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Justiz

Generalbundesanwalt aus Karlsruhe: „Deutschland darf kein sicherer Hafen für Kriegsverbrecher werden“

Der Ukraine-Krieg beschäftigt auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Zwei Referate gibt es bereits, die gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher ermitteln. Zwei weitere Referate mit jeweils neun Stellen kommen nun hinzu.

Die Arbeit in der Justiz wird nicht weniger: Peter Frank, Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, will die rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene stärker in den Blick nehmen.
Die Arbeit in der Justiz wird nicht weniger: Peter Frank, Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, will die rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene stärker in den Blick nehmen. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Peter Frank warnt vor allzu großen Erwartungen. So schnell wird es nach den Worten des Generalbundesanwalts vor einem deutschen Gericht keinen Prozess gegen russische Soldaten wegen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit geben.

Zwar habe die Bundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof Anfang März ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren eingeleitet, da man den Anfangsverdacht zahlreicher Kriegsverbrechen wegen verbotener Methoden der Kriegsführung, aber auch wegen Verbrechen gegen Personen und Eigentum sehe, dennoch stehe man erst ganz am Anfang.

„Wir sind dabei, Beweise zu sammeln“, sagt er bei der traditionellen Jahrespressekonferenz seiner Behörde in der Karlsruher Brauerstraße. So gebe es bislang auch noch keine personenbezogenen Ermittlungen.

Beim Völkerstrafrecht benötigt man einen langen Atem.
Peter Frank, Generalbundesanwalt

„Ermittlungen im Bereich des Völkerstrafrechts sind ein langwieriger Prozess, da benötigt man einen langen Atem“, hebt der Jurist hervor, der seit Oktober 2015 an der Spitze der Bundesanwaltschaft steht, und verweist auf den Bürgerkrieg in Syrien.

Dieser habe 2011 begonnen. Aber erst acht Jahre später, 2019, sei es zu den ersten Anklageerhebungen gegen zwei frühere Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen des Vorwurfs der willkürlichen Inhaftierung und Folter von Zivilisten gekommen. 2021 wurden die Urteile gesprochen, von denen eines mittlerweile rechtskräftig ist.

Möglich wurde dies allerdings nur, weil syrische Flüchtlinge in Deutschland ihre einstigen Peiniger wiedererkannten und vor Gericht gegen sie aussagten.

Konsequentes Vorgehen gegen Kriegsverbrecher

Für Frank sind die Verfahren gegen die Angehörigen des syrischen Regimes sowie gegen Mitglieder der Terrormiliz IS ein großer Erfolg. „Durch unsere Arbeit konnten wir wesentliche Beiträge zur Fortentwicklung des materiellen Völkerstrafrechts und dessen Anwendung auf aktuelle Sachverhalte leisten.“

Die Botschaft sie klar und unmissverständlich: „Deutschland darf kein sicherer Hafen für Kriegsverbrecher werden.“ Daher gehe seine Behörde konsequent gegen Kriegsverbrecher mit deutschem Pass sowie gegen Täter vor, die nach Deutschland eingereist oder aus Deutschland ausgereist seien.

Ein Ermittler eines internationalen Forensik-Teams trägt eine Weste mit der Aufschrift «War Crimes Prosecutor» («Ankläger für Kriegsverbrechen») und beginnt damit, neben Leichen aus einem Massengrab hinter der Kirche St. Andreas Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln. +++ dpa-Bildfunk +++
Ermittlungen gegen Kriegsverbracher: In der Ukraine sammelt ein internationaes Forensiker-Team Beweise für Kriegsverbrechen. Auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ist aktiv. Foto: Carol Guzy/dpa/ZUMA Press Wire

Zwei Referate der Bundesanwaltschaft sind bereits im Bereich des Völkerstrafrechts tätig. Auf Initiative von FDP-Justizminister Marco Buschmann hat der Bundestag im Rahmen der Haushaltsberatungen die Einrichtung von zwei weiteren Referaten mit jeweils neun Stellen bewilligt.

Nun gelte es, dafür entsprechendes Personal zu finden. Im Moment sei man dabei, ukrainische Flüchtlinge zu befragen und deren Aussagen zu strukturieren. Dabei gehe es unter anderem auch darum, die militärischen Strukturen des Konflikts zu erfassen, beispielsweise die Befehlsketten, „um den einen oder anderen Täter identifizieren zu können“. Auch gegen ukrainische Kriegsverbrecher werde in diesem Zusammenhang ermittelt.

Enge internationale Zusammenarbeit

Dass auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, die Ukraine selbst sowie weitere Länder eigene Ermittlungsverfahren eingeleitet haben, ist für Frank kein Problem. „

Der Internationale Strafgerichtshof will sich nicht um jeden kleineren Fall kümmern, er will die höherrangigen Persönlichkeiten in den Blick nehmen.“ Zudem habe er „volles Verständnis“, wenn die Ukraine gegen die auf ihrem Territorium begangenen Kriegsverbrechen ermittle.

Die internationale Zusammenarbeit sei eng, so der Generalbundesanwalt, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass man Ermittlungsergebnisse, Erkenntnisse und Beweise austausche.

Rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene

Unverändert viel Arbeit bereitet der Bundesanwaltschaft der Bereich der rechtsextremistisch motivierten Gewalt. So wurden erst im April zeitgleich in elf Bundesländern Maßnahmen gegen rund 50 Beschuldigte durchgeführt, vier Personen wurden festgenommen.

„Ihnen legen wir zur Last, eine rechtsextreme kriminelle Vereinigung ,Knockout 51’ gegründet zu haben, die in Eisenach gewaltsam einen sogenannten ,Nazi-Kiez’ schaffen wollte.“ Außerdem ging die Behörde gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der mittlerweile verbotenen Vereinigung „Combat 18 Deutschland“ sowie der sogenannte „Atomwaffen Division Deutschland“ und der rechtsextremistischen Chatgruppe „SKD 1418“ vor.

Dabei habe man Anhaltspunkte für personelle Verbindungen in die rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene festgestellt. Diese wolle man noch stärker in den Blick nehmen, kündigt Frank an.

Eindringlich warnt der oberste Ankläger der Nation davor, die davon ausgehenden Gefahren zu unterschätzen. „An ihnen wird deutlich, mit welchem Nachdruck und vor allem mit welcher Gewaltbereitschaft einige Menschen die Grundordnung unseres Staates, seine freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und beseitigen wollen.“ Seine Behörde werde daher im Kampf gegen Rechts „die ganze Bandbreite unserer gesetzlichen Zuständigkeiten“ nutzen.

Gefahr durch islamistische Anschläge nicht gebannt

Zahlenmäßig spielt auch der islamistisch motivierte Terrorismus unverändert eine wichtige Rolle bei der Arbeit der Bundesanwaltschaft. 2021 wurden in diesem Bereich 258 Ermittlungsverfahren eingeleitet, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es 127 Verfahren. „In der Sache gibt es nur bedingt Anlass zum Aufatmen.“ Im Ausland erstarke der IS wieder. Und im Inland sei die Gefahr durch islamistische Anschläge „keineswegs gebannt“.

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