Der violette Reiter in Ritterrüstung ist im Angriffsmodus. Aber statt einer Lanze schwingt er einen Besenstiel mit Farbrolle. An der gut viereinhalb Meter hohen, mit Travertin verkleideten Wand lehnte noch die Leiter. Graffiti-Künstler Moter konnte so auch die oberen Bereiche seines monumentalen Wandbildes mit der Spraydose noch gut erreichen.
Offiziell wurden am Donnerstagmittag die Wände der Unterführung, die unter der Durlacher Allee die Dornwald- mit der Untermühlsiedlung verbindet, als sogenannte „Hall of Fame / Free Walls“ (Ruhmeshalle / freie Wände) für Graffiti-Künstler freigegeben.
Vorausgegangen war ein anderthalbjähriger Entscheidungsprozess, an dessen Ende sich der Durlacher Ortschaftsrat und die Kunstkommission der Stadt für eine Freigabe der Wände ausgesprochen hatten. Tatsächlich herrscht Mangelware an ausgewiesenen Flächen im öffentlichen Raum, die Streetart-Künstler für ihre gesprayten Gemälde nutzen können.
Die frisch geschmückten Wände im Rücken, begeisterte sich Ortsvorsteherin Alexandra Ries über die Resultate: „Mit großer Freude haben wir die Kunstwerke wahrgenommen.“ Susanne Asche, die Leiterin des Kulturamtes, betonte: „Die Stadt hat 2016 ein Graffiti-Konzept verabschiedet, wodurch wir viel gewinnen.“
Unterführung aufgehübscht
Graffiti habe sich mittlerweile zur Kunstform entwickelt. Gerade die Unterführung, die zum erweiterten Umfeld der Anwohner der Dornwaldsiedlung gehöre und die Passanten üblicherweise schnellen Schrittes durchquerten, überrasche nun „mit ästhetisch schönen Bildern“.
„Durch die Farben ist es so harmonisch“, sagten unisono Maria Simon und Renate Tritschler, zwei Besucherinnen, die von den Werken sehr angetan waren. Die zwei älteren Damen kamen mit der Straßenbahn extra aus der Rheinstrandsiedlung angefahren, eine Freundin hatte sie informiert. „Super Qualität“, bestätigte auch Monika Haug von der Bürgergemeinschaft Durlach, an einem Durchgangsort könne man jetzt verweilen.
In Kooperation war maßgeblich an der Umsetzung der Werke das Hip-Hop-Kulturzentrum Combo in Hagsfeld beteiligt. Dessen Leiter Uwe Buchholz hatte über sein Netzwerk die Graffiti-Künstler informiert. Acht von ihnen hatten sich gemeldet und in mehrtägiger Arbeit die Wände gestaltet. „Wir haben aber keine Vorauswahl der Künstler getroffen“, so Buchholz, der auch das Tiefbauamt für die gute Zusammenarbeit und die Unterführung insgesamt als „spannendes Bauwerk“ lobt.
Jeder darf selbst sprühen
So gehöre zu den Merkmalen von Graffitis auch deren Vergänglichkeit. Denn „Free Walls“ heißt: Jeder, der die Wand bemalen will, kann das jederzeit ohne Vorankündigung tun. Buchholz freute sich: „Graffiti-Kunst bekommt durch so eine Aktion eine andere Lobby.“
Moter, einer der Künstler, berichtete von Passanten, die ihm zusahen und die „hellauf begeistert“ waren. Ihm gefiel die „außergewöhnliche Höhe“, außerdem sei der Tunnel nachts gut beleuchtet. Für seinen Reiter und das daneben befindliche Bild benötigte er „drei Tage und zehn Spraydosen Farbe“.