Das eigene Auto verliert bei jungen Menschen an Stellenwert: Diesen Trend bestätigen Studien, Statistiken und der Aufstieg von Carsharing-Diensten seit Jahren. Karlsruhe wird mit dem erfolgreichen Anbieter Stadtmobil gerne als deutscher Vorreiter beim Nutzen gemeinschaftlicher Autos bezeichnet. Und geht sogar noch einen Schritt weiter: In einem Karlsruher Testfeld wird das autonome Fahren erforscht – und kommt ab Ende Februar mit selbstfahrenden Shuttles sogar schon zum Einsatz.
Fahren in Zukunft also weniger Menschen Auto? Müssen Menschen vielleicht bald gar nicht mehr selbst steuern? Wird der Führerschein gar überflüssig? Wohl kaum. Aber die Fahrausbildung wird sich grundlegend verändern. Das beginnt bereits in wenigen Wochen.
Ab dem 1. April nämlich können Fahranfänger ihre praktische Fahrprüfung in einem Automatik-Auto absolvieren – und dann später trotzdem auch Schaltautos fahren, sofern sie noch zehn Übungsstunden darin absolviert haben.
Bislang durfte, wer auf Automatik gelernt hatte und geprüft wurde, ausschließlich solche Autos fahren – das wurde im Führerschein eingetragen. Diese Beschränkung fällt nun weg. Eine offizielle Fahrprüfung mit Schaltgetriebe ist dann nicht mehr nötig, es genügt nach den zehn Übungsstunden eine 15-minütige Testfahrt in der Fahrschule.
„Mit dieser Regelung machen wir den Verkehr sicherer und nachhaltiger, indem die Attraktivität von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben und hochautomatisierten Fahrfunktionen für Fahrschülerinnen und Fahrschüler gesteigert und somit auch der Einsatz solcher Fahrzeuge in den Fahrschulen gefördert wird“, schreibt das Bundesministerium für Verkehr.
Dem Automatik-Auto gehört die Zukunft
Vor allem reagiert die Politik damit nach Ansicht von Thomas Hätty vom ADAC Nordbaden auf eine gesteigerte Nachfrage. „Die Herausforderungen beim Autofahren werden immer zahlreicher und der Komfort immer wichtiger, sodass es in zehn Jahren fast nur noch Automatik-Fahrzeuge geben wird“, glaubt er. Auch die Elektromobilität spiele hier eine Rolle, denn Stromer kommen grundsätzlich ohne Schaltung aus.
Fahrschulen sehen ihre Aufgabe nicht mehr nur in der Ausbildung für die Führerscheinprüfung.Jochen Klima, Vorsitzender Fahrlehrerverband Baden-Württemberg
Schon jetzt bevorzugen manche Fahrschüler eine Ausbildung in einem Automatik-Auto, weil das Fahren damit einfacher ist und sie sich in der Prüfung besser auf den Verkehr konzentrieren können. „Für Prüflinge ist das ein Vorteil, weil sie weniger Fehler machen können“, sagt Hätty. Fahrschulen seien bereits dabei, ihre Fahrzeugflotten entsprechend umzurüsten oder zu ergänzen.
Dabei überdenken sie aber auch ihr komplettes Geschäftsmodell. „Fahrschulen sehen ihre Aufgabe nicht mehr nur in der Ausbildung für die Führerscheinprüfung“, sagt Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg. Stattdessen entwickelten sie sich zu einem Ort des lebenslangen Lernens und der Mobilitäts-Beratung.
„Wer im städtischen Bereich wohnt und öffentliche Verkehrsmittel in greifbarer Nähe hat, braucht heute kein Auto mehr, zumindest nicht mehr mit 18“, sagt Klima. „Die Leute kommen schon irgendwann in die Fahrschulen, aber oft später – wenn sie studieren gehen oder den Führerschein beruflich brauchen. Im städtischen Bereich hat sich die Ausbildung nach hinten verlagert.“
Weniger Menschen machen den Führerschein
Die Zahl der Fahrerlaubnisse, die in Karlsruhe jährlich erteilt werden, sinkt seit Jahren. So wurden im Jahr 2010 über alle Klassen hinweg noch 2.002 Fahrerlaubnisse ausgestellt, im Jahr 2015 noch 1.774 und 2020 nur noch 1.460.
Dazu kommen noch die Werte der 17-Jährigen, die einen Führerschein für das „begleitete Fahren“ machen. Auch diese Zahlen sinken: 2010 waren es noch 731, zehn Jahre später nur noch 502.
Das liege auch daran, dass junge Menschen durch das Internet nicht mehr zwingend ein Auto brauchen, um sich sozial zu vernetzen. „Früher ist man zu seinen Freunden gefahren und wenn sie nicht zu Hause waren, ist man wieder heimgefahren“, beschreibt Fahrlehrer Klima. Heute würden Freundschaften viel stärker durch Anrufe und Chats ausgelebt, nicht nur in Pandemie-Zeiten.
Ich habe keine Angst um den Fahrlehrerberuf.Jochen Klima, Vorsitzender Fahrlehrerverband Baden-Württemberg
Dass der Führerschein generell zum Auslaufmodell werden könnte, glauben Jochen Klima und Thomas Hätty aber nicht. Zwar werde das autonome Fahren in einigen Jahren einen höheren Stellenwert in den Städten bekommen. Der Fahrzeuginsasse müsse aber im Notfall immer in der Lage sein, einzugreifen. Dafür benötige es entsprechende Schulungen, eventuell ein Leben lang.
Werden wir noch als Senioren die Fahrschulbank drücken?
„Wer 30.000 Kilometer lang nicht eingegriffen hat, muss trotzdem noch dazu in der Lage sein“, sagt Klima. „Und sich vielleicht irgendwann nachschulen lassen.“ Er vergleicht das mit der Luftfahrt: Auch Flugzeuge werden über weite Strecken ausschließlich vom Autopiloten gesteuert, trotzdem müssten Piloten immer wieder zur Auffrischung in den Simulator. „Ich habe keine Angst um den Fahrlehrerberuf“, bilanziert Klima.
Wie Klima sieht auch Thomas Hätty vom ADAC Nordbaden eher einen steigenden Bedarf an Schulungen und Trainings: etwa für ältere Fahrer oder solche, die längere Zeit nicht gefahren sind. Der ADAC bietet in Kooperation mit dem Fahrlehrerverband sogenannte Fahr-Fitness-Checks an. Dabei handelt es sich um eine Fahrt im eigenen Auto, nach der der Fahrlehrer Feedback und Tipps geben kann – ohne, dass der Fahrer gleich den Verlust des Führerscheins fürchten muss.
Außerdem gibt es Technik-Trainings für Senioren, die beispielsweise mit Navigationsgerät oder Parkassistenten nicht zurechtkommen. „Die Zahl der Unfälle, die durch ältere Menschen verursacht werden, weil sie mit dem Fahrzeug nicht mehr klar kommen, ist nicht exorbitant hoch“, sagt Klima. „Aber zumindest bemerkbar.“
Hier stünden die Fahrschulen bereit, um Menschen zu ihrer Mobilität zu beraten und zu schulen. Mit über 70 noch einmal die Fahrschulbank zu drücken, könnte in Zukunft also ganz normal werden.