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Auf Stromsuche

Endstation Ladestation: Wie der Alltag mit einem E-Auto derzeit aussieht

Keine Sorge um Spritpreise machen und gleichzeitig Gutes für die Umwelt tun: Das waren die beiden Hauptgründe für ein E-Auto. Der neue Alltag fühlt sich nach Zukunft an – spontan ist er aber nicht. Oder anders gesagt: Willkommen an der Ladesäule.

E-Auto wird an der Supercharger-Ladesäule von Tesla in Karlsruhe geladen.
Nahe der B10 und den A5-Ausfahrten sind an der Wolfartsweierer Straße in Karlsruhe elf Supercharger-Ladesäulen von Tesla installiert – dann kann das Laden schnell gehen. Foto: Isabel Ruf-Morlock

Da steht es also, unser neues Elektroauto. Ein Tesla Model Y. Geleast, um die hoch gelobte Zukunft in Form von vollelektrischer Mobilität selbst zu erleben. Mittlerweile sind es knapp vier Monate mit dem E-Auto. Wie sie ist, die mobile Zukunft? Erstmal: Ziemlich still.

Kein Zündgeräusch, kein lauter Motor. Stattdessen allerlei technische Ausstattung, die ich am ehesten mit „unnötigem Schnickschnack“ beschreiben würde, doch damit heimse ich mir regelmäßig pikierte Blicke von Technik-Begeisterten ein.

Gewöhnungsbedürftig ist anfangs die automatische Bremswirkung, sobald der Fuß vom Gaspedal geht. Aber der Fuß bleibt zunächst sowieso lieber auf dem rechten Pedal. Woran man sich nämlich viel zu schnell und gerne gewöhnt, ist die Kraft unter der Motorhaube.

Unterwegs mit dem E-Auto: Schnell ans Ziel – oder Endstation Ladesäule

Die Beschleunigung ist beeindruckend und lässt mit über 500 PS die sportlichen Verbrenner an der Ampel neidvoll zurück. Das macht Spaß, keine Frage. Doch das führt nicht nur schnell zum Ziel, sondern eben auch genauso schnell zur Schattenseite der Elektroautos.

Denn ja, rasant ist man unterwegs, die Frage ist nur: Wie lange? Bleibt der Fuß auf dem Gas, wird das bestraft – jedes Mal beim Blick auf die Reichweitenanzeige. Mit seiner aktuell rund 75 Kilowattstunden großen Batterie kommt der Tesla laut Hersteller über 500 Kilometer weit. Je nach Fahrweise und Jahreszeit sind es erfahrungsgemäß eher zwischen 350 und maximal 450 Kilometer.

Ein schmerzhafter Lerneffekt auf der A5 von Karlsruhe in Richtung Baden-Baden, der mich ganz ohne Androhung von Radarkontrollen und unabhängig sämtlicher Diskussionen um ein Tempolimit den Tempomat auf maximal 130 Stundenkilometer einstellen lässt.

Die andere Seite der Zukunft: Ladefrust und Zeitverlust

Die Folge eines Bleifußes gerade bei Langstrecken: mehrfache Ladepausen und entsprechender Zeitverlust. Spontaner Urlaubstrip? Schwierig. Was zum E-Auto derzeit nämlich auch gehört: vorab Streckenlänge checken und Ladesäulen entlang der Route ausspähen.

Selbst dann bleiben Fragen: Reicht der Akku bis zu diesem Ladeplatz? Auch wenn ich schnell fahre? Wird es der Weg zur normalen Säule oder nehme ich einen Umweg für den „Supercharger“, einer Schnellladesäule?

Wie lange man laden muss, hängt schließlich auch davon ab, wie viel die Säule abgeben kann. Mit Ladestopps an Schnellladestationen mit 250 Kilowatt Leistung kann eine weite Strecke genauso schnell bewältigt werden wie mit einem Verbrenner. In einer Viertelstunde ist über die Hälfte des Akkus wieder voll, das fühlt sich dann tatsächlich nach Zukunft an.

Die Probleme mit den Ladesäulen

Die Erfahrung der letzten vier Monate hat aber auch gelehrt: Das mit den Ladesäulen ist so eine Sache. Hier sind vorab anvisierte Ladeplätze schon besetzt, dort startet der Ladevorgang aus unersichtlichen Gründen nicht, da ist der passende Stecker schon belegt oder die Ladeleistung zu gering für einen kurzen Zwischenstopp.

Die anfänglichen Hindernisse kennt wohl jeder E-Autofahrer. Da steht man in einer Karlsruher Tiefgarage und möchte den Ladevorgang am Smartphone starten. Doch Empfang in den Tiefen der Postgalerie? Fehlanzeige. E-Routiniers lassen sich davon nicht beirren, unerfahrene E-Autofahrer verzweifeln kurzzeitig.

