Dass der 26-jährige Thomas M. und seine fünf Jahre jüngere Freundin seit Sonntag in häuslicher Quarantäne in Stutensee sitzen, haben sie sich gewissermaßen selbst eingebrockt: M.´s Freundin kam am Samstag von einer Reise aus New York zurück. Am Sonntag erklärte das Robert-Koch-Institut die Stadt zum Corona-Risikogebiet.
Die 21-Jährige rief daraufhin bei der Corona-Hotline des Gesundheitsamtes Karlsruhe an, um zu erfragen, wie sie sich nun verhalten solle. Laut M. habe eine Mitarbeiterin der Behörde zunächst erklärt, für eine Quarantäne bestehe kein Anlass. Ihres Wissens nach sei New York kein Risikogebiet. „Wir haben sie dann darauf hingewiesen, dass das nicht mehr stimmt. Sie hat im Internet nachgeschaut und unsere Information dann bestätigt“, schildert M. den Verlauf des Gesprächs.
Ja, Quarantäne wäre wohl besser
Seine Freundin habe darauf erneut gefragt, ob sie und M. nun in häuslicher Quarantäne bleiben sollten. Die Antwort: Ja, das wäre dann wohl besser. Damit sei das Telefonat zu Ende gewesen. „Was mich besonders wundert: Es wurden nicht mal unsere Namen aufgenommen oder irgendwelche Kontaktdaten“, sagt M. Seitdem sitzen beide in der gemeinsamen Wohnung fest und schauen zu, wie draußen der Frühling Einzug hält.
Vom Gesundheitsamt gehört haben sie nach dem Telefonat nichts mehr. „Wir haben dann selbst im Internet beim Robert-Koch-Institut und anderswo recherchiert, um herauszufinden, was genau Quarantäne für uns jetzt eigentlich bedeutet“, erklärt M.
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Dabei hat das Gesundheitsamt eigentlich eine Art Leitfaden für die häusliche Isolation. Über die Pressestelle des Landratsamtes Karlsruhe lässt das Gesundheitsamt mitteilen, dass Personen in solchen Fällen konkrete Handlungsanweisungen erhielten.
Betroffen seien vor allem Menschen, die als Kontaktperson einer mit dem Coronavirus infizierten Person eingestuft worden seien. Bis Mitte der Woche habe das Gesundheitsamt mehr als 500 Menschen in eine 14-tägige, häusliche Isolation geschickt.
Kein fortlaufender Kontakt möglich
Schon möglich also, dass M. und seine Freundin da durchs Raster fielen. Beide hatten schließlich keinen nachweisbaren Kontakt zu einem Träger des Coronavirus. Und New York wurde letztlich erst einen Tag nach der Abreise von M.`s Freundin zum Risikogebiet erklärt.
Bislang jedenfalls arrangiert sich das Paar mit der Situation. Es sind genug Lebensmittel da, die Wohnung ist groß. Beide absolvieren ein duales Studium und können von daheim arbeiten. Dennoch bereitet M. das Verhalten der Karlsruher Behörden Bauchschmerzen.
Thomas M. sitzt seit dem Wochenende in häuslicher QuarantäneEs scheint also so, dass das Landratsamt Karlsruhe die Einhaltung der Quarantäne gar nicht kontrolliert
„Es scheint also so, dass das Landratsamt Karlsruhe die Einhaltung der Quarantäne gar nicht kontrolliert“, sagt er und fügt hinzu: „Im Hinblick auf die sich ausbreitende Pandemie schockiert mich dies natürlich, da es leider einige Menschen gibt, die solche Regelungen eher lasch sehen und sich nicht daran halten.“
Tatsächlich sind diese Sorgen nicht ganz unbegründet. Ein Sprecher des Landratsamtes erklärt zwar: „Unseren Erfahrungen nach halten sich die Leute verantwortungsvoll an die verhängten Sperren, bislang sind keine Verstöße bekannt geworden.“ Er sagt aber auch: „Bei der hohen Zahl an Fällen, insbesondere der Kontaktpersonen, kann das Gesundheitsamt aber natürlich nicht fortlaufend mit allen Menschen Kontakt halten oder diese gar `überwachen´."
