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Zwischen Emanzipation und Ehrlichkeit

„Carmen“-Darstellerin freut sich auf Premiere am Staatstheater Karlsruhe

In „Carmen“ verkörpert die Mezzosopranistin Dorothea Spilger am Badischen Staatstheater eine eine der erotischsten Opernrollen der Geschichte. Wie sieht sie diese Rolle und warum fühlt sie sich in Karlsruhe wohl?

Die Landshuterin Dorothea Spilger spielt in dieser Spielzeit am Staatstheater Karlsruhe die „Carmen“ .
Die Landshuterin Dorothea Spilger spielt in dieser Spielzeit am Staatstheater Karlsruhe die „Carmen“ . Foto: Mark Noormann

Einen solchen Satz hätte man nicht erwartet: „Ich konnte nicht singen, es hörte sich schief an“ – so beschreibt Dorothea Spilger ihre ersten Erfahrungen als Solosängerin im Kinderchor. Das hat sich gründlich geändert: Mittlerweile ist sie professionelle Opernsängerin, die dem Publikum am Badischen Staatstheater Karlsruhe bereits in der Rolle der Amneris in „Aida“ positiv aufgefallen ist.

Und nun steht der nächste große Schritt an: Ab Samstag gibt die gebürtige Landshuterin die Titelrolle in Georges Bizets Oper „Carmen“.

Wenige Tage vor der Premiere: Dorothea Spilger sitzt entspannt in ihrer Künstlergarderobe. Der Raum ist spartanisch eingerichtet. Spilger fühlt sich dennoch sichtlich wohl. In ihrem Gesicht ist eine große Freude zu erkennen.

„Es ist für mich eine Traumrolle“, erzählt die Mezzosopranistin. „Carmen“ habe sie erstmals als Kind zur Kunstform der Oper gebracht. Früher habe sie dieses Werk über eine Kassette im Auto gehört. Losgelassen habe „Carmen“ sie seither nie.

Spilger will der Rolle ihren eigenen Stempel aufdrücken

Die Titelrolle beschreibt sie als äußert facettenreich: „Ich sehe Carmen als eine Galionsfigur für die selbstbestimmte Frau.“ Sie sei zeitgemäß und entspreche der Rolle einer Frau von heute.

Das mag erstaunen, gilt Carmen doch als männliches Projektionsbild der „femme fatale“. „Carmen möchte nur das, was Frauen heute auch wollen“, begründet Spilger ihre Einschätzung. Sie stehe für Frauen, die sich von Männern nichts vorschreiben lassen wollen. Ebenso sei die Gewalt an Frauen, der Carmen am Ende zum Opfer fällt, ein aktuelles Thema.

Spilger möchte im Stück trotz der Stärke und Unbeugsamkeit von Carmen deren Verletzlichkeit ausdrücken und darstellen, dass sie eine Suchende sei. Und auch wenn Carmen es nicht jedem recht machen wolle, sei sie immer ehrlich – so ehrlich, dass ihr am Ende trotz der Wahrheit niemand mehr glaube.

Spilger ist anzumerken, dass sie es kaum erwarten kann, vor dem Publikum zu stehen. Dabei findet sie für alle Beteiligten der Produktion nur lobende Worte und beschreibt die Arbeit im Vorfeld als eine Wonne.

Beim Blick auf den Kleiderständer vor ihrer Garderobe erzählt sie, dass Carmen eine zweistellige Zahl an Kostümen tragen wird. Denn die zahlreichen Kleider seien Sinnbild für den facettenreichen Charakter von Carmen.

Erfahrungen in Lyon und Mailand

Dass Spilgers Karriere diesen Verlauf genommen hat, begann nach den eingangs erwähnten Erfahrungen im Kinderchor. Sie habe jede freie Minute zum Üben genutzt, sagt sie. Mit 15 kam sie in die bayrische Begabtenförderung und studierte ab 2008 an der Hochschule für Musik und Theater München.

Noch während ihres Studium trat sie in der Opéra National Lyon auf. Es folgten Auftritte in München und Mailand. „In dieser Zeit habe ich mir von den erfahrenen Kollegen vor allem die Probedisziplin und die Einteilung der Kraft abgeschaut“, erzählt sie.

Beeindruckt hätten sie vor allem die italienischen Bassbuffos mit ihren heiteren Stimmen. 2018 hätte Spilger als Mércèdes beinahe schon in „Carmen“ gesungen, an der Oper in Aarhus. Doch von Philipp Kochheim bekam sie dort stattdessen die Partie der Lisa in der „Passagierin“. „Musikalisch war diese Rolle sehr fordernd und sie hat mich unheimlich geprägt“, sagt sie.

Vor dem Badischen Staatstheater in Karlsruhe deutet ein großes Werbebanner auf die Premiere von „Carmen“ hin.
Vor dem Badischen Staatstheater in Karlsruhe deutet ein großes Werbebanner auf die Premiere von „Carmen“ hin. Foto: Stefan Meister

Immer wenn Spilger von der Bühne spricht, glänzen ihre Augen. „Es ist ein Teil meines Lebens. Ich fühle mich dort zuhause, werde dort vollständig und es macht schnell süchtig“, schwärmt sie. Deshalb sei Corona für sie ein kalter Entzug gewesen. „Ich konnte den künstlerischen Hunger nicht stillen“, beschreibt sie ihre Gefühle. Allerdings habe sie der erste Lockdown weniger getroffen, da sie in dieser Zeit ein Kind bekam.

Bei der Vorbereitung auf ein neues Stück gehe sie zunächst einmal in Ruhe das ganze Stück durch. Dabei singe sie für sich selber alle Partien und versuche, die Struktur zu verstehen und herauszuarbeiten, was ihr im Text wichtig sei. „Ich versuche, etwas von mir mit dem Charakter zu verbinden“, erläutert sie. Dabei sei es notwendig, die Figur mit in den Alltag zu nehmen und alltägliche Szenen durchzuspielen.In der Freizeit gerne im Zoo

Ein erster Kontakt nach Karlsruhe kam 2021 durch den Intendanten Ulrich Peters zustande. Nach Vorsingen und mehreren Arbeitsproben war sie im Juni als Amneris in Verdis „Aida” erstmals zu sehen und zu hören. Seit der Spielzeit 2022/23 zählt sie nun zum Solisten-Ensemble. Am Theater zu arbeiten, beschreibt sie als Privileg.

„Ich musste nicht lange überlegen. Die Stadt macht es einem aufgrund des hohen Freizeitwerts nicht schwer, anzukommen“, sagt sie. Neben dem Zoo wisse sie vor allem das Naturkundemuseum zu schätzen. Gemeinsam mit ihrem Sohn steuere sie außerdem gern die zahlreichen Spielplätze der Stadt an.

Nächste Termine von „Carmen“

Aufführungen am Staatstheater Karlsruhe: 21. Januar, 19.30 Uhr; 27. Januar, 20 Uhr; 4. Februar, 16 Uhr; 11. Februar, 19.30 Uhr; 12. März, 18.30 Uhr; 17. März, 20 Uhr; 6. April, 20 Uhr; 18. April, 20 Uhr; 27. April, 20 Uhr; 20. Mai, 19.30 Uhr. www.staatstheater.karlsruhe.de

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