Die geballte Ladesäulen-Erfahrung durfte ich jüngst bei der Fahrt zu einem Konzert ins rund 240 Kilometer entfernte Meersburg machen. Vor der Abfahrt werden routinemäßig Ladesäulen in Konzertnähe gesucht, sogar einen Schnellladepunkt gibt es. Doch die Freude währt kurz.

Die hohe Blockiergebühr ist richtig – aber erfordert Planung

Eine gute halbe Stunde braucht es, um das E-Auto wieder auf über 80 Prozent Akkustand zu bringen. Ein gutes Konzert geht deutlich länger. Bleiben drei Möglichkeiten: zwischenzeitlich das Konzertgelände verlassen, um den Wagen umzuparken, das Auto an der Säule hängen lassen und eine saftige Blockiergebühr bezahlen oder schon im Voraus einen anderen Ladeplatz ansteuern.

Die Blockiergebühr – sie beträgt meist zwischen fünf und 50 Cent pro Minute – erheben Anbieter von öffentlichen Ladestationen, wenn E-Fahrzeuge solche länger besetzen als es nötig wäre. Das ist absolut richtig, schließlich gibt es nichts Ärgerlicheres als unnötig blockierte Ladesäulen. Doch auch die Gebühr erfordert Planung. Wer das Auto während der Arbeitszeit an eine Schnellladesäule hängt, muss vorab rechnen. Stundenlange Meetings können teuer werden.

In Meersburg fällt die Wahl nach kurzer Rechnung auf Punkt drei. Der Weg führt mich zu einer Säule der EnBW. Eine App – und davon sind es mittlerweile mehrere auf dem Smartphone – verspricht den passenden Stromstecker für den Tesla. Verfügbarkeit, Ladetempo, Preis, all das zeigt die Anwendung. Zukunft eben.

Was sie nicht zeigt: Es gibt nicht für beide Plätze an der Säule jeweils einen Tesla-Stecker, sondern generell nur einen. Und weil der dort schon an einem anderen Tesla hängt, ziehe ich den Kürzeren und weiter zur nächsten Lademöglichkeit. Auch hier empfängt mich eine Säule mit zwei Ladeplätzen, einer davon unbesetzt.

Wichtig sind mehr öffentlich zugängliche und gut ausgestattete Ladesäulen

Doch der nächste Haken lässt nicht lange auf sich warten. Dieses Mal zeigt er sich in Form von lediglich einem Starkstrom-Anschluss – und der wird natürlich schon genutzt. Für das eigene E-Auto bleibt folglich der Strom über die normale Schuko-Steckdose. Ich nehme, was ich kriegen kann – auch wenn das natürlich dauert und der Ladebalken schon klar macht, dass er mich niemals bis nach Hause bringt.

Dadurch wird auf der nächtlichen Heimfahrt in Richtung Karlsruhe bei Stuttgart erneut eine Schnellladestation mein Zwischenstopp. Der positive Nebeneffekt: ein kurzes Schläfchen für die Fahrerin. So ist nach einer guten Viertelstunde nicht nur das Auto wieder voll Energie.

Entspannter geworden ist der Alltag mit dem emissionsfreien Fahrzeug mittlerweile dennoch. Im Kopf ist eine Liste mit möglichen Ladepunkten abgespeichert und mit etwas Routine nimmt auch die Zeit an der Ladesäule ab – wenn sie denn frei ist. Denn die Zahl der E-Autos nimmt weiter zu und der große Boom kommt erst noch. Dafür braucht es mehr öffentlich zugängliche Ladesäulen.

Waschmaschine, Trockner oder Tesla – die kleinen Fragen des Alltags

Falls es doch knapp wird, laden wir derzeit im heimischen Mehrfamilienhaus. Das hat Folgen für den Haushalt: Waschmaschine und Trockner dürfen aktuell nicht mehr parallel ihrer Arbeit nachgehen, denn eine der beiden Steckdosen in der Waschküche wird gebraucht. Ein meterlanges Kabel bringt dem Tesla in der Tiefgarage von hier aus seinen Saft – aber bislang eben auch nur Hausstrom und das kostet Zeit und bringt über Nacht schlappe 30 Prozent auf der Akku-Anzeige.

Richtig alltagstauglich wird das E-Auto dann, wenn es am nächsten Morgen fast komplett geladen ist. Diese Aussicht gibt es: In unserer Tiefgarage sollen auf einen Schlag ein Dutzend Lademöglichkeiten installiert werden. Dennoch: Das wird noch dauern. Bis dahin suchen wir vor Langstrecken weiter Lademöglichkeiten entlang der Route, ermahnen den Fuß auf dem Gaspedal zur Vernunft und legen Essens- und Schlafpausen an der Ladesäule ein. Die Zukunft, sie ist lautlos – und aktuell gezwungenermaßen oft gemütlich.

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