Coronavirus und Quarantäne: Tiefer Eingriff in Grundrechte
Ist häusliche Quarantäne also eine Frage des Vertrauens? In gewisser Hinsicht scheint das durchaus so zu sein.
Die rechtlichen Grundlagen, auf der Behörden Personen in häusliche Isolation schicken, sind im Infektionsschutzgesetz geregelt. Speziell die Paragraphen 28 und 30 geben den Gesundheitsämtern die Möglichkeit, tief in die Grundrechte einzugreifen und Personen in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Nirgends geregelt ist in dem Gesetz allerdings, ob und wie die Einhaltung einer häuslichen Quarantäne kontrolliert werden soll. Viele Gesundheitsämter halten sich daher an Vorgaben des Robert-Koch-Institutes.
Das RKI empfiehlt den Behörden, Personen in häuslicher Quarantäne täglich anzurufen. Zum einen, um deren Gesundheitszustand zu prüfen. Zum anderen aber auch, um so die Einhaltung der Quarantäne-Auflagen überwachen zu können.
Mit Ordnungsamt oder Vernunft gegen das Coronavirus?
Nach diesem Schema handelt etwa das Gesundheitsamt des Enzkreises und der Stadt Pforzheim. Ein Sprecher der Behörde teilt mit, isolierte Personen würden einmal täglich zu jeweils unterschiedlichen Zeiten angerufen. „Durch diese Unregelmäßigkeit ist gleichzeitig eine gewisse Überwachung erfüllt“, erklärt der Sprecher. Verstöße seien bislang nicht bekannt geworden.
Anderswo setzen Städte auch das Ordnungsamt zur Quarantäne-Kontrolle an. In Bremen etwa prüfen Mitarbeiter der Behörde per Fensterblick, ob isolierte Personen daheim sind. Karlsruhe indes vertraut angesichts der hohen Fallzahlen offenbar auf die Vernunft der Menschen.
Bislang mit Erfolg – zumindest nach Einschätzung der Polizei. Auch dort ist noch kein Verstoß gegen Quarantäne-Auflagen bekannt geworden. Allerdings gibt es auch für die Beamte einige Unklarheiten.
Im Zweifel geht's ins Gefängnis
So teilte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Karlsruhe mit, es sei noch unklar, ob bei einer Personenkontrolle eine angeordnete Isolation überhaupt festgestellt werden könne. „Die Situation ist auch für uns noch neu und datenrechtlich unklar“, teilte ein Sprecher mit.
Klar ist indes: Würde ein Verstoß gegen Quarantäne-Vorschriften festgestellt, dürften die Gesundheitsämter die Polizei im Rahmen der Amtshilfe hinzuziehen. Und zudem rechtliche Konsequenzen ziehen: Das Infektionsschutzgesetz gibt den Behörden die Möglichkeit, Verstöße als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Die Folge wäre dann eine Geldstrafe.
Es geht aber auch ein paar Nummern härter: Schwere Zuwiderhandlungen können auch als Straftat verfolgt werden – dann wären Haftstrafen von bis zu 5 Jahren möglich.
Dass Thomas M. und seine Freundin irgendwelche Konsequenzen fürchten müssten, würde die Polizei sie auf der Straße antreffen, ist unwahrscheinlich. Schließlich werden sie offenbar beim Gesundheitsamt Karlsruhe nicht als Quarantäne-Fall geführt.
Dass sie dennoch derzeit ihre Wohnung in Stutensee nicht verlassen, ist daher wohl nicht das Resultat von Zwang, sondern vielmehr ein Ausweis von Vernunft.