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Im Schatten von Corona

Nach Rücktritt vom AWO-Vorsitz: Angela Geiger zieht sich komplett zurück

Angela Geiger hat nach Jahrzehnten im Amt still und leise Ende 2022 den Vorsitz der AWO Karlsruhe abgegeben, gesundheitsbedingt. Ein Berufsleben für die soziale Stadt Karlsruhe und die Menschen am Rand der Gesellschaft.

Angela Geiger
So kennt man sie aktiv: Die ehemalige SPD-Stadträtin gab gut zwei Jahrzehnte lang der Karlsruher Arbeiterwohlfahrt das Gesicht. (Archivfoto) Foto: Carmen Gilles

Zum 90. Geburtstag gratulieren, das tut die Stadträtin gern. Ein Hausbesuch wie viele, denkt sie. Stattdessen erschrickt sie bis ins Herz. Mitten am Tag trifft sie das Paar im Bett an, hier der Mann, da die Frau, nebeneinander liegend in verwahrloster Verfassung und „völlig alleingelassen“, erinnert sich Angela Geiger.

Fest prägt sich diese Szene der umtriebigen Sozialdemokratin ein, die viele Karlsruher auch als Aktive von Amnesty International oder wichtige Funktionärin der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Karlsruhe und Baden kennen. In der trostlosen Wohnung des vereinsamten Paares ist ihr Besuch damals ein Wendepunkt.

Geiger bringt den sozialen Dienst der Stadt ins Spiel und ihren Erfahrungsschatz. Der lässt sie vorsichtig sein mit Schuldzuweisungen. „Es ist nicht unbedingt die Umwelt“, sagt sie, „manche Menschen werden im Alter auch sehr misstrauisch. Da kann es dann mal schnell abwärts gehen.“

Für Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, oft auch dorthin gedrängt werden, macht sich die Frau mit einem angeborenen Hüftleiden stark, seit sie 1972 aus ihrer Heimatstadt Nürnberg nach Karlsruhe gekommen ist. Hilfsbereit und zupackend, dabei „erzkatholisch und unpolitisch“, so begegnet die junge Frau anfangs den Badenern.

Mit Amnesty International geht es los

Nie hätte Angela Geiger damals gedacht, einmal stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Gemeinderat zu sein – und das Gesicht, die Führungspersönlichkeit der Karlsruher Arbeiterwohlfahrt.

Im ersten Corona-Jahr 2020 legte sie schon ihr Vorstandsmandat bei der AWO nieder, nun hat sie sich gesundheitsbedingt ganz aus dem öffentlichen Wirken zurückgezogen.

Geigers helle, gletschergrünen Augen leuchten, wenn sie von der Zeit erzählt, in der ihr gesellschaftspolitisches Engagement erwacht. „Mit Amnesty International hat alles angefangen“, sagt sie.

Ich bin da den ganzen Tag glücklich herumgelaufen.
Angela Geiger, Amnesty-Gruppengründerin

Eine Gruppe gründen, Infostände bestücken, Protestbriefe organisieren, Unterschriften sammeln: „Ich bin da den ganzen Tag glücklich herumgelaufen.“ Obwohl ihr Passanten in der Kaiserstraße zuwerfen: „Geh doch rüber in die DDR.“

Zu „FJS“ in die Schwarzwaldhalle

Einmal beherbergen die Geigers eine nach sieben Gefängnisjahren aus Uruguay geflohene Krankenschwester. Sie zeigt ihre durch Folter verstümmelten Fingerkuppen. „Das hat mir die Augen geöffnet“, sagt Angela Geiger, „Menschenrechte werden oft aus wirtschaftlichen Gründen verletzt.“

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Bei einem Auftritt von Franz-Josef Strauß in Karlsruhe in der Schwarzwaldhalle, wohl im April 1976, hat Geiger keine Karte, will „FJS“ aber unbedingt sehen und hören. Also macht sie sich schick und hofft vor dem Eingang auf ihre Chance. Sie kommt: Ein „Ur-Bayer“ nimmt die Nürnbergerin mit in den Saal.

„Strauß hat dann seine Reden geschwungen darüber, wie gut es den Menschen in Südafrika gehe und wie sie an den Diamanten verdienen.“ Da springt Geiger auf. „Du Lügner“ ruft sie. Die Veranstaltung ist für sie vorbei, man komplimentiert sie hinaus.

SPD-Eintritt kommt spät

Der Weg in die SPD ist verblüffend lang. 1989 erst, in Beiertheim, tritt Geiger bei. Kurz darauf bringt eine Parteifreundin die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Geigers Leben: „Sie kümmerte sich mit mir bei der SPD um Frauenpolitik und fand, ich könnte mich auch in der AWO für das Thema einsetzen.“ Beides verschränkt sich fortan in 20 Jahren als Stadträtin ab 1994 und ebenfalls gut 20 Jahren in führenden Positionen bei der AWO, zuletzt als Aufsichtsratsvorsitzende.

Ein Kernanliegen: mehr Betreuungsplätze in Kitas, damit Familie und Beruf vereinbar sind. Geiger sieht das als „Kraftakt, der sich aber mehr als ausgezahlt hat“, ebenso wie die AWO-Ambulanz und die Wohnraumakquise der Stadt.

Aus der Stadträtin wird 2014 die neue Vorsitzende des Bürgervereins Beiertheim – auch das ist vorbei. Hohenwettersbach ist jetzt Geigers Zuhause. Meisen turnen an Futterkugeln rund ums Haus. Eine vielteilige Krippe steht am Panoramafenster vor dem Steilhang gegenüber. „Ich liebe diesen Blick“, sagt die 73-Jährige. Ihr Herz schlägt weiter für die Schwächeren in der Gesellschaft: „Ich sehe, dass die Leute sparen.“

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