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Finale in der Fußball-Bundesliga

Herzschlagfinale in der Bundesliga: Spannung von oben bis unten

Die Fußball-Bundesliga geht an diesem Samstag in ihre letzten neun Spiele - und in jedem von ihnen geht es noch um die Wurst. Wer wird Meister, wer spielt kommende Saison im internationalen Geschäft und wer steigt ab?

21.05.2023, Bayern, Augsburg: Fußball: Bundesliga, FC Augsburg - Borussia Dortmund, 33. Spieltag, WWK-Arena. Dortmunds Brandt (verdeckt) jubelt nach seinem Tor zum 0:3 mit der Mannschaft.

Die Erleichterung war riesig: Am vorletzten Spieltag gewann Dortmund in Augsburg mit 3:0. (zu dpa: «Dortmund auf dem Weg zur Meisterschaft») Foto: Tom Weller/dpa - WICHTIGER HINWEIS: Gemäß den Vorgaben der DFL Deutsche Fußball Liga bzw. des DFB Deutscher Fußball-Bund ist es untersagt, in dem Stadion und/oder vom Spiel angefertigte Fotoaufnahmen in Form von Sequenzbildern und/oder videoähnlichen Fotostrecken zu verwerten bzw. verwerten zu lassen. - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++
Die Erleichterung war riesig: Am vorletzten Spieltag gewann Dortmund in Augsburg mit 3:0. Foto: Tom Weller/dpa

Die Bühne ist bereitet, es ist die größtmögliche überhaupt, zumindest in deutschen Fußballlanden. Über 80.000 Fußball-Fans werden dem großen Bundesliga-Showdown im Dortmunder Signal-Iduna-Park beiwohnen.

Die Meisterschale, wohlgemerkt das Original, liegt griffbereit. Die Dortmunder müssen sie sich jetzt nur noch schnappen. Mit einem Sieg über den FSV Mainz 05 können sie den Gewinn der deutschen Meisterschaft 2022/23 an diesem Samstag unter Dach und Fach bringen.

Sollte gelingen, was ein Großteil der Fußballwelt seit einer Woche erwartet, wird sich das Stadion schneller als im Handumdrehen in ein schwarz-gelbes Tollhaus verwandeln. Die Südtribüne, wo 25.000 Borussen-Fans Schulter an Schulter zu einer einzigen Jubel-Wand zusammenstehen, wird im kollektiven Fußballrausch erst zu hüpfen beginnen, dann zu beben.

Schließlich, kurz vor dem Siedepunkt, wird es sich anfühlen, als würde Deutschlands größtem Bienenstock in all seinem Summen und Brummen einfach das Dach wegfliegen. Es wird ein einziger Rausch sein, wie ihn Dortmund noch nicht erlebt hat, zumindest nicht seit 2012, als sie letztmals deutscher Meister geworden sind.

Meisterschaft ist noch nicht entschieden

Was aber wird sein, wenn die Borussia nicht gewinnt und doch wieder, wie in den zurückliegenden zehn Spielzeiten, der FC Bayern, die Fußball-Allmacht aus dem Süden? Okay: Die Borussia hat 14 ihrer bislang 16 Heimspiele in dieser Saison für sich entschieden, zumindest die Statistik spricht also für Dortmund. Aber hat sie das vor der Spielzeit nicht mindestens in gleicher Deutlichkeit für ein weiteres Meisterstück der Bayern getan?

Zudem: Kann nicht am letzten Spieltag zu Hause gegen Mainz verlieren, wer dort am dritten schon gegen Werder Bremen verloren hat? Und überhaupt: Ist dieser FC Ruhmreich nicht schon einmal auf wundersame Weise auferstanden, damals, 2001, als Schalke, ausgerechnet Herne West, sich schon fünf Minuten für den neuen Meister hielt und am Ende doch nur „Meister der Schmerzen“ wurde?

Also, das sollte man bei aller Aufregung nicht vergessen: Diese Meisterschaft ist noch nicht entschieden. So wenig wie das Spiel der Dortmunder gegen Mainz. So wenig wie jenes der Bayern in Köln. So wenig wie irgendeine andere Partie an diesem letzten Spieltag. In allen neun Spielen geht es noch um irgendeine Wurst.

Herthas Abstieg ist keine Überraschung

Neun letzte Spiele also. Neun finale Entscheidungen. Spannung von oben bis unten also – und wieder zurück. In dieser Form hat das die Liga lange nicht erlebt. Vor allem der Kampf um die Meisterschaft war in den vergangenen zehn Jahren entschieden, bevor er überhaupt begonnen hatte.

Es gibt mittlerweile eine ganze Generation junger Nachwuchsfußballer, die bislang nur den FC Bayern als deutschen Meister kennen. Als wäre es ein Gesetz. Entsprechend groß ist die Verwunderung, dass es diesmal anders kommen könnte.

Der Rest des Klassements? Ist gar nicht so weit entfernt vom Rahmen der jeweils gegebenen Möglichkeiten und Erwartungen. Dass Hertha seit Jahren ebenso fußballerisches wie finanzielles Harakiri betreibt, ist nun wirklich nichts Neues. Der Abstieg entsprechend verdient und mit gleich mehrfacher Ansage. Dass auch Stuttgart, Bochum und Schalke gegen diesen würden kämpfen müssen, war nicht weniger vorhersehbar. Auch Leverkusen, Wolfsburg, Frankfurt, Mainz, Köln, Gladbach, Bremen, Augsburg und Hoffenheim stehen am Ende in etwa dort, wo man sie am Anfang hatte erwarten dürfen.

