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Arten sind gefährdet

Karlsruher Biologe erfasst Vögel im Stadtteil Daxlanden

Viele Vogelarten drohen auszusterben. Immer wieder machen sich Hunderte Ehrenamtliche auf den Weg und zählen Vögel, auch in Karlsruhe.

Der Karlsruher Biologe Felix Normann sucht in einem Gelände nach Brutvögeln. Als einer von mehreren Hundert Ehrenamtlichen im Südwesten erfasst er die besonders oft vorkommenden Vogelarten auf einer festgelegten Probefläche.
Der Karlsruher Biologe Felix Normann sucht in einem Gelände nach Brutvögeln. Als einer von mehreren Hundert Ehrenamtlichen im Südwesten erfasst er die besonders oft vorkommenden Vogelarten auf einer festgelegten Probefläche. Foto: Martin Oversohl/dpa

Vier Mal im Jahr markiert Felix Normann sein Revier. Buchstäblich. Kurz nach Sonnenaufgang hängt er sich ein Fernglas um den Hals, greift nach seinem kleinen Tablet, läuft zwei Stunden durch die Straßen und leistet seinen kleinen Beitrag für den Artenschutz.

Stets derselbe Weg, vorne rechts, dann geradeaus, am Bach entlang und über die Straßenbahnschienen im Karlsruher Stadtteil Daxlanden. Hier oder dort bleibt Normann stehen, dann lauscht er oder schaut durchs Glas. Zischt da ein Kiebitz durch die Luft? Ist das eine Rauchschwalbe, dort auf der Hochspannungsleitung? Wo manch einer nur einen Baum sieht, da macht der 39-Jährige mit geübtem Blick einen Zaunkönig aus.

Revier von Karlsruher Biologe ist ein Quadratkilometer in Daxlanden

Als einer von mehreren Hundert Ehrenamtlichen im Südwesten erfasst der ausgebildete Biologe die besonders oft vorkommenden Vogelarten auf einer festgelegten Probefläche. Ein Quadratkilometer am Karlsruher Stadtrand, drei Kilometer Strecke, das ist Normanns Revier. Hier zählt er zwischen März und Juni jeweils einmal monatlich die Vögel, die er routiniert an Aussehen oder Klang erkennt.

„Wie man das macht? Auf jeden Fall systematisch“, sagt Normann. So hält er digital fest, ob die Vögel ein Nest bauen oder fressen, ob sie singen, warnen, einen Ast im Schnabel haben oder ob es Jungvögel gibt. Meist 200 bis 300 Vögel kommen da pro Ausflug zusammen, rund zwei Dutzend Arten bestimmt er so.

„Dreh- und Angelpunkt ist die Zahl der Brutpaare und der nachgewiesenen Reviere“, erklärt Normann. Das lasse im jahrelangen Vergleich Rückschlüsse zu, wie sich eine Art in bestimmten Regionen entwickle. „Bei diesen Methoden geht es über die Zeit. Wenn man vor 20 Jahren noch eine Million Amseln erfasst hat und jetzt ist es nur noch die Hälfte, dann ist das schon eine kräftige Aussage.“

Bestand der Brutvögel wird seit zwei Jahrzehnten erfasst

Seit zwei Jahrzehnten werden Jahr für Jahr die Bestände der häufigen und weit verbreiteten Brutvögel von A wie Amsel bis Z wie Zilpzalp erfasst, Normann ist mit Unterbrechungen seit 2012 dabei. Im Auftrag der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) koordiniert das Nabu-Vogelschutzzentrum in Mössingen von Beginn an die Arbeit der Ehrenamtlichen.

„Oft wissen wir über seltene Arten relativ gut Bescheid“, sagt Lisa Maier vom Vogelschutzzentrum. „Bei den häufigen Arten dauert es manchmal aber erschreckend lange, bis beispielsweise ein Negativ-Trend erkannt wird. Und nur wenn wir solche Trends rechtzeitig erkennen, kann man etwas dagegen tun.“ Der Haussperling sei da ein gutes Beispiel. Mit rund 500.000 Brutpaaren in Baden-Württemberg sei er nach wie vor eine „Allerweltsart“, allerdings habe der Sperling in den vergangenen Jahrzehnten einen Rückgang von über 80 Prozent verzeichnet.

