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Ausstellung „Spaces of Life“

Architektur-Star Ole Scheeren im ZKM Karlsruhe: Bei der Vernissage mangelt es nicht an Superlativen

Großer Andrang, gewichtige Worte: Bei der Vernissage der neuen ZKM-Ausstellung zum Werk des aus Karlsruhe stammenden Architektur-Stars Ole Scheeren wurde die besondere Dimension dieser Präsentation deutlich.

Blick in die Ausstellung „Ole Scheeren: Spaces of Life“ im ZKM Karlsruhe, 9.12.2022
Visionäre Bauprojekte werden anschaulich bei der weltweit ersten Werkschau des aus Karlsruhe stammenden Architekten Ole Scheeren, die nun im ZKM eröffnet worden ist. Foto: Felix Grünschloß

Es ist keine Ausstellung wie viele andere. Und es war keine Vernissage wie viele andere, als am Freitagabend im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) die weltweit erste Werkschau des international bedeutenden und aus Karlsruhe stammenden Architekten Ole Scheeren eröffnet wurde.

Außerordentlich hoch war der Besucherandrang im ZKM-Foyer, und in den Reden zur Eröffnung herrschte kein Mangel an Superlativen.

Scheeren-Ausstellung im ZKM wurde über Jahre hinweg entwickelt

„Wir ehren einen Meister“, erklärte Peter Weibel, künstlerisch-wissenschaftlicher Vorstand des ZKM, der die Ausstellung gemeinsam mit Scheeren kuratiert hat.

Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup verwies auf die logistischen Herausforderungen für diese einzigartige Schau, die über mehrere Jahre hinweg entwickelt wurde: „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir eine Ausstellung derart umfassend vorbereitet haben“, sagte Mentrup, der auch Vorsitzender des ZKM-Stiftungsrates ist.

Wir ehren einen Meister.
Peter Weibel, Vorstand ZKM Karlsruhe

Staatssekretär Arne Braun vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst erklärte, Scheeren zeige, wie man städtebaulich „radikal umdenken muss“. Seine Projekte, so Braun, „eröffnen einen Vorstellungshorizont, um die Stadt von morgen überhaupt denken zu können“.

Stararchitekt Scheeren am ZKM: Ist Karlsruhe reif für „die Stadt von morgen“?

Letzteres ist derzeit ein spannender und offener Prozess. Braun lobte in seinem Grußwort zwar Karlsruhe als „spannende Stadt“ und erklärte, dass hier „nachhaltige Klimalabore bereits zum Alltag“ gehörten.

Doch in der aktuellen Debatte um die Gestaltung der Innenstadt und die Nachverdichtung durch Wohnungsbau gibt es hierzu auch andere Perspektiven.

Und unter den insgesamt 88 Scheeren-Projekten, die auf einem 42 Meter langen „Timeline“-Tisch präsentiert werden, findet sich auch ein Modell mit bemerkenswertem Karlsruher Bezug. Nämlich ein Entwurf für das neu zu bauende Landratsamt in Karlsruhe, der aber wohl - wie etliche der ambitionierten Projekte - nur Entwurf bleiben wird.

Fiktion bedeutet, etwas zu erahnen, das noch nicht da ist.
Peter Weibel, Vorstand ZKM Karlsruhe

Bislang seien die Kontinente für neues Bauen anderswo angesiedelt, erklärte Peter Weibel, nämlich in Asien und im arabischen Raum. Hierzulande sei die Realität vom Algorithmus der Bauordnung geprägt. „Und wenn ein Gebäude fertig ist, gibt es eine neue Bauordnung und man kann wieder von vorne anfangen.“

Scheeren hingegen orientiere sich bei seinen Projekten an „intensiver Feldforschung“ und entwickle die Form seiner Bauten nicht strikt nach Funktion, sondern nach Fiktion. „Fiktion“, so Weibel, „bedeutet, etwas zu erahnen, das noch nicht da ist.“

