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Karlsruher Verein hilft Familien

Amélie Otterbach aus Karlsruhe macht sich für Kinder in Krisen stark

Der größte Kinderschutzbund im Land sitzt in Karlsruhe. Dessen Aktive machen es möglich, dass Kinder massiv zerstrittener Eltern auch während der Pandemie regelmäßig Zeit mit dem Vater oder der Mutter verbringen können, mit denen sie nicht mehr zusammenleben. Eine Ehrenamtliche erzählt, warum sie sich für diesen begleiteten Umgang engagiert.

18.11.2020 Amélie Otterbach, neu im Vorstand des Kinderschutzbundes Karlsruhe, im Rosengarten des Schlossgartens Durlach
Engagiert für Lichtblicke: Amélie Otterbach ist beim Kinderschutzbund Karlsruhe eingestiegen. Sie betreut Familien im „Begleiteten Umgang“ und ist inzwischen auch Mitglied im Vorstand. Foto: Jörg Donecker

Amélie Otterbach kann gut mit Stress umgehen. Überdurchschnittlich gut. Die ehemalige Physiotherapeutin, die mit ihrem Gardemaß von 1,80 Metern nirgends in der Menge untergeht, hat das gezielt gelernt. Allerdings erst nach einem herausfordernden Berufsalltag, den sie zudem als allein erziehende Mutter bewältigt hat.

Ein zupackendes Naturell ist Otterbach anzumerken. Im Oktober ist sie Vorstandsmitglied beim Kinderschutzbund Karlsruhe geworden. 160 Ehrenamtliche hat der Ortsverband für Stadt und Landkreis Karlsruhe, damit ist er der größte Kinderschutzbund im Land. Der Einstieg der 58-Jährigen kommt nicht aus heiterem Himmel. Zu großem professionellem Wissen kommt ein privates Motiv. „Mein Sohn hat mich gefragt, ob ich etwas gutmachen will“, erzählt Otterbach. Das kommentiert sie nachdenklich: „An der Welt vielleicht, ein bisschen.“

Berufsstart mit schweren Schicksalen

Heute beschreibt Amélie Otterbach ihr Leben in Durlach als glücklich und entspannt. Das war schon anders. Als sie nach ihrer Ausbildung von Freiburg in die Karlsruher Weststadt zieht, begleitet sie als junge Physiotherapeutin schwer vom Schicksal getroffene Menschen. Im Rehabilitationszentrum in Langensteinbach arbeitet sie etwa mit jungen Leuten, die nach einem schlimmen Unfall neurologisch stark beeinträchtigt bleiben.

Damit mutet sich die Berufsanfängerin zu viel zu: „Die Patienten, aber auch ihre Angehörigen waren aus ihrer bisherigen Welt herausgeschleudert. Das hat mir das Herz zerrissen.“

Guter Draht zu Kindern mit Handicap

Ganz anders geht es der Physiotherapeutin mit Kindern, die mehrfach behindert zur Welt gekommen sind. Diesen Kindern und deren Eltern hilft Otterbach fortan, ein knappes Vierteljahrhundert lang. Sie vermittelt ihnen, mit ihrem Handicap und den Einschränkungen zurechtzukommen. „Das ist mit diesen Kindern nicht schwierig“, sagt sie. „Von ihnen geht so viel Potenzial und Lebensfreude aus.“

Nochmal einen neuen Blick darauf, was Kindheit überschatten kann, bekommt Otterbach Anfang der 1990er Jahre. Inzwischen ist sie in die Durlacher Altstadt gezogen, der eigene Sohn geboren, doch die kleine Familie zerbricht. „Mein Sohn ist ohne Vater aufgewachsen“, sagt sie bedauernd. Heutzutage bietet der Kinderschutzbund Familien sogenannten „Begleiteten Umgang“ an, wenn es Mutter und Vater nach einer konfliktreichen Trennung oder Scheidung nicht mehr selbst schaffen, regelmäßige Treffen des Kindes mit dem nun abwesenden Elternteil zu realisieren. „Mitte der 1990er Jahre gab es so etwas nicht. Ich hätte mir damals in meiner Situation Ähnliches gewünscht“, sagt Otterbach.

Angebot steht trotz der Pandemie

Ein Team von 15 bis 20 Ehrenamtlichen, darunter auch Amélie Otterbach, stemmt das Angebot in Karlsruhe trotz Pandemie weiter. Ziel ist, auch bei heftigen Familienkonflikten möglichst gute Umstände für die Kinder zu schaffen. Grundlage ist jeweils eine gerichtliche Weisung. Seit vergangenem Jahr hat der Kinderschutzbund seine Räume dafür auf der Nordseite der Kriegsstraße. Das Haus Nummer 152 ist eine alte Villa. Für die begleiteten Begegnungen wird auch der Hof genutzt, sofern es das Wetter erlaubt. Sonst ist ein Gruppenraum im oberen Stockwerk dafür freigemacht.

„Das Gesundheitsamt hat extra bestätigt: Wir sollen unbedingt weitermachen, weil das so wichtig ist“, berichtet Otterbach. Voraussetzungen sind Mund-Nase-Bedeckung und das Einverständnis aller Beteiligten. Das Coronavirus macht eh manchen Termin zunichte: „Jetzt gibt es natürlich Absagen schon bei einer normalen Erkältung, Halsweh oder wegen einmal Husten. Das tut schon weh bei einer Anreise quer durch Deutschland für zwei Stunden mit dem Kind einmal im Monat.“ Nun allerdings ist wegen des harten Lockdowns erstmal generell Zwangspause bis mindestens 10. Januar 2021.

Kinderbuch über getrennte Eltern geplant

Otterbach steckt nicht nur voller Einfühlungsvermögen, sie hat auch neue Ideen. Ein gutes Kinderbuch über getrennte Eltern zum Beispiel fehlt, findet sie. Darauf hat sie mit Erfolg die Karlsruherin Claudia Gliemann angesprochen, die mit ihrem Verlag Monterosa in der Durlacher Altstadt schon mehrere Auszeichnungen für Bücher zu schwierigen Themen eingeheimst hat. Parallel zu internationalen Hilfsprojekten wirkt Otterbach auch an Karlsruher Kindertagesstätten und Grundschulen. Dort vermittelt sie Jungen und Mädchen schon in jungen Jahren Sinn für Achtsamkeit, Stille und Konzentration.

Das Engagement beim Fest für Kinderrechte und der Adventskalender der Lions machen das coronabedingte Aus fürs Entenrennen und den Pfennigbasar im Budget des Kinderschutzbundes Karlsruhe nicht wett. 800 Euro pro Person kostet die laufende Ausbildung der nächsten Ehrenamtlichen zu qualifizierten Umgangsbegleitern. Und ein defektes Garagendach muss rasch repariert werden, bevor der Kleiderladen unter Wasser steht. Auch dafür werden noch Spenden erbeten.

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