Regentropfen rinnen über die Plastikplane des Gemüse- und Obststandes auf dem Durlacher Marktplatz. „Das Bild erinnert mich stark an unsere Einsätze im Flüchtlingscamp auf Lesbos“, sagt Peter Arens. Denn immer um diese Zeit hat er vor Corona auf dem steinigen Hinterland der Mittelmeerküste Zehntausende Männer, Frauen und Kinder im Elend auf der griechischen Insel hausen sehen.
Sie haben kein Dach über dem Kopf, nur Planen schützen sie notdürftig vor Regen, nicht aber vor Herbststürmen und zunehmender Kälte. Zusammen mit Ute Bertsch setzt sich der 78-jährige Arens seit 2015 für die Gestrandeten ein. Zwölf Wochen im Jahr packten sie auch direkt vor Ort mit an.
Mit der Flüchtlingshilfe wird die Arbeit von „Durlach hilft“ fortgesetzt
Mit der Privaten Flüchtlingshilfe Lesbos setzen beide die Arbeit von „Durlach hilft” fort. Diesen Verein hatte die Durlacher Ortschaftsrätin Petra Stutz gegründet und bis zu ihrem Tod Ende 2017 geleitet. Seither haben Bertsch und Arens die Aufgabe in die Hand genommen.
Als die Nachricht kam, das berüchtigte, völlig überfüllte Flüchtlingslager Moria sei vollständig abgebrannt, erlebten sie „einen Tsunami“ an Hilfsbereitschaft in ihrem Unterstützerkreis. „Das hat uns fast überrollt“, sagt Ute Bertsch. Warme Winterkleidung und Decken, Schuhe, Kuscheltiere für die Kinder und einige abgelegte Pelzmäntel, die vor der Bodenkälte schützen, sortierten viele Helferinnen und Helfer seither.
Wir haben versucht, immer am Ball zu bleiben.Ute Bertsch, Private Flüchtlingshilfe Lesbos
„Wir haben versucht, immer am Ball zu bleiben. Abends war ich oft völlig kreuzlahm“, berichtet die 70-jährige Ute Bertsch. Die Hilfsgüterlieferung wuchs innerhalb kürzester Zeit enorm. Neben vielen Privatpersonen spendete auch die Durlacher Tafel. Andere trugen Geld zusammen. Jana Rufener und Michael Zimmer etwa sammelten Spenden beim Workout ihrer Sport- und Fitnessgruppe.
Außerdem stellten sie den Kontakt zur Firma Eisen Schmitt in Durlach im Industriegebiet Breit her. Die stellt nun eine große Halle als Lagerplatz bis zur Abholung durch die Spedition zur Verfügung. Die Flüchtlingshilfe Eggenstein-Leopoldshafen meldete sich und brachte fertig sortierte Winterware.
Sortieren unter freiem Himmel im Hinterhof
Auch bei Katharina Sacchetto wurden im Hinterhof eines Hauses am Durlacher Altstadtring Sachspenden gesammelt, gelagert und tagelang unter freiem Himmel sortiert. „Viele bringen tolle Sachen, dicke Jacken zum Beispiel“, berichten die beiden Durlacher.
Manches ist nagelneue Ware, etwa aus einem Sportgeschäft in Ettlingen. Heike und Felix Schlachter und ihre Auszubildenden transportierten die Kartonflut in die Halle. Bei Daniela Engver in Grünwettersbach wird noch bis Ende der Woche zusammengepackt und beschriftet. Dann geht es los.
Wer demnächst Decken aussortiert, kann sie aber für den nächsten Sammeltermin im Frühjahr bereitlegen: „Die Menschen liegen im Ersatzcamp auf dem nackten Boden, auf planiertem Schotter“, sagt Arens. Bertsch ergänzt: „Die Menschen brauchen unsere Decken als Unterlage.“
Jetzt geht es um Geld für den Transport
Eine Spedition für den Transport der rund 350 Kartons quer durch Europa, durch Corona-Risikogebiete bis auf die Insel Lesbos sucht Ute Bertsch nun. Angebote erreichen sie unter ihrer Mobiltelefonnummer (01 77) 2 01 64 14.
Mit Kosten von 5.000 bis 6.000 Euro rechnet die private Initiative, die nicht als Verein eingetragen ist und daher keine Spendenbescheinigung ausstellen kann. Geldspenden sind erbeten auf folgendes Konto: Private Flüchtlingshilfe Lesbos, Ute Bertsch, Sparkasse Karlsruhe, IBAN: DE81 6605 0101 1021 4184 11.