
Wo geht die Reise hin für den Journalismus? Wie sieht die Situation der Tageszeitungsverlage im Südwesten aus? Welche Rolle spielt künftig die künstliche Intelligenz (KI)? Und was können die sich im Umbruch befindenden Tageszeitungsverlage vom Staat erwarten? Dies etwa mit Blick auf die hohen Kosten der Digitalisierung und die ebenfalls ständig steigenden Kosten für die klassischen Vertriebswege der Printausgaben.
Fragen, die am Freitag bei der Mitgliederversammlung des „Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger“ (VSZV) im Ettlinger Schloss und im Hotel Erbprinz zwar nicht letztlich beantwortet, aber heftig diskutiert wurden.
Hoffen auf Unterstützung
Valdo Lehari jr., bei der Versammlung wiedergewählter Präsident des VSZV und Verleger des „Reutlinger Generalanzeigers“, machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über die Politik: „Die Pressefreiheit ist auch bedroht, wenn die wirtschaftlichen Grundlagen entfallen, auch für die Zustellung und Herstellung.“
Die Politik betreibe keine aktive Medienpolitik mehr, dadurch fehlten die Rahmenbedingungen, damit die Zeitungsverlage eine gute Arbeit machen könnten. Lehari jr. zielte mit seiner Bemerkung auch auf das seit Jahren vergebliche Drängen der Verleger auf eine wie auch immer geartete staatliche Unterstützung für die Zustellung der Printausgaben von Tageszeitungen.
Zunehmend gebe es Abgeordnete und Minister, „die keine Ahnung haben, wie unsere Branche läuft. Wir fordern keine Staatshilfe, wir wollen nur unseren Job machen, dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen“, so Lehari jr.
Gäste aus Politik und Medien
Am Abend war Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Gast bei den Verlegern. Er würdigte deren Arbeit: „Lokal- und Regionalzeitungen stehen für die Lebendigkeit unserer Demokratie.“ Wer wissen wolle, was im Land los sei, komme nicht an diesen Medien vorbei, betonte der Grünen-Politiker.
„Ausgewogene Berichterstattung ist gerade in unseren aufgeregten Zeiten systemrelevant.“ Er wisse, dass die Branche angesichts gestiegener Energie- und Papierpreisen und des Mindestlohns erheblich unter Druck stehe.
BNN sind Mitglied im Verband
Der „Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger“ wurde 1953 als landesweite Interessenvertretung der Tageszeitungen in Baden-Württemberg gegründet. Der Verband hat 49 Mitgliedsunternehmen, darunter auch die Badischen Neuesten Nachrichten aus Karlsruhe mit ihrem Verleger Klaus Michael Baur, dem Gastgeber der Mitgliederversammlung.
Konflikt der Zeitungsverlage mit SWR
Gesprächsthema unter den Verlegern und weiteren Gästen aus der Medienbranche war am Freitag in Ettlingen auch der Konflikt mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 17 Tageszeitungsverlage im Südwesten hatten gegen die SWR-App „Newszone“ geklagt. Die Verlage sahen in diesem und anderen Fällen eine klare Wettbewerbsverzerrung durch quasi-kostenfreie „presseähnliche“ Angebote im Internet.
Der Konflikt hatte sich in der vergangenen Woche noch einmal zugespitzt, als ein Zusammentreffen des „Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger und Digitalpublisher“ mit Vertretern der ARD und des SWR vor einer eigens eingerichteten Einigungsstelle ohne Ergebnis auseinanderging.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte die klagenden Zeitungen und den SWR an diese im Medienstaatsvertrag vorgesehene Einigungsstelle verwiesen. Der Vorsitzende des VSZV bewertete die Auseinandersetzung nur kurz: Seit 20 Jahren streite man mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die sogenannte „Presseähnlichkeit“.
SWR-Intendant macht Gesprächsangebot
Auf der Mitgliederversammlung war auch Kai Gniffke, SWR-Intendant und gleichzeitig Vorsitzender der ARD, zu Gast. Er war von der morgendlichen Rundfunkratssitzung in Baden-Baden nach Ettlingen gekommen, auf der der Streit auch Thema war. Auf Nachfrage unserer Redaktion betonte Gniffke, dass „ich mich mit öffentlichen Aussagen erst einmal zurückhalte“.
Es gelte aber weiter das Angebot des SWR an die Zeitungsverlage im Südwesten zur Zusammenarbeit bei einer auf junge Leute gezielten Nachrichten-App. „Unsere Rechtsstandpunkte haben wir nicht übereinander bekommen“, so Gniffke mit Blick auf die ergebnislose Mediation vor der Einigungsstelle.
Deshalb sollten Verleger und öffentlich-rechtlicher Rundfunk „in Ruhe miteinander reden und nicht öffentlich“. Die Verleger schließen unterdessen nicht aus, dass sie erneut vor Gericht klagen, war in Ettlingen zu hören.
Vortrag über Künstliche Intelligenz
Von zwei Rednern erhofften sich die versammelten Vertreter der Branche auch Einblicke, wie es mit der Digitalisierung der Branche und der künstlichen Intelligenz weitergeht. Da ging es um „Perspektivwechsel – wie blickt die digitale Wirtschaft auf die Verlagsbranche?“ von Dirk Freytag, Präsident des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft sowie ein Vortrag des Tübinger Wissenschaftlers und KI-Experten Olaf Kramer zum Thema „Wie künstliche Intelligenz Journalismus und öffentliche Debatten verändert.“
Freytag forderte die Verleger auf, die journalistische und digitale Kompetenz ihrer Medienhäuser vor allem im Lokalen zu nutzen. „Sie müssen die junge Generation dort abholen, wo sie ist“, so Freytag. Der KI-Experte Kramer bereitete die Verleger auf umfassende Umwälzungen vor. KI werde weitere Beschleunigungsprozesse bedeuten. Auch werde sie ein Ersatz menschlicher Arbeitsleistung bedeuten. Positiv sei aber, dass KI erlaube, „journalistische Inhalte zielgenauer auf die User anzupassen“.