
Die zentrale Bürgerservice-Stelle des Amtsgerichts Karlsruhe im Parterre seines Gebäudes am Schlossplatz erweist sich als Publikumsmagnet. Von Eröffnung des Bürgerservice im Januar 2021 bis April dieses Jahres hat es dort rund 15.700 Kundenkontakte gegeben. In 60 Prozent aller Fälle ging es den hier vorstellig gewordenen Bürgern um Anliegen, die einen Nachlass betrafen. Beim Bürgerservice vor Ort können beispielsweise Erbschaften ausgeschlagen werden.
Das Amtsgericht Karlsruhe ist das einzige in Baden-Württemberg, das eine solche zentrale Anlaufstelle für Recht-Suchende hat – mit Wartebereich und Aufrufsystem. Eigens für mehr Service hatte man den Eingangsbereich des Gebäudes östlich der Staatlichen Kunsthalle umgestaltet.
Rat und Hilfestellung
Rat und Hilfestellung gibt es dort zu sämtlichen Fachabteilungen des Hauses. Dazu gehören die Zivil- und die Strafabteilung, das Familien-, Betreuungs-, Insolvenz-, Vollstreckungs- und Nachlassgericht sowie die Abteilung für Zwangsversteigerungen. Es gibt hier auch die kostenlose Rechtsberatung außerhalb von Gerichtsverfahren für einkommensschwache Bürger.
Der Präsident des Amtsgerichts, Thomas Ohlinger, spricht von einem niederschwelligen Angebot, das gern angenommen werde. Der Bürgerservice hat sich ihm zufolge bewährt.
Seit diesem Jahr bietet das Amtsgericht seinen Bürgerservice zusätzlich online an. Dienstags und donnerstags können Interessenten jeweils zwischen 17 und 19 Uhr per Videokonferenz Hilfestellung etwa beim Ausfüllen von gerichtlichen Formularen oder beim Formulieren von Anträgen bekommen. Auch Fragen zu gerichtlichen Abläufen oder zu Schreiben können im Online-Termin beantwortet werden.
Turbo-Verfahren
Eine positive Zwischenbilanz ziehen Ohlinger und Vizepräsidentin Julia Kürz auch mit Blick auf die im vergangenen Jahr eingeführte Möglichkeit der landläufig sogenannten Turbo-Verfahren. Dabei kann bei einfachen Sachverhalten und klarer Beweislage Hauptverhandlung und Bestrafung bereits einen Tag nach der Tat erfolgen.
Acht bis neun Verfahren dieser Art finden seither monatlich am Amtsgericht statt. „Es läuft insgesamt gut“, lautet die Zwischenbilanz von Amtsgerichtspräsident Ohlinger. Auch wenn die „Bestrafung auf dem Fuß“ mitunter einen erheblichen organisatorischen Aufwand mit sich bringt. So müssen die nötigen Richter bereitstehen, und die Gerichtssäle müssen für Turbo-Verfahren freigehalten werden. Auch Freiheitsstrafen wurden in beschleunigten Verfahren bereits verhängt.
Weiterer Rückgang bei Zivilsachen
Die größte Zahl der Verfahren am Amtsgericht entfiel im vergangenen Jahr wieder auf Strafsachen. Rund 2.000 Strafsachen bearbeiteten Einzelrichter; meist ging es dabei um kleinere Delikte wie Schwarzfahren, um Verkehrssachen oder um Eigentumsdelikte. Das Schöffengericht wurde rund 200-mal bemüht. Rund 2.300 Verfahren verzeichnet die Statistik bei den Zivilsachen.
Diese Zahl ist laut Amtsgerichtspräsident Thomas Ohlinger seit Jahren rückläufig. Wie er berichtet, gab es hier in den vergangenen zehn Jahren einen Schwund von rund 50 Prozent. Dies sei vor allem der Inflation geschuldet. Denn während sich die Höhe des minimalen Streitwerts über viele Jahre nicht verändert hat, ist der Wert des Geldes deutlich zurückgegangen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit am Amtsgericht findet in der Familienabteilung statt. Hier geht es um Ehescheidungen, Unterhaltsstreitigkeiten, Kindschaftssachen und um das Thema Betreuung. Allein bei den Betreuungssachen landeten im zurückliegenden Jahr rund 1.200 neue Vorgänge auf den Tischen der Richterinnen und Richter.
Zusammen mit den noch anhängigen Fällen liegt damit der Bestand beim Thema Betreuung bei etwa 3.200 Vorgängen. Wer eine Vorsorgevollmacht ausgestellt hat, dessen Angehörige kommen künftig nicht in die Verlegenheit, bei Gericht die Betreuung beantragen zu müssen.