Sonntagmorgen, 8 Uhr: In der Kriegsstraße 88 öffnen sich die Türen für die Obdachlosen, die die kalte Nacht in einer Notunterkunft oder auf der Straße verbracht haben. Auf sie wartet ein heißes Getränk und ein nahrhaftes Frühstück.
Zweimal pro Monat bietet der gemeinnützige Verein Sozial-Treff 88 ein solches Sonntagsfrühstück in den Räumen des Tagestreffs „Tür“, einer Einrichtung der Diakonie, an. Zehn bis zwölf Ehrenamtliche sind an solchen Tagen im Einsatz.
Vor 28 Jahren ging es los
In der Küche steht Elena Herrmann, die, zusammen mit zwei Mitstreiterinnen, dieses besondere Angebot vor nunmehr 28 Jahren ins Leben rief. „Es gab damals nichts für Obdachlose“, meint die heute 76-Jährige.
„Wir haben regelmäßig Tee und belegte Brote angeboten und im Winter heiße Suppe“, erinnert sie sich. Die Suppe musste damals in den heimischen Küchen zubereitet und zu den Obdachlosen gebracht werden.
Heute, in den neuen Räumen, steht den Ehrenamtlichen eine geräumige Küche zur Verfügung. Herrmann bereitet dort Brotzeitteller mit Käse, Schinken und Butter vor. Am Herd steht Felix Brenner. Er ist für die Rühreier zuständig. „90 Eier kommen heute in die Pfanne“, sagt er. „Mir geht’s gut, da ist es für mich normal, etwas für andere zu tun“, begründet er sein Engagement.
„Die Obdachlosen, die zu uns kommen, sind unsere Gäste“, erklärt Elke Schüssler, die den Verein gemeinsam mit Melanie Hofsäß-Schrodt und Frank Urban leitet. „Daher bekommen sie das Frühstück auch von uns serviert“, fügt sie hinzu. Je nach Geschmack gibt es Kaffee, Tee oder Kakao, und natürlich darf auch das Glas Saft nicht fehlen.
Jeder hier hat eine besondere Geschichte zu erzählen.Nicolaj Gampp, Besucher
Einer, der das Frühstücksangebot regelmäßig annimmt, ist der 29-jährige Nikolaj Gampp. Er war selbst viele Jahre obdachlos und hat nun aber vom Verein Sozpädal eine Unterkunft zur Verfügung gestellt bekommen.
„Jeder hier hat eine besondere Geschichte zu erzählen“, sagt er. Er selbst ist gehbehindert, hat, als er zehn Jahre alt war, seinen großen Bruder bei einem Bundeswehreinsatz verloren und stürzte in ein tiefes Loch, als auch noch seine Mutter starb.
„Die Zeit auf der Straße war ein Kampf ums Überleben“, gesteht er. „Solche Einrichtungen sind für Obdachlose eine gute Sache“, ist Gampp überzeugt. „Man hat eine Anlaufstelle, man kann sich aufwärmen, man kennt sich“, zählt er auf. Er stellt aber auch fest, dass es nicht viele Leute gibt, die an die Obdachlosen denken.
Rund 70 Essen
Die Mitglieder von Sozial-Treff 88 denken an die Obdachlosen: Nach dem Frühstück geht es an die Vorbereitungen fürs Mittagessen.
„Heute gibt es Leberkäse, Kartoffelbrei und Zwiebelsoße“, erklärt Schüssler. Danach gibt’s ein Dessert. Jeden Montagabend bietet der Verein zudem ein Abendessen in der „Tür“ an.
„Ab 15 Uhr stehen wir in der Küche, ab 18 Uhr wird das Essen serviert“, sagt sie. Rund 70 Portionen gehen an einem solchen Abend über den Tresen. Natürlich dürfen auch Kaffee und Kuchen nicht fehlen. „Eine unserer Ehrenamtlichen backt dafür jeden Sonntag fünf Kuchen“, freut sich Schüssler.
Es wird sich Zeit genommen
„Es geht aber nicht nur darum, ein warmes Essen zu servieren, sondern auch darum, sich Zeit zu nehmen, und mit unseren Gästen ins Gespräch zu kommen“, meint die Vereinsvorsitzende und bedauert, dass dies während der Corona-Zeit viel zu kurz gekommen sei.
Sie betont, dass die Ehrenamtlichen nur helfen können, weil sie durch Spenden unterstützt werden. Als Beispiele nennt sie die Volksbank, die Sparkasse oder die Volkswohnung. Diese Spenden erlauben es auch, mal Rucksäcke, warme Skiunterwäsche oder Schlafsäcke für die Obdachlosen zu kaufen.
Service
Wer die Arbeit des Vereins unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende tun: DE43 6605 0101 0108 0332 42 bei der Sparkasse Karlsruhe.