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Sponsor des KSC als Käufer

Bild von Neo Rauch zeigt früheren Karlsruher Professor, der mit Fäkalien malt: Interview mit Wolfgang Ullrich

Skurriler Streit zwischen dem früheren Karlsruher Professor Wolfgang Ullrich und dem Maler Neo Rauch: Ullrich hatte geschrieben, das Werk von Rauch enthalte „einige Motive rechten Denkens“. Die Antwort des Künstlers: Ein Bild von Ullrich, wie dieser mit seinen eigenen Fäkalien malt. Bei einer Auktion wurde es vor Kurzem für 750.000 Euro verkauft – an einen Sponsor des KSC.

Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten: Der Unternehmer Christoph Gröner (Zweiter von links) erwarb für 750.000 Euro Neo Rauchs Gemälde „Der Anbräuner“. Darauf dargestellt ist Wolfgang Ullrich als Maler, der mit seiner Kacke auf einer Leinwand dilettiert.
Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten: Der Unternehmer Christoph Gröner (Zweiter von links) erwarb für 750.000 Euro Neo Rauchs Gemälde „Der Anbräuner“. Darauf dargestellt ist Wolfgang Ullrich als Maler, der mit seiner Kacke auf einer Leinwand dilettiert. Foto: Lutz Zimmermann/GRK Golf Masters GmbH/dpa

Wolfgang Ullrich ist einer der bedeutendsten Kommentatoren des Kunstgeschehens. Aktuell steht der frühere Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe allerdings wegen eines skurrilen Streits im Fokus. Der Künstler Neo Rauch zeigt ihn in seinem Bild "Der Anbräuner“ als Maler, der mit seiner Kacke auf einer Leinwand dilettiert.

Im Interview mit BNN-Redakteur Michael Hübl nimmt Ullrich zu diesen Vorgängen Stellung.

Wie haben Sie es empfunden, in dieser Weise gleichsam an den Pranger gestellt zu werden?

Wolfgang Ullrich: Ich habe es durchaus okay gefunden, dass Neo Rauch ein Protestbild malt. Ich habe der „Zeit“-Redaktion deshalb auch gesagt, sie solle das Bild selbstverständlich veröffentlichen. Erstaunt war ich im Nachhinein etwas über das recht große Format. So etwas malt auch ein Neo Rauch nicht mal so nebenbei. Das ist doch viel mehr als eine Karikatur, als die das Gemälde nun oft bezeichnet wird.

Kritischer Analytiker: Der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich gilt als besonders aufmerksamer Beobachter des Kunstbetriebs.
Kritischer Analytiker: Der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich gilt als besonders aufmerksamer Beobachter des Kunstbetriebs. Foto: Annekathrin Kohout

Nun ist es ja dabei nicht geblieben, sondern durch die Versteigerung hat die Angelegenheit noch einen zusätzlichen Kick erhalten.

Die Frage ist, ob Rauch nicht von vornherein an diese Auktion gedacht hat. Er hat schon mehrfach für diese Benefizaktion gespendet, und man klopft da sicher jedes Jahr bei ihm an. Vielleicht hat er diesmal gedacht, er könne zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – zu spenden und zugleich mir eine Ohrfeige zu verpassen, wie er das selbst bezeichnete. An dieser Stelle fängt es an, unsensibel zu werden. Aber auch interessant: Wollte Rauch sich und seine Provokation wirklich mit der Aura von Charity und der Autorität einer hohen Versteigerungssumme schützen? Hat er das als Künstler nötig? Und kann er mit einem Käufer, der auch schon mal als Möchtegern-Trump auftritt und die Provokation des Bildes für eigene Zwecke nutzt, wirklich glücklich sein?

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Durch diese Rezeption aber wird ,Der Anbräuner' politischer, als es von Rauch vermutlich intendiert war

Wohin führen solche gezielten Verunglimpfungen, die ja weniger durch das Bild selbst als durch die Inszenierung drum herum auf die Spitze getrieben werden. Rauchs Gemälde kann man als satirische Äußerung verstehen; wofür Jan Böhmermann die Sprache nutzt, nimmt Rauch den Pinsel. Doch was dann folgt, sieht doch nach gezielter Hetze aus.

So weit würde ich erst einmal gar nicht gehen. Andererseits wird nun aber gerade auf etlichen rechten und rechtsextremen Foren und Blogs gerne so getan, als habe Rauch mit seinem Bild und dessen fäkaler Metaphorik gleichsam die Lizenz zu Verunglimpfungen und Hate-Speech gegeben. Viele, die sich wegen ihres politischen Standpunkts unter öffentlichem Druck fühlen, sehen in Rauch einen prominenten und starken Gefährten, gar einen Märtyrer. Durch diese Rezeption aber wird „Der Anbräuner“ politischer, als es von Rauch vermutlich intendiert war. Da frage ich mich, ob es ihm nicht unwohl sein müsste, einen Prozess ausgelöst zu haben, durch den sein Bild zur Identifikationsfläche gerade auch von Leuten wird, die sich sonst nicht viel um Kunst und Hochkultur kümmern.