Eine „gute Erfolgskontrolle“ nennt LUBW-Präsident Ulrich Maurer die kontinuierliche Datenreihe. „Der Datenbestand ist eine solide Basis für Aussagen zu Bestandstrends und Entwicklung der Artenvielfalt heimischer Brutvögel.“ Die Daten und Auswertungen sind auch Teil der jüngsten Fassung der Roten Liste der Brutvögel Baden-Württembergs und sie fließen in bundesweite und europaweite Auswertungen ein.

Dramatische Rückgänge bei der Feldlerche

Auf diese Weise haben Politik und Naturschützer schwarz auf weiß, dass ihnen die Arten geradezu wegsterben: „Einige der früher noch häufigen Vogelarten nehmen in ihren Beständen so stark ab, dass die Bezeichnung häufige Brutvögel nicht mehr passt“, sagt Johannes Enssle, der Landesvorsitzende des Naturschutzbund Baden-Württemberg (Nabu).

Die Feldlerche habe europaweit dramatische Bestandsrückgänge erlitten, auch die Zahl der Grünfinken, Girlitze und Feldsperlinge sei stark zurückgegangen. Die Politik müsse Programme wie das Bodenbrüterprogramm ebenso stärken wie sie die Pestizidreduktion fördern müsse, um bedrohten Arten wieder auf die Beine zu helfen.

Denn aus Sicht des Nabu ist auch die Gesellschaft direkt vom Artensterben der Vögel betroffen. „Wenn Vögel sterben, dann ist das immer auch ein Alarmsignal. Vögel sind wichtige Boten“, sagt Stefan Bosch, der Nabu-Landesfachbeauftragte für Ornithologie. Der Zustand der Arten sage stets etwas aus über den Zustand der Insekten oder falsche Entwicklungen zum Beispiel im Agrarbereich oder bei der Stadtplanung, die früher oder später auch Auswirkungen auf die Menschen habe.

Allerdings gibt es so etwas wie ein Artensterben durchaus auch bei den Ehrenamtlichen. Denn dem Brutpaar-Monitoring geht der Nachwuchs aus. Es gibt schon einige Probeflächen, die vor allem auf dem Land nicht besetzt sind. „Das ist natürlich ein Problem, denn wenn man diese Flächen nicht erfasst, dann senkt das auch die Aussagekraft“, sagt Normann. Laut Nabu sind für das kommende Jahr noch 74 der insgesamt 400 Flächen zu vergeben.

Manche Arten profitieren vom Klimawandel

Gibt es auch eine gute Nachricht? Es gibt Arten, die vom Klimawandel profitieren und sich nun weiter ausbreiten, darunter wärmeliebende Vögel wie die Dorngrasmücke. Vogelarten, die mit verschiedensten Lebensbedingungen zurechtkommen und den Sprung vom Lebensraum Wald in den Lebensraum Siedlung geschafft haben, nehmen in der Zahl ebenfalls zu. Als Beispiele nennt Maier vom Vogelschutzzentrum hier die Ringeltaube und die Mönchsgrasmücke.

Wenn man sieht, dass wir auf einen Kipppunkt zulaufen, dann gibt mir das zu denken.
Felix Normann
Biologe

Auch deshalb dreht Normann vier Mal im Jahr seine Runde durch Daxlanden. „Wenn man sieht, dass wir auf einen Kipppunkt zulaufen, dann gibt mir das zu denken“, sagt er. Ich schütze zwar mit meiner Arbeit keinen Vogel. Aber sie dient dazu, Daten zu schaffen, die nicht wegzudiskutieren sind und die ein Bewusstsein schaffen.“

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