Im Herbst kommenden Jahres rollen die gelbroten Zwillingswagen der Durlacher Turmbergbahn zum letzten Mal am Stahlseilzug über die alten Schienen am Steilhang des Karlsruher Hausbergs. Baujahr 1966 sind sie, wie die gesamte heutige Anlage. Die Brücken am Wolfweg bröckeln, das Gleisbett ist am Ende, die Technik veraltet, und barrierefrei kann die nostalgische Attraktion auch nicht werden. Überall gibt es Stufen, sogar in den Wagen.
Für mehr als 20 Millionen Euro wollen die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) und die Stadt von Schweizer Experten eine noch reizvollere Standseilbahn zum Turmberg errichten lassen. Doppelt so große Wagen mit Glasdach und viel ebener Stellfläche sollen künftig schon das Hangstück der Bergbahnstraße passieren.
Ab der Talstation an der B3 pendeln sie dann permanent im Takt der unten ankommenden Straßenbahnlinie 1, versprechen die VBK.
Spruchreife Fakten, großes Echo
Hält der Zeitplan, beginnt noch vor Ende 2022 der Abriss der ältesten betriebenen Standseilbahn Deutschlands, die seit ihrem Start 1888 höchst beliebt ist. Kalkuliert sind 18 Monate für den Vorlauf und 15 Monate Bauzeit. Das Vorhaben wird äußerst aufmerksam beobachtet. Mehr als 250 Interessierte klinkten sich ein in eine dreistündige virtuelle Projektpräsentation, die coronabedingt einen Bürgerinformationsabend ersetzte.
Vieles ist schon spruchreif. Christian Höglmeier, technischer Leiter der Verkehrsbetriebe Karlsruhe, und eine hochrangige Riege von Planungsingenieuren auch aus Bayern und der Schweiz stellten die Fakten vor und beantworteten danach noch eine Stunde lang Fragen, die per Mail und Chat an sie gingen. Die Referate der Fachleute sind nun dauerhaft im Internet nachzulesen, die häufigsten Fragen und Antworten sollen in den nächsten Tagen ergänzt werden. Ein Animationsfilm gibt einen Vorgeschmack darauf, wie sich die künftige Bergfahrt erleben lässt.
Heikle Verlängerung im Wohngebiet
Von A wie Architektur bis Z wie Zugang reicht das Spektrum der Details, die rund um das anspruchsvolle Projekt inzwischen klar sind. Heikel ist, dass die touristische Bahn durch das Wohngebiet am Hang verlängert wird. Das trennt die Nord- und Südseite der Bergbahnstraße per 1,80 Meter hohem Zaungeflecht und koppelt einige kleine Straßen vom Gegenüber ab.
Die stark verlängerte Standseilbahn verändert zudem die Kreuzung unterhalb der heutigen Talstation radikal. Dort ist eine Unterführungsschleife für Fußgänger und Radfahrer vorgesehen, darüber eine Stahlbrücke für die Turmbergbahn.
Geopfert werden zudem Magnolienbäume in der Straßenmitte und einige Parkplätze. Anwohner fürchten, dass die neue Attraktion die Parkplatznot steigert. Eine Petition gegen die Pläne läuft, mit bisher rund 1.100 Unterzeichnern, davon aktuell gut 900 aus Karlsruhe. Über 180 Projektgegner stammen von außerhalb. Die Szene der Seilbahn- und Eisenbahnfans im gesamten deutschsprachigen Raum verfolgt die Neubaupläne aufmerksam mit.
Unaufdringliche Architektur
Die neue Bahn fahre auch zwischen den Wohnhäusern so leise, dass weiter allein der Autoverkehr über die Lärmbelastung vor Ort entscheide, sagen die Fachleute. In dem Punkt seien kaum Veränderungen zu erwarten. Auch Erschütterungen blieben nicht wahrnehmbar, versprechen sie.
Architektonisch unaufdringlich, aber anspruchsvoll gestaltet sind die neuen Stationen. Die Talstation zwischen Apotheke und fünfstöckigem Wohnhaus am Hangfuß konzipieren die Seilbahnbauer transparent, mit stilisiertem Astgewirr aus Stahl und grünem Flachdach über dem rundum Glas-geschützten Einstieg.
Futuristisch wirken die barrierefreien Wagen, deren Kabine auf dem Fahrgestell je nach Hangneigung in die Waagerechte kippt. Im Tal rollt der Unterbau unsichtbar in die Tiefe. Frische Luft kommt durch Dachluken. Die zwei Wagen pendeln führerlos, die Gleise sind deshalb auf ganzer Strecke abgezäunt. An der Stahlbrücke wird zusätzlich vorgesorgt, damit nicht einmal ein Hündchen vor die Seilbahn geraten kann.
Offene Bauweisen wie etwa in Lissabon, wo ein Mensch mit schlanken Beinen in den unterirdischen Seilschacht geraten kann, verbieten deutsche Vorschriften aus Sicherheitsgründen.