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Generalintendanz

Staatstheater Karlsruhe steht vor neuer Leitung

Nach der Führungskrise gab es am Staatstheater Karlsruhe eine kurze Phase offener Machtverhältnisse. Nun soll für die nächsten drei Jahre eine neue Leitung benannt werden.

Das Leitungsteam des Badischen Staatstheaters bei der Spielplanpräsentation 2021/22 am 18.05.2021.
Eine Karlsruher Theaterleitung ohne Generalintendanz zeigt das Foto der jüngsten Spielplanpräsentation am Badischen Staatstheater. Foto: Arno Kohlem

Es war wohl ein historischer Moment, als die Spartenleitungen und die Geschäftsführung des Badischen Staatstheaters am Dienstag zu einem Gruppenbild zusammentraten.

Das Foto ist das erste und zumindest auf die nächsten drei Jahre einzige Foto einer Karlsruher Theaterleitung ohne obersten Chef oder oberste Chefin.

Generalintendant Peter Spuhler ist zwar offiziell noch im Amt, tritt aber seit dem Beschluss, dass sein Vertrag zum 31. August 2021 enden soll (statt erst 2026) nicht mehr in Erscheinung. Und seine Nachfolge war noch nicht geregelt, als nun der Spielplan zur Saison 2021/22 vorgestellt wurde.

Interims-Intendanz wird benannt

Die kurze Phase, in der die Sparten und Mitarbeiter des Hauses auf eigene Faust nach Wegen in die Zukunft gesucht haben, endet aber auch bald wieder.

An diesem Donnerstag, so wurde nun bekannt, soll es am Abend eine Sondersitzung des Verwaltungsrates geben, um über die Besetzung der geplanten Interimsintendanz zu beschließen. Zwar hatte es aus dem Theater Impulse gegeben, mit der Trennung von Spuhler auch die Führungsstruktur neu aufzustellen.

Doch der Verwaltungsrat beschloss im Februar, zunächst eine dreijährige Interimsintendanz einzusetzen. In deren von vornherein begrenzter Amtszeit sollen dann die Weichen für eine langfristige Zukunftsperspektive gestellt werden.

Programm für 2021/22: Verzicht auf Grußwort aus der Chefetage

Ein historisches Dokument dürfte nicht nur das erwähnte Gruppenfoto werden, sondern auch das Spielzeitbuch mit dem Programm für 2021/22. Dort spiegelt sich die zwischenzeitliche Aufhebung der traditionellen Hierarchie darin, dass es ohne die sonst üblichen Grußworte aus der Chefetage daherkommt.

Der geschäftsführende Direktor Johannes Graf-Hauber und die Betriebsdirektorin Uta-Christina Deppermann, die derzeit an Spuhlers Stelle die Amtsgeschäfte führen, treten erst mit einem Bild auf der Rückseite in Erscheinung.

Dezente Anspielungen auf Führungskrise im Staatstheater

Im Programmbuch beginnt direkt die Präsentation der sechs Sparten des Hauses. Diese stellen als Gleiche unter Gleichen ein Programm vor, das dem Theater attestiert, auch ohne Ansagen von oben inhaltlich funktionsfähig zu sein. Hinweise auf die zurückliegende Krise aufgrund der strengen Führungshierarchie lassen sich allenfalls in Anspielungen finden.

So gehören zu den groß gedruckten Stückzitaten etwa folgende Sätze aus dem Drama „Fräulein Julie“ von Strindberg: „Sprechen Sie nicht von Befehlen. Heute sind wir ja als frohe Menschen auf dem Fest und legen jeden Rang ab.“

Besondere Rolle des Karlsruher Theaters

Ein Agieren ohne Abstufung nach Rang zeigt sich in dem erwähnten gemeinsamen Foto, das zudem die Rolle des Karlsruher Hauses in einer mittlerweile bundesweit angelaufenen Debatte reflektiert.

Denn zum einen machte erst die Kritik der Theaterbelegschaft am Führungsstil von Spuhler ein Problem öffentlich, das auch hinter den Kulissen anderer Häuser schwelte, aber stets unter dem Deckel gehalten wurde.

Auch jüngst noch schrieb die „Zeit“ über die Demonstration, mit der rund 300 Karlsruher Theatermitarbeiter im Juli 2020 Stellung bezogen, dies sei „ein für die Branche mit ihren hierarchischen Abhängigkeiten unerhörter Vorgang“ gewesen.

Braucht man am Staatstheater überhaupt noch einen Generalintendanten?

Zum anderen blieb man am Staatstheater nicht beim Protest gegen die Person des Chefs stehen, sondern warf eine Grundsatzfrage auf: Ist das Modell der Generalintendanz, bei dem einer Person die alleinige Macht zugeteilt wird, angesichts zunehmend komplexer Führungsaufgaben noch zeitgemäß?

In mehreren internen Arbeitsgruppen investieren zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses seit Monaten viel Zeit in Überlegungen, ob und wie ein anderes Theatersystem möglich ist.

Unter anderem wurden interne Fortbildungsrunden über Videokonferenzen organisiert. Hier gab es auch Vorträge von Theatermanagement-Professoren wie Thomas Schmidt, der 2018 die viel beachtete Studie „Macht und Struktur im Theater“ vorgelegt hatte, oder Jürgen Weintz, Autor des Buches „Cultural Leadership – Führung im Theater“.

Die Impulse aus den Arbeitsgruppen und Gesprächsrunden sollen am Ende der Spielzeit gesammelt werden, hatte der geschäftsführende Direktor des Theaters, Johannes Graf-Hauber, jüngst in einem BNN-Interview erklärt.

Und dann wird die dreijährige Interimsintendanz, deren Besetzung nun geklärt werden soll, erweisen, ob durch sie das Momentum der Reformarbeit ausgebremst oder tatsächlich eine ergebnisoffene Suche nach zeitgemäßen Strukturen ermöglicht wird.

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