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Warmes Essen als Türöffner

Gegen Armut und Kälte: Stadtamt und Kirchen starten Projekt in Durlach und Aue

Armut und zu wenig Wärme machen immer mehr Menschen auch in Karlsruhe zu schaffen. In Durlach und Aue werden deshalb Stadtamt und Kirchen tätig.

Am 13.12.2022 findet als Gegengewicht gegen Armut und Kälte eine Essenausgabe im evangelischen Gemeindezentrum in Durlach, Am Zwinger, statt. Jannine Boz gibt die Mahlzeiten aus, um die Gäste kümmern sich auch Roland Laue, Leiter des Sozialamts im Stadtamt Durlach (links), und die Ortsvorsteherin Alexandra Ries (stehend hinten links).
Gutes für Leib und Seele: Im evangelischen Gemeindezentrum in Durlach gibt Jannine Boz Mahlzeiten aus. Roland Laue, Leiter des Sozialamts im Stadtamt Durlach (links), und die Ortsvorsteherin Alexandra Ries (stehend hinten links) plaudern mit Gästen. Foto: Jörg Donecker

Klirrend kalt ist es im Hof des alten Zwingers in Durlach. Zwar fallen über Mittag Sonnenstrahlen auf das Katzenkopfpflaster, die Temperaturen bleiben aber unter null. Jeder schlüpft möglichst schnell aus dem eisigen Luftzug in den geschützten Saal des Gemeindezentrums.

Drinnen ist es nicht nur wohlig warm. Es duftet auch dezent nach Spätzle und Schnitzel. Das Menü kostet die Gäste nichts, es ist vollständig aus Spenden finanziert.

In Durlach bekommen die Menschen Essen, die es sich nicht selbst leisten können

Serviert wird die Mahlzeit Menschen, die sich das selbst nicht leisten oder organisieren können. Dem wohnungslosen Mann an der Längsseite zum Beispiel. Oder dem ehemaligen selbstständigen Fuhrunternehmer, der sich in betreutes Wohnen gerettet hat nach einem persönlichen Absturz und es nun genießt, mit alten Bekannten zusammenzusitzen und gut zu speisen.

Roland Laue kennt beide Männer schon seit vielen Jahren. Am Nachmittag wird Laue noch einen möglichst dicken Schlafsack für den Mann organisieren, der seit Jahren auf der Straße lebt und auch jetzt bei Dauerfrost seine Nächte im Freien verbringt. Den Mittagsgast aus dem betreuten Wohnen hat Laue für die Premiere heute ausnahmsweise persönlich zuhause abgeholt.

Menschen mit geringem Einkommen fliegen jetzt durch alle Netze.
Roland Laue, Mitinitiator

„Wir suchen den Kontakt und denken, dass es sich gut entwickeln wird“, sagt Laue. Mit dem neuen Mittagstisch jeden Dienstag im Wechsel in Durlach und Aue bietet der Verein zusammen mit den örtlichen Kirchengemeinden ab sofort und mindestens bis März bedürftigen Menschen, denen Armut und Kälte das Leben schwer machen, eine zusätzliche Unterstützung und Verschnaufpause.

Gerade diejenigen, deren Einkünfte knapp über der Bemessungsgrenze für die Sozialleistungen liegen, geraten durch die aktuellen Preissteigerungen besonders fies in die Klemme. „Menschen mit geringem Einkommen fliegen jetzt durch alle Netze“, sagt Laue, „dabei haben sie aber die explodierenden Kosten genauso zu tragen.“

Zwar gibt es eine Dunkelziffer, Laue hat aber durchaus Einblick in die Situation. Denn er leitet das Amt für Jugend und Soziales im bevölkerungsreichstem Stadtteil Karlsruhes. Zugleich ist er Vorsitzender des Vereins Durlacher Selbst.

Neuer Mittagstisch macht Vesperkirche keine Konkurrenz

Anders als bei den schon bestehenden Speisungen in der Stadt ist in Durlach und Aue der Kreis vergleichsweise klein gezogen. Um die 30 Menschen jeweils sollen aber auf jeden Fall satt werden, so der Plan.

Dabei bleibt durchaus immer Spielraum für unangekündigte Gäste, Anmeldung ist aber erbeten. Das ist vielleicht der größte Unterschied zur Vesperkirche am Werderplatz in der Südstadt, die am 8. Januar öffnet.

Das Konzept für Durlach und Aue kombiniert Gemeinschaft, warmes Essen und den Aufenthalt in einem gut geheizten Raum. Gleichzeitig lebt es von den persönlichen Beziehungen. Und noch eine Besonderheit ist nur durch die enge Verzahnung des Vereins Selbst mit dem Stadtamt Durlach möglich.

Braucht einer der Gäste gerade einen neuen Personalausweis oder hat er womöglich Hilfe nötig bei anderen Formalitäten? Dann lässt sich das nach Tisch quasi in einem Aufwasch behandeln oder zumindest vorbesprechen.

Im historischen Durlacher Zwinger-Gebäude legt Jannine Boz vor der Saalbühne an einem freistehenden Tisch ein letztes Mal goldgelbe Teigwaren auf die Teller und richtet das panierte Fleisch appetitlich mit einer Zitronenscheibe an. Alexandra Ries, Ortsvorsteherin in Durlach, übernimmt den Service und bringt das Gedeck an den Platz am Kopf des Tisches. „Man fühlt sich schon wie an Weihnachten“, sagt die Frau, die dort sitzt.

Neben sich hat die 80-jährige aus der Stadtmitte ihren großen Einkaufstrolley, vorausblickend bestückt mit einer Plastikdose, in der sie eine weitere Mahlzeit mit nach Hause nimmt. Auch andere greifen zu, als nach einer guten Stunde das Übriggebliebene zum Mitnehmen angeboten wird – diesmal vier abgepackte Salatportionen und mehrere Erdbeerjoghurts als Dessert.

Den gemeinnützigen Durlacher Verein Selbst gibt es seit 15 Jahren. Er wurde 2007 gegründet, um in Durlach soziale Projekte schnell und unbürokratisch zu unterstützen. Spenden und der Erlös eigener Aktionen werden ohne Abzug direkt weitergegeben, so auch an den Mittagstisch im Kinder- und Jugendhaus, Ferienangebote für Kinder, einen Galaabend für Obdachlose und die Durlacher Tafel.

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