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Kolumne: Was mit Worten

Höcke singt, Meuthen meckert – was ist eigentlich klug?

Der Politiker Björn Höcke (AfD) singt gern die erste Strophe des Deutschlandliedes. Sein Parteikovorsitzender Jörg Hubert Meuthen findet das nicht klug. Ob er es aber schlimm findet, bleibt offen: Er ist schließlich klug genug, Kritik anzudeuten, ohne eine klare Haltung einzunehmen.

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Höcke! Foto: None

Der Politiker Björn Höcke (AfD) singt gern die erste Strophe des Deutschlandliedes. Sein Partei-Ko-Vorsitzender Jörg Hubert Meuthen findet das nicht klug. Ob er es aber schlimm findet, bleibt offen: Er bezieht dazu keine klare Haltung. Was am Wörtchen "klug" liegt.

Jörg Hubert Meuthen ist gerade 58 Jahre jung geworden. In seinem Leben hat er Einiges geschafft. Zum Beispiel hat er promoviert, zwei Familien gegründet und sich in den Vorsitz einer populären Partei hochgearbeitet. Wer mal einen Kurztrip nach Straßburg (die Altstadt!) oder Brüssel (das Bier!) plant, findet in ihm sicher einen kompetenten Ratgeber in Sachen Restaurants und Bars – schließlich sitzt er sogar im EU-Parlament.

Meuthen ist bestimmt kein Otto

Meuthen ist also sicher kein Otto , aber wahrscheinlich einigermaßen klug. Klug genug zum Beispiel, um über die Bedeutung des Wortes „klug“ Bescheid zu wissen. Falls Sie nicht so klug sind wie Jörg Hubert Meuthen, sei Ihnen an dieser Stelle kurz auf die Sprünge geholfen: „Klug“ ist ein relativ altes Wort, das im Deutschen spätestens seit dem 12. Jahrhundert überliefert ist. Es beschreibt Eigenschaften wie etwa „begabt“, „umsichtig“ und „schlau.“

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ARCHIV - 05.08.2011, Schleswig-Holstein, Helgoland: Die Hochseeinsel Helgoland ist aus einem Flugzeug heraus zu sehen. Auf Helgoland wollen am Donnerstag und Freitag mehr als 100 Vertreter von Inseln und Halligen über die Entwicklung ihrer Gesellschaften und Nachhaltigkeit beraten. (Zu dpa «Erste Deutsche Inselkonferenz berät auf Helgoland») Foto: Marcus Brandt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ - Verwendung weltweit Foto: dpa/Marcus Brandt

Schlau, also klug, ist sicherlich auch Meuthens Parteigenosse Björn Höcke. Der ist Lehrer, sogar am Gymnasium, und weiß viel über und aus der Geschichte. Etwa den Wortlaut aller drei Strophen eines Gedichtes, das der Dichter Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 zu Papier brachte – er war da gerade auf Helgoland und hat sich wahrscheinlich ziemlich gelangweilt.

Höcke lässt sich das Singen nicht verbieten

Sein Gedicht überschrieb er mit den Worten „Das Lied der Deutschen“, die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte ist vielschichtig. An dieser Stelle genügt: Die dritte Strophe des Gedichtes ist heute Text der deutschen Nationalhymne. In den beiden weiteren schwingt eine Überhöhung der Nation mit, der Deutschland nach so Sachen wie Völkermord und Weltkriegsniederlagen abschwören wollte. Sie sind sozusagen nach 1945 etwas aus der Mode geraten.

Björn Höcke hat dennoch alle Strophen gern – die ersten beiden vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als die dritte. Vor einigen Wochen kam er in München mit Parteifreunden zum „Süddeutschen Treffen“ zusammen. Gemeinsam und bei guter Stimmung schmetterten die Versammelten unter anderem die erste Strophe des Liedes der Deutschen – was in seiner Partei nicht überall auf Wohlwollen stieß.

Wann ist es klug, über rote Ampeln zu gehen?

Jörg Hubert Meuthen etwa erklärte sogleich der Öffentlichkeit: Wer die strittigen Strophen der Nationalhymne singe, „möge sich fragen, ob das klug ist.“ Damit macht Meuthen seinerseits zwei kluge Sachen: Er stellt, so ein bisschen, die Klugheit von Höcke zur Debatte. Und er vermeidet vor allem eine klare Positionierung.

Seine Partei will er schließlich als bürgerlich-konservativ verstanden wissen, um manche Wähler nicht zu verprellen. Für die haut er diese Formulierung raus. Und für andere Wähler, denen das Etikett "bürgerlich-konservativ" zu progressiv ist, für die haut er die Formulierung auch raus. Sie beinhaltet letztlich keinen Standpunkt.

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26.05.2019, Berlin: Jörg Meuthen, Spitzenkandidat der AfD, reagiert mit Anhängern nach der Europawahl auf die erste Prognose. Foto: Christoph Soeder/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ - Verwendung weltweit Foto: dpa/Christoph Soeder

Ein Verhalten "nicht klug" zu finden, bedeutet nämlich nicht, es generell nicht in Ordnung zu finden. "Klug" liefert keine Information darüber, ob etwas grundsätzlich gut oder schlecht ist. Es sagt eher aus, ob eine bestimmte Sache gut oder schlecht gelöst wird.

Es finden sich in der Welt viele Leute, die es grundsätzlich völlig okay finden, über eine rote Ampel zu gehen – es aber nicht machen würden, wenn gerade eine Polizeistreife in Sichtweite hält. Weil: nicht klug.

Bedachte Wortwahl?

Gehen wir davon aus, dass wiederum Meuthen klug ist, weiß er um die Unschärfe seiner Aussage. Die daher so verstanden werden muss: Grundsätzlich ist das Singen der ersten Strophe okay. Nur ist es vielleicht nicht klug, wenn es das halbe Land mitbekommt – weil nach Außen sieht das ja blöd aus, wenn der Höcke und seine Freunde da vorbelastetes Liedgut bölken.

Das erscheint Ihnen nun aber doch etwas spitzfindig? Dann gehen Sie immerhin davon aus, dass Meuthen derlei Worte nicht zufällig wählt, wenn er sich öffentlich äußert. Der Mann ist immerhin Parteivorsitzender. Und so einer ist schließlich nicht auf den Kopf gefallen, oder?

Wer der Sprache aufs Maul schaut, stellt fest: Sie schlägt kuriose Volten, ist verblüffend und skurril, mal entlarvend und mal ziemlich witzig. Grund genug also, sie in „Was mit Worten“ in den Fokus zu rücken.

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