
Gerade sind die Akteure des Carneval Clubs Waldstadt in der Durlacher Pfinztalstraße auf Höhe des historischen Rathausbalkons angekommen, da zünden die Narren ihre Kanone: Dutzende gigantisch langer und grell-bunter Luftschlangen steigen auf.
Unter Oohs und Aahs und zu den Klängen von „Cordula Grün“ umfängt der närrische Papierschmuck die Moderatoren des großen Durlacher Fastnachtsumzugs, Gerhard Holzwarth und Roland Laue. Gelächter brandet auf, und auch Applaus wird laut, als sich die Luftschlangen an Dachrinnen und Oberleitungen verheddern – und so der närrischen Großkundgebung durch die alte Markgrafenstadt das i-Tüpfelchen aufsetzen.

„In Durlach steht Fastnacht voll und ganz für Frieden, Freiheit, Toleranz!“ – unter dieser Überschrift sind am Sonntag mit geringer Verspätung bald nach 14.11 Uhr insgesamt 51 Zugnummern durchs dortige Zentrum defiliert.
Nach Jahren des weitgehenden närrischen Verzichts durch Corona nutzen rund 40.000 Menschen gern die Gelegenheit, den Alltag für ein paar Stunden Alltag sein zu lassen. Die Polizei hatte mit mehr gerechnet. Narren und Gäste erleben das Spektakel bei moderaten Temperaturen und Trockenheit.
Der Umzug ist das Beste, was Durlach zu bieten hat.Gerhard Holzwarth, Karnevalspräsident
Überraschend viele sind fantasievoll kostümiert, noch mehr sind erkennbar zur Ausgelassenheit bereit, während die Fußgruppen, Guggenmusiken, Hexen und Festwagen den Gästen klar machen, dass eine närrische und humorige Auszeit helfen kann, den ernsten Gang der sonstigen Dinge ein wenig erträglicher zu machen.

„Der Umzug ist das Beste, was Durlach zu bieten hat“, verkündet vor dem Startschuss Gerhard Holzwarth, Präsident der KaGe Blau-Weiß, und die Teilnehmenden mühen sich bei diesem 67. närrischen Defilee, dieses große Wort zu beglaubigen.
Durlacher Fastnachtsumzug: Eine Gruppe kommt sogar aus Zürich
Angeführt wird der Tross vom Organisationskomitee Durlacher Fastnacht, und schon geht es Schlag auf Schlag: In kurzem Abstand erleben die Zuschauer – rund ums Rathaus stehen die meisten – Topacts der Durlacher und Karlsruher Szene.
Doch auch Truppen von weiter weg drücken dem Umzug ihren Stempel auf. Die gar aus dem schweizerischen Zürich angereisten Guggemusiker „Lady Killers“ kommen mit ihren rasanten perkussiven Temponummern und ihrer spielfreudigen Ausstrahlung besonders gut an.

Den Durlacher Umzug prägen aber natürlich vor allem die lokalen Helden. Da sind die Durlacher Mondhexen, die in große Kinderaugen blicken.
Da ist die „Original Durlacher Clownkapelle“, die heuer vier mal elf Jahre alt geworden ist. Da sind aber auch die Turmberg Hexen oder auch die Akteure des Elferrats Lyra und die „Letschebacher Knaddle“.
Groove auf historischem Asphalt
Die närrischen Akteure aus der alten Markgrafenstadt sind vielfach freundschaftlich verbunden mit den Karlsruher Traditionsvereinen, für die es natürlich Ehrensache ist, in Durlach mit dabei zu sein. So sehen die Umzugsbesucher bestens aufgelegte „Waldgeister“, „Mini-Schnooge“ oder „Moorschlampen“.
Gravitätisch schreitet Michael Obert, Ex-Bürgermeister und scharfzüngiger Akteur bei der KG Humoristika, durch Durlachs Straßen, während „Noten-Chaoten“ und „Dodderdabber“ den nötigen Groove auf den Asphalt bringen.
Apropos Asphalt: Dort sammeln sich Bonbons, Tütchen mit Gummibärchen oder auch Päckchen mit Papiertaschentüchern. Flinke Kinderhände klauben die Beute zusammen und verstauen sie in Baumwolltaschen.

„Heute stimmt wirklich alles“, strahlt Brigitte Müller-Gayda, nachdem Moderator Roland Laue vom Balkon aus eine besonders gute Nachricht unter die Leute gebracht hat: den 3:0-Erfolg des KSC. Ein Grüppchen von Piraten mittleren Alters lässt darauf die Sektkorken knallen.
Hexen zum Spaßen aufgelegt
Langeweile kommt kaum auf entlang der Umzugsstrecke, auch wenn hier und dort zwischen zwei Zugnummern etwas Leerlauf herrscht. Manch einer hinter den Absperrungen glaubt sich angesichts der oft zu derben Späßen aufgelegten Grötzinger Hottscheck-Hexen bereits sicher. Und übersieht, dass sich eine von ihnen unter die Zaungäste gemischt hat.

Es bleibt bei Freundlichkeiten: Hier und da zieht die Hexe jemandem den Hut ins Gesicht oder neckt mit großen Gesten Kinder.
Im Rathaus drehen sie zwischendurch die Musikanlage auf. Dankbar singen die Zaungäste mit bei Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ oder Jürgen Drews’ „Bett im Kornfeld“.
Das Rathaus, historisches Epizentrum Durlacher Macht, ist auch innen fastnachtlich geschmückt. Auf den Tischen stehen Kaffeetassen, Sektgläser und Berliner.
Man erlebt einen zufriedenen Michael Maier. Der Präsident des Festausschusses Karlsruher Fastnacht ist in vollem närrischen Ornat erschienen und zufrieden. Die Karlsruher müssen es am Dienstag erstmal besser machen.