Der Zuschlag kam bei 550 000 Euro: Neo Rauch hatte das Gemälde „Der Anbräuner“ für eine Benefizauktion zur Verfügung gestellt. FDP-Chef Christian Lindner hatte zusammen mit Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung und dem Schlagersänger Florian Silbereisen die Gebote hochgehottet.

Bei ebenjener starken halben Million stoppte das Bietergefecht. Dem Gewinner, Christoph Gröner, neuerdings Top-Sponsor des KSC, ist das nicht genug. Der Gründer, Namensgeber, Vorstandsvorsitzender der CG-Gruppe, einer der größten Immobilienfirmen des Landes, legt noch 200.000 Euro obendrauf, einfach so, berichtet die „Zeit“. Dort, in der Hamburger Wochenzeitung, beginnt die Vorgeschichte des Bildes. Wolfgang Ullrich hatte unter dem Titel „Auf dunkler Scholle“ im Werk von Neo Rauch „einige Motive rechten Denkens“ ausgemacht – ein Befund, der dem Leipziger Künstler offenbar nicht behagte. Er fasste seine Replik in ein Gemälde, das ebenfalls in der „Zeit“ veröffentlicht wurde. Dargestellt ist Ullrich als Maler, der mit seiner Kacke auf einer Leinwand dilettiert. Spektakulär, aber nicht ungewöhnlich. Konflikte zwischen Künstlern und ihren Kritikern hat es oft genug gegeben; nicht immer ging man zimperlich miteinander um. Unappetitlich wird die Angelegenheit durch die Absicht des neuen Besitzers, das Bild prominent in der Öffentlichkeit zu präsentieren. „Der Anbräuner“ soll im Foyer eines von Christoph Gröner geplanten „Vereins für den Menschenverstand“ aufgehängt werden: ein Hate Painting als Leitbild?

Mir ist bei Rauch schon früher in Interviews, aber immer wieder auch in seinen Werken ein martialisch-heroisches Männlichkeitsbild aufgefallen

Auslöser für Rauchs Reaktion war aber doch ein Essay, in dem Sie Rauch dem rechten Spektrum zuordneten.

Mir ist bei Rauch schon früher in Interviews, aber immer wieder auch in seinen Werken ein martialisch-heroisches Männlichkeitsbild aufgefallen, ein Ernst-Jünger-Grundton und eine Trennung in Freund und Feind, wie sie Carl Schmitt proklamiert hat. Er vertritt offenbar eine gut ausgereifte, auch gut fundierte Haltung, die ich in meinem Artikel auch überhaupt nicht verunglimpfe, die ich selbst aber klar ablehne. So geht es mir darum, darüber nachzudenken, was es für die Idee der Kunstautonomie bedeutet, wenn sie nun vermehrt von Künstlern stark gemacht wird, die, anders als in den letzten Jahrzehnten, nicht aus dem linken und emanzipatorischen Spektrum kommen. Ich hätte nicht gedacht, dass es für Rauch ein Schimpfwort sein könnte, wenn man ihm „Motive rechten Denkens“ unterstellt. Wohlgemerkt habe ich bei ihm weder von rechtsextrem noch von rechtsradikal gesprochen – und auf die Idee, ihn gar als Nazi zu sehen, wäre ich nie gekommen. Aber in ihm einen normalen Konservativen zu sehen, fällt mir auch schwer. Dazu ist zu viel Gewalt in seinen Bildern und in seiner Sprache. Es wäre sicher interessant, sein Werk in dieser Hinsicht näher zu untersuchen. Ich selbst bin dafür aber inzwischen zu befangen.

Wolfgang Ullrich gehört zu den aktuell bedeutendsten Analytikern und Kommentatoren des Kunstgeschehens. Er wird 1967 in München geboren und studiert dort Philosophie, Kunstgeschichte, Logik/Wissenschaftstheorie und Germanistik. 1994 wird er mit einer Arbeit über den späten Martin Heidegger promoviert. Nach einer Assistenz am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Münchener Kunstakademie und Gastprofessuren lehrt er ab 2006 als Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe. Hier erwirbt sich Ullrich hohes Ansehen; zeitweise wird er als aussichtsreicher Nachfolger des HfG-Rektors Peter Sloterdijk gehandelt. Ullrich entscheidet sich anders: 2015 lässt er sich von seinen akademischen Verpflichtungen entbinden, um fortan in Leipzig als Autor, Kulturwissenschaftler und Berater tätig zu sein.

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