Scheeren, dessen bislang größte Projekte in Asien realisiert wurden, formuliert dies so: „Wenn die Form der Funktion folgt, beschränkt sich Architektur auf eine nutzungsorientierte Problemlösung. Folgt die Form Finanzen, schließen Vorurteile des Marktes alles andere als den Status Quo aus. Folgt die Form jedoch der Fiktion, kann die Architektur zur Summe der Erfahrungen, Emotionen und Erinnerungen werden, die sie erschafft.“

Solche Narrative könnten „spekulative Prototypen für die Organisation der Räume bieten, in denen wir leben und arbeiten.“ Und diese Räume, so Scheeren, „tun etwas mit uns.“ Das hätten die Erfahrungen der Pandemie allgemein vor Augen geführt.

Architektur als „Bühne“ für Menschen und ihre Umgebung

Weibel betonte hierzu die Aussage des Ausstellungstitels „Spaces of Live“: Die Präsentation heiße bewusst nicht „Spaces of Living“, also Räume zum Wohnen, so der ZKM-Vorstand. Es gehe um „Lebensräume“.

Scheeren illustrierte dies an Beispielen von dem 314 Meter hohen Wohnungsgebäude MahaNakhon in Bangkok, an dessen aufgebrochener Fassade sich das städtische Leben hochzuschlängeln scheint, bis zur mobilen Gastronomietheke, die als Bühne für das Essen fungiert - aber auch als Bühne für die oft übersehenen Menschen, die dort beschäftigt sind. Mit dem Ergebnis, dass „alle plötzlich Riesenspaß hatten“.

Auch OB Mentrup verwies auf Scheerens Ansatz, Architektur als „Bühne des Lebens“ zu begreifen. Zudem, so Mentrup, sei nun das ZKM die Bühne für eine Ausstellung, die in dieser Form nur in diesen Räumen möglich sei. Von vier der größten Projekte Scheerens wurden eigens für die Ausstellung bis zu acht Meter hohe Modelle hergestellt. Mit der Modellbaufirma Steigerwald aus Karlsbad wurde hierfür ein regionaler Partner gefunden.

Die Ausstellung bringe für ihn nicht nur die Verbindung mit Karlsruhe zurück, sondern habe ihn auch mit seiner ganzen Vergangenheit konfrontiert, sagte Scheeren bei der Vernissage: „Man muss sich alles anschauen, was man bisher gemacht hat, und das tut man normalerweise nicht.“

Star-Architekt erinnert sich an Filmnächte in der Karlsruher Schauburg

Die Ausstellung enthält nun auch sein allererstes Projekt, den Umbau von „Jürgens Modegeschäft“ in der Waldstraße, das er bereits in frühen Studienjahren an der Universität Karlsruhe (heute KIT) umsetzte.

Scheeren erinnerte als bekennender Film-Liebhaber auch daran, sich in der Schauburg „die Nächte um die Ohren gehauen“ zu haben: „Die haben ja quasi das Binge-Watching erfunden.“ Und OB Mentrup erwog zumindest die Frage, ob es in Karlsruhe eine „besondere Atmosphäre“ gäbe, die „Triebfeder“ für eine so außerordentliche Karriere sein könnte.

ZKM-Geschäftsführerin Helga Huskamp betonte in ihrem Grußwort, dass die gesamte Ausstellung nur dank weitreichender Kooperationen möglich geworden sei. Die Schau ist ein gemeinsames Projekt des ZKM mit OS Archives und der Karlsruher Tourismus- und Marketing GmbH. Mit dem Ergebins setze man „neue Maßstäbe für Architektur-Ausstellungen“, so Peter Weibel. Auch Ole Scheeren erklärte die Ausstellung ausdrücklich als „das Produkt von Zusammenarbeit“ und forderte auf, „den Glauben nicht aufzugeben an eine globale Welt, in der wir gemeinsam viel bewegen können.“

Service

Ausstellung „Ole Scheeren: Spaces of Life“ im ZKM Karlsruhe, Lorenzstraße 19. Bis 4. Juni 2023, geöffnet Mittwoch bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr. www.zkm.de.

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