Dass das für den ein oder anderen ein zwei Plätze tiefer ist als erhofft, hat in erster Linie damit zu tun, dass vor allem zwei Klubs erneut überperformt haben. Dass sowohl der SC Freiburg als auch Union Berlin nicht nur erneut in die Europa-League-Plätze vorgeprescht sind, sondern nunmehr sogar um die Teilnahme an der Champions League spielen, ist schlichtweg formidable – und fußballerisch wohl die größte Leistung dieser zu Ende gehenden Saison.

Und es ist der abermalige Beweis, zu was Kontinuität, Planung und seriöses Arbeiten auch in einem Tollhaus wie der Fußball-Bundesliga führen können. Die Leistung von RB Leipzig als Rangdrittem hingegen darf schon wieder als Business as usual angesehen werden. Gut, aber eben auch im Rahmen des Möglichen.

Bayern fehlt bis heute ein adäquater Ersatz für Robert Lewandowski

Wollte man dies auf die Spitze treiben, wäre selbst die Meisterwerdung der Dortmunder in diese Kategorie einzuordnen. „Wir wollen da sein, wenn sich die Gelegenheit ergibt“, hatte Borussen-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor der Runde gesagt. Nichts anderes hat die Mannschaft getan. Das ist freilich schon eine ganze Menge, gerade angesichts der Tatsache, dass die Dortmunder vor der Saison Erling Haaland, ihren Wunderstürmer, an Manchester City verloren hatten.

Mit der Verpflichtung von Sébastien Haller von Ajax Amsterdam für rund 30 Millionen Euro machten sie aus der damaligen Not eine aktuelle Tugend – und das, ohne es zu wissen, gleich doppelt: Der ivorische Nationalspieler schoss zuletzt schließlich nicht nur verlässlich Tore, sondern hat mit der Geschichte seiner überstandenen Hodenkrebs-Erkrankung jenes emotionale Bindemittel geliefert, das die Borussen erst zu jener Mannschaft zusammengefügt hat, die an diesem Samstag tatsächlich Meister werden kann.

Haller ist also zweifelsfrei einer der Gründe. Edi Terzic, der Trainer, ein, beziehungsweise der andere. Der Borusse aus Leidenschaft hat es tatsächlich geschafft, Kontinuität und Stabilität in einen mit Diven nicht eben rar besetzten Kader zu bringen. Dass die Dortmunder an einem ihrer guten Tage so ziemlich jeden Gegner schlagen können, auch die Bayern, stand dabei schon länger außer Frage. Nur hatten sie zu wenig gute Tage. Gerade gegen vermeintlich schwächere Teams – siehe Bochum oder Stuttgart – wurden so lange Zeit immer wieder Punkte verschenkt.

Nach Plan verliefen beim Rekordmeister nur die ersten drei Spiele

Dass es nun doch noch zur Krönung reichen könnte, hat natürlich in erster Linie mit den Bayern zu tun und ihrem geradezu dramatischen Auseinanderbröckeln. Die Münchner haben, das gleich vorneweg, keinen Eigengewächs-Trainer wie Terzic. Und sie haben, fast noch schlimmer, keinen Stürmer wie Haller. Obwohl Robert Lewandowski, Bayerns Torgarant der letzten Dekade, zum FC Barcelona abwanderte, sahen es die Verantwortlichen nicht für zwingend notwendig, adäquaten Stürmerersatz zu verpflichten. Sportlich ist dies vielleicht der Kardinalsfehler, der dieser Bayern-Saison zugrunde liegt. Das sportlich größte Unglück wiederum ist die Verletzung von Torhüter Manuel Neuer.

Nach Plan verliefen beim Rekordmeister jedenfalls nur die ersten drei Spiele, gleich danach gab es eine Serie mit Unentschieden (gegen Gladbach, Union Berlin und Stuttgart) sowie einer Niederlage (Augsburg). Das reicht bei den Ruhmreichen, um die Krise auszurufen.

Lupe kann schnell zum Brennglas werden

Dazu muss man wissen, dass die Bayern mehr als jeder andere Fußballklub hier zu Lande im öffentlichen Fokus stehen. Alles wird mit der Lupe untersucht. Das eine kann dann schnell mal zum anderen kommen und die Lupe somit zum Brennglas werden, das Feuer entzündet, die ganz am Ende nur noch schwer zu löschen sind.

Dass im Misserfolgsfall an Taktik und Aufstellung, also am Trainer, rumgenörgelt wird, gehört zum Geschäft. Dass dieser Trainer, also Julian Nagelsmann, äußerst dünnhäutig reagiert, ist mindestens unprofessionell. Dass er mittlerweile mit einer „Bild“-Reporterin liiert ist, allemal unglücklich, zumal dann, wenn in der Bayern-Kabine gerade nach einem Maulwurf gefahndet wird.

Es sind einzelne Mosaiksteinchen wie diese, die sich zum totalen Systemabsturz zusammenaddiert haben. Als Nagelsmann nach einem Ski-Kurzurlaub schließlich durch Thomas Tuchel, den Wundertrainer, ersetzt wurde, war die Abwärtsspirale offenbar schon nicht mehr zu bremsen.

Längst hat die Suche nach den Schuldigen begonnen. Am Dienstag müssen auch der Bayern-Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic zum Rapport an der Säbener Straße antreten. Konsequenzen sollten zumindest nicht ausgeschlossen werden.

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