Für Werbeprofis und Marketing-Strategen ist die Schwarzwaldbahn die eierlegende Wollmilchsau schlechthin. Das technische Wunderwerk, das der Karlsruher Bauingenieur Robert Gerwig vor genau 150 Jahren auf die Schiene brachte, ist genau das, wovon Touristiker träumen: Eine Sehenswürdigkeit, die Besucher nicht nur anzieht, sondern sie auch gleich zu anderen Highlights der Region kutschiert. Besser geht es nicht.
Bis heute zählt der Schwarzwald zu den beliebtesten deutschen Urlaubszielen. Bis zum Beginn der Pandemie hatte die Schwarzwald Tourismus GmbH jährlich neue Rekorde zu verkünden. Allein in 2019 konnten über 22 Millionen Übernachtungen im Schwarzwald verzeichnet werden. Langsam aber sicher nähert sich das Übernachtungsvolumen dem Vorkrisenniveau wieder an.
Ein Grund für diesen enormen Erfolg ist nach Ansicht von Barbara Bauer von der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe unter anderem die Schwarzwaldbahn. „Deren Inbetriebnahme war einer der beiden Hauptfaktoren, die den Schwarzwald ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem begehrten Reiseziel machten“, meint die Kuratorin einer kleinen, aber feinen Ausstellung, die vom heutigen Dienstag bis 16. September in der Karlsruher Bibliothek zu sehen ist.
Von der Romantik bis zu den Nazis: Der Bollenhut ist immer dabei
„Mit der Schwarzwaldbahn an den Bodensee – Tourismuswerbung im Wandel“ zeigt anhand von historischen Plakaten, alten Reiseführern und Postkarten, wie sich der Schwarzwald im Lauf der Zeit und im Wandel des Zeitgeistes präsentierte. Von der Landschaftsmalerei der Romantik über die künstlerischen Grafiken der 1920-er Jahre bis hin zu den Propagandabildern der „Kraft durch Freude“-Organisation.
Egal, aus welcher Zeit die Bilder stammen – die Motive ähneln sich. Tannen, Trachtenträgerinnen und die typischen Walmdächer dürfen nicht fehlen, wenn der Schwarzwald als Destination vermarktet werden soll. Damals wie heute steht die Region für beschauliche Landschaften, und Fachwerkhäuser, Bollenhüte und Kuckucksuhren meistern – wie auch immer – den Spagat zwischen Kitsch und Kult.
„Das Image des Schwarzwaldes und die Entstehung des Tourismus sind eng an Medien wie illustrierte Reiseführer, Werbeplakate und Ansichtskarten gekoppelt“, erklärt Barbara Bauer. Das Potenzial des Fremdenverkehrs als Wirtschaftsfaktor hatten die ehrenamtlichen Mitglieder des Schwarzwaldvereins schon früh erkannt. 1864 wurde der „Badische Verein von Industriellen und Gastwirthen zum Zweck den Schwarzwald und seine angrenzenden Gegenden besser bekannt zu machen“ gegründet. Ab 1887 heißt er zum Glück einfach nur „Schwarzwaldverein“.
Mindestens ebenso weitreichende Folgen hatte aber auch der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Bereits im März 1838 war der Bau einer Eisenbahnlinie von Mannheim bis an die Schweizer Grenze beschlossen worden. Dabei war das Projekt der Schwarzwaldbahn das wohl schwierigste Unterfangen. Gerwig nahm sich des geografisch anspruchsvollsten Abschnitts zwischen Hausach und Villingen an. Vor 150 Jahren, im November 1873, wurde die spektakuläre Doppel-Schienen-Schleife fertig gestellt.
Die Bedeutung dieser buchstäblichen Verkehrswende für den Fremdenverkehr wurde schon früh erkannt. Die Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen und ihre Nachfolgeinstitutionen veröffentlichten sogleich Werbematerialien, die sich explizit an touristische Fahrgäste richteten.
Internationaler Tourismus rollte mit der Schwarzwaldbahn an
Sofort fanden Bahn und Region Erwähnung in den ersten Reiseführern, die im 19. Jahrhundert entstanden. In den 1920er-Jahren brachte Baedeker die ersten Reiseführer zum Schwarzwald heraus und richtete sich mit den fremdsprachigen Ausgaben an ein internationales Publikum.
Bald bot auch der britische Reiseanbieter Thomas Cook Pauschalreisen in den Schwarzwald. Der fahrende Dampfzug im dunklen Tann spielte als Werbemotiv eine wichtige Rolle.
Baden-Baden wird zum Hotspot
Erwähnung fand in den Reiseführern auch immer wieder die Stadt Baden-Baden. Schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts zog es in den wärmeren Monaten immer mehr Mitglieder europäischer Fürstenhäuser in die Bäderstadt. In kürzester Zeit etablierte sich Baden-Baden zum mondänen Hotspot für internationales Publikum, das sich gerne im Casino amüsierte.
Erst der Deutsch-Französische Krieg in den Jahren 1870/71 verdarb dem Jet Set den Spaß. Baden-Baden änderte – neudeutsch ausgedrückt – sein Branding: Statt sich als Zentrum des europäischen Glücksspiels zu präsentieren, setzte die Stadt verstärkt auf die Vermarktung als Thermalbad. Bis heute.
Service
Die Ausstellung in der Badischen Landesbibliothek wird am Dienstag, 18. April, um 19 Uhr feierlich eröffnet. Sie ist noch bis zum 19. September zu den Öffnungszeiten des Haupthauses – Montag bis Freitag zwischen 9 und 19 Uhr und samstags zwischen 10 und 18 Uhr – zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Zur Schau gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm mit Kuratorenführungen, Exkursionen, Filmen und Workshops. Das volle Programm ist im Internet unter www.blb-karlsruhe.de/kalender zu finden.