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Genossenschaft Eigenhandbau

Bei den Siedlern in der Nordweststadt von Karlsruhe zählt immer noch der Zusammenhalt

Frau
Gerlinde Degen. Foto: Gerlinde Degen

„Eigentlich ist die Nordweststadt ein Teil von uns. Und nicht umgekehrt. Denn wir waren zuerst da.“ Mit wir meint Gerlinde Degen die Siedlergemeinschaft Eigenhandbau Karlsruhe. Keine Frage, die Vorsitzende der Gemeinschaft hat Recht. Als sich nach dem Ersten Weltkrieg fast schon wie Pioniere Familien in den Hardtwald aufmachten, um dort eine neue Siedlung entstehen zu lassen, gab es noch keine Nordweststadt.

Allein Bäume des Binsenschlauchwaldes befanden sich auf dem vorgesehen Bauareal. Auf einer Fläche von rund fünf Hektar, ist in einem Grundbucheintrag aus dem Jahr 1922 nachzulesen, durften die hochmotivierten Häuslebauer ihren Traum vom Eigenheim mit Nutzgarten verwirklichen.

Die eigentliche Genossenschaft wurde 1920 gegründet. Somit hätte man 2020 ein Jubiläum begehen können. Coronabedingt war in den vergangenen zwei Jahren allerdings an Feiern nicht zu denken, somit wird die Eigenhandbau in diesem Jahr somit 100 plus zwei Jahre alt. Gefeiert wurde an diesem Samstag.

Große Nachfrage nach Wohnungen in Karlsruhe

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Der damalige Tenor der Baufamilien war nicht getragen vom Wunsch, ins Grüne zu ziehen, sondern fast ausschließlich von ganz pragmatischen Beweggründen. Nach dem Ersten Weltkrieg, verkündet die Chronik der Genossenschaft, „bestand infolge jahrelangen Ruhens jeder Wohnbautätigkeit auch in Karlsruhe eine große Nachfrage nach Wohnungen“. Zudem schnellten nach dem Krieg die Hochzeitszahlen exorbitant nach oben. Was wiederum zahlreiche Familiengründungen zur Folge hatte.

Wie aber den allemal existenziellen Traum vom Eigenheim verwirklichen, wenn dafür schlichtweg die finanziellen Mittel fehlten? Selbsthilfe lautet das Gebot der damaligen Stunde. Die Zielsetzung hierbei war von Beginn an klar: die Baukosten so niedrig wie möglich zu halten. Genau diese Vorgabe findet sich bis zum heutigen Tag in der Namensgebung der Genossenschaft – im Beinamen Eigenhandbau. Und die Genossenschaftler spuckten in die Hände und legten los.

Häuser + alte Aufnahme
Gemeinsames Projekt: Beim Bau der Häuser der Siedlergemeinschaft Eigenhandbau, hier eine Aufnahme aus den 1920er Jahren, arbeiteten die späteren Häuslebesitzer kräftig mit. Foto: Siedlergemeinschaft

„Es gab eine wichtige Vorgabe, an die sich alle halten mussten“, berichtet Gerlinde Degen. „Jeder musste mit anpacken.“ Von Anfang an mit dabei war auch ihr Großvater Karl Haas. Quasi mit seiner Hände Arbeit – und tatkräftiger Hilfe – baute der Schmied das Familiendomizil.

„Das gehört uns immer noch“, verrät Degen. In dritter Generation wohnt die Familie im vom Opa gebauten Haus. Eine Tradition, die gute Chance hat, fortgesetzt zu werden. Gerlinde Degen hofft in diesem Zusammenhang auf ihre Enkelkinder.

Grundcharakter der Siedlung soll erhalten bleiben

Einmal abgesehen von Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg blieb über die Jahrzehnte die Bausubstanz erhalten. Sicher, und das lässt sich schnell erkennen, gab und gibt es immer wieder Modernisierungen an den Gebäuden. Nicht verändert werden dürfe die äußere, jeweils vordere Außenfassade, betont Degen. Damit solle der bauliche Grundcharakter der Siedlung erhalten bleiben.

Und es fällt noch eins auf: die beachtlichen Gartengrundstücke hinter den Häusern, die sich in der Gesamtbetrachtung zu einem ansehnlichen grünen Kleinod zusammenfügen. Dass die einzelnen Gärten überhaupt diese Größe aufweisen, hat – im Rückblick – einen einfachen Grund. Von Anfang an waren sie als Nutzgärten geplant, dafür, in den unsicheren Nachkriegszeiten einen möglichst hohen Grad an Selbstversorgung zu sichern.

Alles ist privater geworden

Heute hat das für viele der 108 Mitgliedsfamilien kaum noch Bedeutung. Ebenso wenig wie der vormalige grundsätzliche Genossenschaftsgedanke. Alles ist inzwischen „privater“ geworden. Sommerfeste, ein Stammtisch, die Frauengruppe und, so Degen, Hilfsbereitschaft schaffen aber noch immer ein gewisses Maß an Zusammenhalt zwischen dem Postweg, dem Binsenschlauchweg und der Hertzstraße.

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