Geduld
Es gibt vieles, für das ich andere Eltern bewundere. Erstens, ihre Geduld. Eine Tugend, derer ich nicht habhaft bin. Es beeindruckt mich sehr, wenn meine Mama-Freundin unseren kreischenden Kindern vier Mal mit gleichbleibend ruhiger Stimme erklärt, dass die erlaubten 20 Netflix-Minuten nun abschließend beendet sind und sie sich eine andere Beschäftigung suchen müssen, anstatt, wie ich, „Ihr spinnt ja wohl, wegen einer bescheuerten Drachen-Sendung so durchzudrehen! Macht mal eure Steuer, dann wisst ihr, was ein Problem ist!“ zu brüllen.
Genügsamkeit
Eine zweite Tugend, für die ich andere Eltern bewundere, ist die Genügsamkeit. Wegen des Babys keine Zeit gehabt zu essen oder zu duschen? Kein Problem für diese Menschen, die ihre eigenen Bedürfnisse zu fast 100 Prozent hinten anstellen können. Nicht, dass ich mich nicht auch hingebungsvoll um meine Babys gekümmert habe – auf ein paar Dinge konnte ich jedoch nie verzichten; allem voran meine eigenen Nahrungsaufnahme, ohne die ich mich in eine gruselige Mr. Hyde-Version meiner Selbst verwandle – Baby hin oder her.
Vernunft
Aber womit mich andere Väter und Mütter wirklich am meisten beeindrucken ist ihre Vernunft. „Ich freue mich auf unser Treffen – wir müssen allerdings schon um 17.30 Uhr wieder weg“, schreiben solche Leute vor einem gemeinsam verbrachten Samstagnachmittag per SMS. Dann trifft man sich, trinkt ein Glas Wein, lacht viel. Es könnte ewig so weitergehen, doch um Punkt 17.25 Uhr rufen sie: „Hugo! Carlotta! Kommt bitte die Schuhe anziehen!“ Ich kann das nicht.
Was ich auch nicht kann: einer Runde Quatsch widerstehen. Selbst wenn ich weiß, dass sie ein Nachspiel haben wird: Mit dem Mann und den Kindern mit Laternenstäben als Schwertern durch die Wohnung jagen – mit Hüpf-Showdown auf dem elterlichen Bett – ist witzig, sorgt aber garantiert für Kinder, die sich später gegenseitig mit ihren Laternenstäben verkloppen und vier weitere Wochen lang das Ehebett als Hüpfburg benutzen.
Der heilige Feierabend
Am offensichtlichsten wird mein Vernunftdefizit aber, wenn die Kinder ins Bett gehen. Danach habe ich nämlich Feierabend – und zwar drei Stunden lang. Diese Regel habe ich weder abgelegt, seit die Erstgeborene in die Schule geht und ich jeden Morgen zu nachtschlafender Zeit meine weichgehüpften Decken verlassen muss, noch lege ich sie ab, wenn aus der 20 Uhr- mal eine 21 Uhr-Schlafenszeit wird und sich meine Nacht plötzlich dramatisch verkürzt.
Das ist nicht klug, aber zumindest mal konsequent. Und Konsequenz ist ja bekanntlich auch eine Tugend.