Die Achtjährige möchte seit geraumer Zeit Naturwissenschaftlerin werden. Das begrüße ich – sehr sogar. Ein spannendes Berufsfeld? Mit tollen Zukunftsaussichten? Und dann noch eins, in dem Frauen unterrepräsentiert sind? Genau mein Ding.
„Meine Tochter ist Humangenetikerin“ (oder so), sah ich mich bereits stolz beim Seniorentreff verkünden. Dass eine Achtjährige ihren Berufswunsch durchaus noch ändern kann, ignorierte ich bei meinen Tagträumen geflissentlich.
Meine Tochter ist Humangenetikerin
Sobald sie ihren Berufswunsch geäußert hatte, zog ich begeistert mit. Ich kaufte zu Weihnachten und Geburtstag Lupen, Forscher-Sets und Experimentierkästen und bat die Großeltern, dasselbe zu tun.
In meiner Euphorie hatte ich eine essenzielle Konsequenz des Forscherdaseins allerdings nicht bedacht: Forschung macht Dreck.
Zum Anfang fand ich es noch niedlich, wenn meine Tochter begeistert Blütenblätter sezierte und die Reste auf dem Boden verteilte. Doch allmählich begannen die Experimente, alle freien Oberflächen im Haus zu übernehmen. Auf Fensterbrettern, Tischen und Kommoden stapelten sich tote Käfer und Erdklumpen („Die kannst du nicht wegräumen, die muss ich noch untersuchen!“).
Tote Käfer und Erdklumpen
Immer wieder trat ich in Pfützen bedenklicher Farbe oder Inhalts und täglich musste ich die Spülmaschine mit bruchsicheren Reagenzgläsern und kindgerechten Plastik-Pipetten füllen.
Spätestens mit dem ersten ausgeschütteten Reagenzglas, das einen Teil des Holzbodens im Kinderzimmer nachhaltig in ein unschönes Grün färbte oder dem offenen Glas voll toter Fliegen, das ich im Kühlschrank fand, verlor ich die Geduld mit meiner Forscherin. Fortan explodierte ich ein bisschen (oder auch mehr), wenn sich die Flora und Fauna der näheren Umgebung im Haus verteilte.
Jüngst war wieder so ein Tag. Ich kam nach Hause und fand im Bad ein verschmiertes Kind vor. Auf dem Boden klebte eine undefinierbare Substanz und auf dem Waschbecken stapelten sich Becher voll Farbe, Wasser und Erde. Erschöpft vom Arbeitstag setzte ich zum Schimpfen an – da hielt mir die Achtjährige freudestrahlend zwei Reagenzgläser entgegen und rief: „Mama, schau! Ich erfinde ein Heilmittel gegen Corona!“
Forschung macht Dreck
Mir blieb der Schrei im Halse stecken. Ich schämte mich. Und versuche seitdem, folgende Erkenntnis zu verinnerlichen: Forschung macht Dreck. Das muss man eben hinnehmen, wenn man beim Seniorentreff protzen will.