Neulich sagte mir eine Freundin einen Termin ab, den wir schon vor Wochen vereinbart hatten. Den ganzen Tag hatte ich mich darauf gefreut, sie abends in unserer Lieblingskneipe zu treffen, um über Gott und die Welt zu plaudern. Vor allem aber um über unsere Kinder zu klagen, deren Alter proportional zu unseren Weißweinkonsum zuzunehmen scheint. Gegen 17 Uhr erreichte mich ihre WhatsApp. „Leon ist krank. Ich kann nicht kommen.“ Das Ganze gefolgt von einem Haufen Verlegenheits-Emojis.
Kind krank - komme nicht
In der Regel habe ich großes Verständnis, wenn Freundinnen krankheitsbedingt absagen. Erfahrungsgemäß sagen die Frauen in meinem Freundeskreis auch selten ab, weil sie selbst krank wären. Meistens ist eines der Kinder indisponiert. Magen-Darm, Mittelohren, Scharlach – alles kein Problem und sehr, sehr nachvollziehbar. Wenigstens bei kleinen Kindern.
Leon ist kein Kind
Leon aber ist 19 und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, welche Art von Krankheit ein ansonsten kerngesunder, junger Mann haben kann, die es nötig macht, dass seine Mutter eine abendliche Verabredung absagt. „Der Arme“, heuchelte ich. „Was hat er denn?“ Keine Minute poppte die Antwort auf meinen Handy-Screen auf. „Liebeskummer!“ Gefolgt von gebrochenen Herzen.
Liebeskummer?
Ich möchte nicht herzlos erscheinen, aber ich verstehe nicht, wie Liebeskummer eines (erwachsenen) Kindes eine Mutter davon abhalten kann, aus dem Haus zu gehen. Im Ernst. Was kann sie da tun? Sitzt sie am Bett und schüttet den Bub mit Mutterliebe und Kamillentee zu? Schreibt sie der jungen Frau böse WhatsApps? Sticht sie ihr die Autoreifen auf oder schmiert sie „Bitch!“ aus Zahnpasta auf ihre Windschutzscheibe?
Was müssen Mütter noch leisten?
Seit jener Absage stelle ich mir viele Fragen. Seit wann sind wir Mütter eigentlich auch noch in solchen Situationen gefordert? Warum? Und vor allem wie lange denn noch? Wieso ist Kummer-Saufen mit den Kumpels nicht mehr Mittel der Wahl? Beim nächsten Weißwein-Date konfrontierte ich meine Freundin mit dem Thema. Leider redete ich mich in Rage und verstieg mich am Ende zu der Frage, wo wir denn da hin kämen, wenn erwachsene Männer ihren Liebeskummer bei ihren Müttern abladen. „Der Werther“, deklamierte ich, um ein berühmtes Herzschmerzopfer zu nennen, „hat der das vielleicht gemacht?“ Meine Freundin blickte mich verständnislos an. Okay, schlechtes Beispiel. Aber ist doch wahr!