Auf den kleinen orangenen Papierbooten stehen Sätze wie „Kein Mensch ist illegal“ oder „Aufnahme jetzt“. Aufgereiht sind sie an Schnüren, die um ein Zelt auf dem Schlossplatz gespannt sind.
Das gemeinsame Boote basteln ist Teil einer Protestaktion. In Karlsruhe und neun weiteren baden-württembergischen Städten fordern am Wochenende insgesamt 177 Initiativen die Landesregierung im Rahmen der Kampagne „Sicherer Hafen Baden-Württemberg“ zu einem Kurswechsel in der Asylpolitik auf.
„Wir wollen unter anderem auf die Situation in den Flüchtlingslagern an den Außengrenzen der EU aufmerksam machen“, erklärt Wolfram Treiber aus dem Team der Seebrücke Karlsruhe, das den Protest gemeinsam mit der Balkanbrücke organisiert.
Demonstranten beklagen katastrophale Zustände
Nachdem die Bilder aus dem Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos um die Welt gegangen seien, sei es in der Öffentlichkeit stiller darum geworden – es gebe ähnliche Orte aber immer noch. An der Grenze zwischen Bosnien und Herzegowina und Kroatien oder zwischen Nordmazedonien und Griechenland etwa sitzen derzeit viele Flüchtlinge in verschiedenen Lagern fest.
Eine politische Aktion, kein Partyspaß.Wolfram Treiber von der Seebrücke Karlsruhe
„Bei Minustemperaturen in Zelten, Wind und Wetter ausgesetzt, oft mit kleinen Kindern und schlechter hygienischer Versorgung“, zählt Treiber auf. „Das ist ein Skandal.“ Zehn bis 15 Demonstranten haben auf dem Karlsruher Schlossplatz am Samstag in Zelten übernachtet, um für die Lage zu sensibilisieren. „Eine politische Aktion, kein Partyspaß“, betont Treiber.
Karlsruhe gilt als „Sicherer Hafen“
Die Organisatoren wünschen sich mehr gesellschaftlichen Druck, damit die Lager geräumt und die Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden. Machbar sei das, rechnet Treiber vor. Etwa 170 Städte und Gemeinden haben sich bislang zum „Sicheren Hafen“ erklärt.
Auch der Karlsruher Gemeinderat stimmte Anfang 2019 dafür und erklärte sich zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit. „Das scheitert an der fehlenden Genehmigung des Bundesinnenministeriums“, kritisiert Wolfram Treiber. In der EU trete man weiterhin Menschenrechte mit Füßen.
Vor dem Schloss sorgt die Protestaktion durchaus für Aufmerksamkeit. Auf dem am Samstagnachmittag bei strahlendem Sonnenschein gut gefüllten Platz suchen immer wieder Menschen das Gespräch mit den Demonstranten. Viele lesen auch die Antworten verschiedener Parteien auf Fragen rund um die Seenotrettung und den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland. Manche schütteln den Kopf, andere nicken zustimmend.
Durch verschiedene Angebote versuchen die Organisatoren, die Menschen vor dem Schloss in den Protest mit einzubeziehen. Sie fordern unter anderem dazu auf, Briefe an Abgeordnete zu schreiben oder stellen Papier und Stifte für Bastelaktionen zur Verfügung. Am Samstagabend begann um 19 Uhr eine Mahnwache mit Kerzen. Am Sonntag geht der Protest mit einer Kundgebung um 14 Uhr zu Ende.