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Bürger fürchten starke Schäden

Ärger um Karlsruher Schloss Augustenburg: Rutschgefahr legt Neubauplan auf Eis

Die Ruine Schloss Augustenburg in Karlsruhe-Grötzingen droht zu verfallen. Nach dem Teilabriss vor zwei Jahren tut sich nichts mehr auf der Baustelle für die neue Seniorenresidenz. Grötzinger Bürger fürchten starke Schäden durch die Winterwitterung.

Ruiniert: Der Anblick des Schlosses Augustenburg in Grötzingen ist auf der Rückseite bald zwei Jahre ruiniert. Die Seitenflügel wurden abgebrochen. Die Matschzone reicht bis zur Mauer (links), die den Hang des Augustenbergs stützt.
Ruiniert: Der Anblick des Schlosses Augustenburg in Grötzingen ist auf der Rückseite bald zwei Jahre ruiniert. Die Seitenflügel wurden abgebrochen. Die Matschzone reicht bis zur Mauer (links), die den Hang des Augustenbergs stützt. Foto: Jörg Donecker

Für Jutta Leyendecker befindet sich Schloss Augustenburg in einem beklagenswerten Zustand. „Diesen Verfall jeden Tag vor Augen zu haben, ist für uns ganz schrecklich“, sagt die Grötzingerin.

Nach dem Teilabriss vor fast zwei Jahren ist bis heute kein Baubeginn für das neue Seniorenzentrum erfolgt. Und so kann es lange bleiben. Immer noch fehlen Voraussetzungen. Der Investor kann nicht loslegen, so lange nicht alle Untersuchungen am Baugrund vorgenommen, ausgewertet und beurteilt sind.

Diesen Verfall vor Augen zu haben, ist für uns ganz schrecklich.
Jutta Leyendecker, Anwohnerin

Es hängt von der Stabilität der historischen Stützmauer am Hang des Augustenbergs ab. So lange die nicht geklärt ist, verrutscht der Zeitplan für den Bau des neuen Seniorenzentrums Augustenburg weiter. Eigentlich sollte die Nobeladresse für betreuten Ruhestand 2022 eröffnet werden. Für Grötzingen ist es ein Großprojekt, das 100 Pflegeplätze, 30 Service-Appartements und 15 Seniorenwohnungen bringt.

Ämter und Gutachter brüten über den Erdboden

Längst sind die anderen Steine aus dem Weg geräumt: Das Projekt ist seit dem Sommer 2020 eigentlich genehmigt. Wünsche des Denkmalschutzes und Einwendungen von Bürgern sind eingeflossen.

Die Stadt hat keine Vorbehalte. Der Landtag hat die Petition eines Nachbarn gegen die Massivität des geplanten Schlossanbaus abgeschmettert. Aber für die Begutachtung des Baugrunds am Steilhang des Augustenbergs, dessen Stützmauer seit dem Abriss der Schlossflügel im April 2019 frei steht, hat auch das Jahr 2020 nicht gereicht.

Ursula Orth, die Chefin des Amts Karlsruhe von Vermögen und Bau Baden-Württemberg, nennt eine Liste von Aufgaben, die noch abgearbeitet werden müssen. Das kann weitere viele Monate dauern. Der Zeitpunkt ist unbestimmt, wann dem badischen Fürstensitz zu Grötzingen wieder Flügel wachsen. Das Schloss war der erste Sitz der Markgrafen und ist mit fast 500 Jahren Geschichte das älteste Schloss von Karlsruhe.

Der Investor lässt nichts hören

Der Investor schweigt. Auf mehrere BNN-Anfragen hat die deutsche Zentrale des französischen Konzerns Orpea in Frankfurt nicht reagiert. Auch Grötzingens Ortsvorsteherin Karen Eßrich weiß nichts Neues.

Sie ist über die aktuellen Absichten der Seniorenheim-Kette, zu welcher die Karlsruher Haus Edelberg Dienstleistungsgesellschaft für Senioren gehört, nicht informiert. Haus Edelberg betreibt 27 Seniorenzentren in Grünwinkel, in Pfinztal und Südwestdeutschland, bis 2018 auch schon im Grötzinger Schloss.

Verfällt die Substanz?

Derweil sorgt sich Jutta Leyendecker um die historische Schloss-Substanz. Sie wohnt mit ihrem Mann, dem Landschaftsmaler Horst Leyendecker, im mit Atelier ausgebauten Torwächterhaus der Augustenburg. Dort war einst Otto Fikentscher, der Gründer der national bedeutenden Grötzinger Künstlerkolonie, eingezogen.

Jetzt fürchten sie, dass das von Fikentscher 1890 gekaufte Schloss verfällt, wo die berühmte Maler-Kommune lebte und wirkte. Immerhin steht noch dessen Hauptbau mit der historischen Fassade, das Gebäude von großer Bedeutung für das Malerdorf Grötzingen und die Geschichte der Fächerstadt.

„Vor allem auf der Südseite regnet es rein, und abgesichert ist die Ruine auch nicht. Auf der Rückseite ist eine Tür eingeschlagen“, berichtet die Anwohnerin. Graffiti schmücken bereits Wände, wo einst namhafte Künstler wie Jenny Fikentscher oder Friedrich Kallmorgen malten. Nachts spukt Taschenlampenlicht im Gemäuer.

„Von unserer Seite aus sind ein Großteil der aufwendigen Untersuchungen auch hinsichtlich Kampfmitteln, Bodenbeschaffenheit und bauzeitlicher Abfolge per Radar abgeschlossen“, erklärt Orth. Das Land sei bei den Erkundungen zur Mauer am Hang hinter dem Schloss, über dem das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg mit seinem Gartenhaus thront, relativ weit fortgeschritten. „Es besteht aktuell keine Gefahr“, versichert sie. Die Mauer wurde 1977 saniert und laut Amt von Vermögen und Bau für die Standsicherheit konstruktiv verstärkt.

Jetzt aber seien noch Belange detailliert mit der Denkmalbehörde abzuklären. Und vor allem stünden noch „gemeinsame großflächige Untersuchungen mit dem Investor“ aus, sagt Orth. Die Prüfungen seien überhaupt nur mit dessen Zugangserlaubnis auf dem Baugrund zwischen dem Schlosstorso und der Hangmauer möglich. Die Frage eines Sanierungsbedarfs bei der Mauer sei also noch nicht abschließend beantwortet. Sie erwartet, dass dies im Verlauf von 2021 geschehen könne. „Das hängt jetzt vom Investor ab“, unterstreicht sie.

Schlossgeschichte

Drei Jahre schon sind die Reste von Augustenburg nun ohne Leben. Vor 131 Jahren erweckten die Künstler das Grötzinger Schloss aus dem Dornröschenschlaf. Der vermögende Fikentscher machte das Schloss bis 1900 für zehn Jahre zum Domizil der Bohème. Später hatte es wieder wechselnde Besitzer.

Die baufälligen Seitenflügel wurden bei der Sanierung vor 50 Jahren abgerissen und neu errichtet. Der Konzern Orpea hat Schloss Augustenburg 2017 gekauft und das dort seit den 1970er Jahren bestehende Seniorenheim mit 115 Pflegeplätzen im März 2018 geschlossen. Auch wegen mangelhaften Brandschutzes und fehlender Barrierefreiheit hatte es keine Zukunft.

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