finden sich zum „Hessischen Futterhaus“ einige Bauanleitungen, allerdings stammen diese überwiegend aus älteren Publikationen, wie etwa einem Arbeitsbuch für Hauptschulen aus dem Jahr 1970.

Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) informierte in einer Handreichung mit dem Titel „Winterfütterung der Vögel“ 1989 über das hessische Futterhaus: „Kennzeichnend für die Hessischen Futterhäuser sind verglaste Seitenwände, die das Futter vor Witterungseinflüssen gänzlich abschirmen. Die Vögel werden durch ein kleines Futtertischchen, das am mittleren Standpfahl befestigt ist, angelockt und gelangen dann von unten her zum eigentlichen Futtertisch im Innern des Hauses.“

Wegen Seuchengefahr wurden große Futterhäuser zum Auslaufmodell

Von großen Futterhäusern wie dem an der Ettlinger Kreuzelberghütte riet die LUBW jedoch damals schon ab. „Wegen der Unduldsamkeit der Vögel untereinander und vor allem wegen der hohen Seuchengefahr geht man aber neuerdings immer mehr dazu über, die großen Futterhäuser durch jeweils mehrere kleinere Futtergeräte zu ersetzen, die in weiten Abständen voneinander angebracht sind.“

Verbindung zur Vogelschutzwarte in Frankfurt am Main?

Dem Vogelexperten des Nabu Baden-Württemberg, Stefan Bosch, fällt beim Hessischen Futterhaus sofort die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland mit Sitz in Frankfurt am Main ein, deren wissenschaftlicher Leiter ab 1944 Sebastian Pfeifer war. Pfeifer gab 1957 das „Taschenbuch für Vogelschutz“ heraus – und in dem befand sich eine Bauanleitung für eine entsprechende Futterstelle.

Nichts für Unentschlossene: In fünf verschiedene Richtungen weisen Schilder am „Frankfurter Kreuz“ auf dem Ettlinger Kreuzelberg.
Nichts für Unentschlossene: In fünf verschiedene Richtungen weisen Schilder am „Frankfurter Kreuz“ auf dem Ettlinger Kreuzelberg. Foto: Julia Trauden

Zu Frankfurt am Main wird am Kreuzelberg im Übrigen noch ein weiterer Bezug hergestellt: Die Wegspinne unweit der Kreuzelberghütte nennen die Ur-Spessarter das „Frankfurter Kreuz“, erzählt Gaby Weber. Der Vergleich mit dem größten Verkehrsknoten Deutschlands mit seinen zig Abzweigungen liegt nahe, immerhin laufen an dieser Stelle fünf Wege zusammen.

Kreuzelberghütte war Treffpunkt des jüdischen Wanderbundes „Kameraden“

Die Kreuzelberghütte selbst entstand, wie aus dem „Gedenkbuch für die Karlsruher Juden“ des Karlsruher Stadtarchivs hervorgeht, in den 1920er Jahren. Erbaut wurde sie demnach vom Kaufmannssohn Walter Strauß, der 1921 mit Gleichgesinnten die Ortsgruppe Ettlingen des jüdischen Wanderbundes „Kameraden“ gegründet hatte. Die Hütte wurde als Wanderheim und für Liederabende genutzt. Sie diente der Pflege des „Deutschtums bei den Juden“, heißt es in dem Gedenkbuch, und wurde vor allem von Schülern und Studenten frequentiert, „die dem Besitz- und Bildungsbürgertum zuzurechnen waren“.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs, so erzählt es der Ehemann von BNN-Leserin Gaby Weber, suchten dort einige Spessarter Zuflucht vor der französischen Artillerie, die den Ort beschoss. „Sie zogen in den Wald und verbrachten dort einige Tage und Nächte.“ Bis schließlich französische Soldaten die Bürger entdeckten und sie in ihr Dorf zurückkehren ließen. Heute ist die Kreuzelberghütte eine Schutzhütte für Waldarbeiter und Gerätelager, erklärt Förster Joachim Lauinger.

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