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Blick in die Geschichte

50 Jahre Landkreis: Die Gräben zwischen Bruchsal und Karlsruhe sind längst überwunden

Vor einem halben Jahrhundert kamen sie zusammen: die Landkreise Karlsruhe und Bruchsal fusionierten zu einem. Doch gut kam das vor 50 Jahren nicht bei jedem an.

SW Bild - Männer in (Feuerwehr-)Uniformen
Vergebliches Hoffen: Der Auftritt von einigen Bruchsalern 1971 vor dem baden-württembergischen Landtag half auch nichts. Am Ende entschied sich der Landtag für die Auflösung ihres Landkreises. Foto: Kreisarchiv Karlsruhe

Wer gefragt wird, woher man denn komme, wird wohl kaum antworten: „aus dem Landkreis Karlsruhe“. Stattdessen dürfte Bruchsal, Bretten, Ettlingen, Pfinztal oder welche Heimatgemeinde auch immer genannt werden. Allenfalls noch Baden als „Halbbundesland“. Aber Landkreis Karlsruhe? Nein!

Der Landkreis ist für die meisten Bürger, wenn überhaupt, eine Verwaltungsgröße, verbunden mit einer Behördenstruktur, die man ab und zu braucht, von der man ab und zu Rechnungen erhält.

Frühjahresempfang des Landkreises

Vor gut 50 Jahren sah das ganz anders aus, nämlich damals, als die Landkreise Bruchsal und Karlsruhe zusammengeführt werden sollten. Das Ergebnis ist bekannt. Der Landkreis Bruchsal wurde abgewickelt, verwaltungstechnisch wie namentlich, und fand sich vom 1. Januar 1973 an unter dem „Dach“ des Landkreis Karlsruhe wieder.

Ein halbes Jahrhundert ist das nun her. Was wiederum bedeutet: Das Thema, nicht zuletzt aus der historischen Perspektive, schlägt in diesem Jahr – eben zum 50. – wieder auf. Am Freitag, beim Frühjahresempfang des Landkreises in Waldbronn (nur für geladene Gäste), wird es sicherlich in Reden und Grußworten um das Landkreis-Jubiläum gehen.

Gräben nicht nur in Graben-Neudorf

Mit Protesten aus Bruchsal, aus dem vormaligen Landkreis, dürfte nicht zu rechnen sein. Zu sehr sind im Laufe der Jahre die beiden vormaligen Landkreises fast still und leise zusammengewachsen.

Vor dem „Zwangszusammenschluss“, forciert von der damaligen großen Koalition in Stuttgart, brodelte es indes richtig heftig im Landkreis Bruchsal. Der ideologische respektive gefühlsmäßige Riss ging mitten durch die Region – was sich nicht zuletzt am Beispiel von Graben-Neudorf zeigte.

„Graben gehörte zum Landkreis Karlsruhe, Neudorf zum Landkreis Bruchsal“, berichtete Kreisarchivar Bernd Breitkopf. Nebenbei: Kam es unter der damaligen Konstellation zu Fußballspielen Graben gegen Neudorf offenbarten sich „Gräben“, die tiefer hätten nicht sein können.

SW-Autoaufkleber
Von wegen BR-Nummernschild: Mit diesem Autoaufkleber tat so mancher Einwohner des Landkreises Karlsruhe unmissverständlich seine Meinung kund. Foto: Kreisarchiv Karlsruhe

Eifrig am Ausheben von solchen nicht nur gedanklichen Gräben waren überdies viele Bewohner im Landkreis Bruchsal. „Für sie war Bruchsal das Zentrum. Im Grunde gab es in der Region Bruchsal alles, was ein Landkreis braucht“, erinnert sich Eberhard Roth.

Der ehemalige Bürgermeister von Sulzfeld ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Zeitzeuge – einer, der von Beginn an, also inzwischen 50 Jahre, dem Kreistag (des Landkreises Karlsruhe) angehört.

„Wie stark die Verbundenheit mit ihrem Landkreis war, zeigt eine Unterschriftenaktion für den Erhalt des Landkreises Bruchsal. 50.000 Menschen, von nahezu 150.000 Einwohnern, unterschrieben einen Aufruf zum Erhalt des Landkreises“, berichtet Breitkopf.

Müllers vergeblicher Kampf

Als treibende Kraft hierbei darf der damalige Bruchsaler Landrat Friedrich Müller (SPD) genannt werden. „Der spielte eine herausragende Rolle und kämpfte mit Nachdruck für den Erhalt seines Landkreises“, sagt Roth. Müller, eine Art Volkstribun, sei äußert beliebt, weil sehr volksnah, gewesen, ergänzt Breitkopf. Sein Gegenüber im zirka 210.000 Einwohner zählenden Landkreis Karlsruhe war Landrat Josef Groß (CDU).

Aber auch im Landkreis Karlsruhe mehrten sich die Sorgen, als eigenständiger Landkreis aufgelöst zu werden. Ein Zusammenschluss unterm Bruchsaler Banner – und womöglich noch mit Bruchsaler Autonummer – kam für viele „Karlsruher“ nicht in Frage. Auch hier gab es eine Unterschriftenaktion unter dem Arbeitstitel „Aktionsgemeinschaft zur Rettung des Landkreises Karlsruhe.“ Über 55.000 Unterschriften kamen zusammen, die für ein entsprechendes Volksbegehren votierten. Dazu kam es aber nie.

Nicht viel am Hut mit Bruchsal

Am Ende entschied sich die Große Koalition unter Führung von Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) für einen künftigen Landkreis Karlsruhe. Damit war der Landkreis Bruchsal Geschichte. Insgesamt, so die Zielsetzung der Gemeinde respektive Landkreisreform Anfang der 1970er Jahre, sollten schlagkräftigere Verwaltungseinheiten geschaffen werden.

Wirtschaftliche Aspekte dürften ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Die Stadt Karlsruhe, so Breitkopf, favorisierte einen starken Landkreis Karlsruhe. Mit Bruchsal hatte man in der Fächerstadt nicht unbedingt viel am Hut.

Als stiller Protest gegen den Zusammenschluss lässt sich die Kreistagswahl vom 8. April 1973 bezeichnen. Erstmals wählten die Bürger beider Landkreise einen gemeinsamen Kreistag. Die Wahlbeteiligung lag bei (damals) schlechten 58 Prozent. In Zeiten vor dem Zusammenschluss machten durchschnittlich 70 und mehr Prozent der Wähler von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Ich sehe uns als einen attraktiven und lebenswerten Landkreis mit weiterhin, insbesondere durch Zuwanderung wachsender Bevölkerung.
Christoph Schnaudigel, Landrat (CDU)

In den neuen Kreistag selbst kehrte schnell Ruhe ein, erinnert sich Eberhard Roth. Man ging zur Sachpolitik über. Heute präsentiert sich der Landkreis Karlsruhe als einer der stärksten in Baden-Württemberg. „Ich sehe uns als einen attraktiven und lebenswerten Landkreis mit weiterhin, insbesondere durch Zuwanderung wachsender Bevölkerung“, konstatiert Landrat Christoph Schnaudigel (CDU). „Und wir haben leistungsstarke Städte und Gemeinden.“

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