
Fein säuberlich übereinandergelegt liegen die Kleidungsstücke in dem hell lackierten Holzschrank. Dabei handelt es nicht um einen beliebigen Kleiderschrank: Es ist der inzwischen zweite öffentliche Kleiderschrank, der von der evangelischen „per.Du“-Gemeinde eingerichtet wurde. Dieser steht in Grötzingen am Haus der Gemeinde, „An der Pfinz 2“, nur wenige Schritte von zentralen Niddaplatz des Karlsruher Ortsteils entfernt.
Die Idee dazu hatten Gemeinschaftspastors Immanuel Grauer und Daniel Hauth, der in der Bereichsleitung für den sozial-evangelistischen Bereich tätig ist. Der erste Schrank, den die Gemeinde eingerichtet hatte, wurde zu Beginn dieses Jahres im benachbarten Durlach in Betrieb genommen. Und weil dort das Angebot gut angenommen wird, hat man die Idee auch in Grötzingen umgesetzt, wie Barbara Klein schildert. Gemeinsam mit Andrea Göttel und Damaris Walther betreut Klein ehrenamtlich den Schrank.
Wir waren im Vorfeld ein wenig kribbelig, ob die Idee auch im eher dörflichen Grötzingen ankommt.Andrea Göttel, ehrenamtliche Helferin
Die drei schauen zum Beispiel, ob sich Dinge in dem Schrank befinden, die nicht hineingehören. Denn es gibt bestimmte „Tauschregeln“ für die Benutzung des Schranks. Ganz wichtig: Der Schrank ist nicht für kaputte Kleider oder Abfallkleider vorgesehen, sondern orientiert sich von seiner Idee her an den Bücherschränken, die in den letzten Jahren verstärkt in vielen Ortschaften installiert wurden. „Die Leute sollen Kleider bringen und in diesem Zuge auch welche aus dem Schrank entnehmen“, verdeutlicht Göttel die Intention hinter dem Projekt.
In den Schrank dürfen saubere Oberkleidung für Erwachsene sowie Schuhe und Accessoires. Kinderkleider sind nicht vertreten, da diese meist über einen Tauschring weitergegeben werden. Tendenziell seien es auch mehr Frauen- als Männerklamotten, die sich im Schrank finden. Der Schrank an sich ist aus einem anderem Gemeindehaus. Er wurde für seine neue Bestimmung im Vorfeld lackiert und hat zum Schutz vor Feuchtigkeit ein kleines Dach erhalten.
Die Leute sollen Kleider bringen und in diesem Zuge auch welche aus dem Schrank entnehmenAndrea Göttel, ehrenamtliche Helferin
Als nach den Vorbereitungen, in denen auch ein kleiner Weg zum Schrank hin gepflastert wurde, vor zwei Wochen der Schrank an den Start ging, war man sehr gespannt auf die ersten Reaktionen der Menschen. „Wir waren im Vorfeld ein wenig kribbelig, ob die Idee auch im eher dörflichen Grötzingen ankommt“, schildert Göttel. Dass es sich gelohnt hat, wurde dann relativ schnell deutlich, die Leute haben das Angebot registriert. Mit der positiven Entwicklung zum Start habe man nicht gerechnet. „Es geht zu wie im Taubenschlag“, freut sich Andrea Göttel sichtlich. „Immer wieder finden sich neue Stücke, die zuvor noch nicht drin waren.“
Auch für die Karlsruher Innenstadt ist ein Schrank in Planung
In Durlach, so die Erfahrung, habe es dagegen Wochen und sogar Monate gebraucht, bis der Schrank angelaufen sei, so Immanuel Grauer. In Grötzingen ist der Vorteil, dass viele Menschen vom Einkaufen kommen und durch die Straße gehen. Aus christlicher Sicht ist das Projekt eine tolle Sache: „Man kann ganz praktisch mithelfen, die Schöpfung zu bewahren, indem man mit den Ressourcen nachhaltig umgeht“, sagt Barbara Klein.
Von dieser Intention zeugt auch die Wortwolke auf der Außenseite der Tür. Dort finden sich Begriffe wie „Schöpfung“, „Erde“, „Umweltfreundlich“ und „Second Hand“. Außerdem ist der Schrank auch als Anlaufstelle für den gemeinsamen Austausch gedacht. „Wir wollen auch mit den Leuten ins Gespräch kommen und christliche Werte weitergeben“, machen sowohl Klein als auch Göttel deutlich.
Um den Schrank noch besser ins Bewusstsein zu bringen, sollen in naher Zukunft noch Hinweisschilder installiert werden. Und die Idee macht weiter Schule. In der Karlsruher Innenstadt ist im Moment ebenfalls ein Schrank in Planung. Ein großer Wunsch des Pastors in dieser Hinsicht: Die Idee soll auch von anderen Vereinen aufgegriffen und umgesetzt werden. „Die Resonanzen auf die Schränke sind sehr positiv, allerdings will keiner selbst diese Idee umsetzen“, schildert Grauer seinen Eindruck. Und vielleicht, so sagt Andrea Göttel schmunzelnd, findet ja der ein oder andere noch etwas für seine Garderobe an Weihnachten.