Skip to main content

Verein wird 175 Jahre alt

Turnerschaft Durlach war einst Handball-Pionier in Baden

Dass der Fußball nach wenigen Jahren aus dem Angebot des damaligen Turnvereins Durlach verschwand, könnte ein Glücksfall für die Turnerschaft gewesen sein. Jetzt wird der Verein 175 Jahre alt.

Turner schwarz-weiß
Bockspringen mal anders: Ihr Können zeigten die Turner des Turnvereins Durlach (heute Turnerschaft Durlach) gerne mal vor Publikum im Freien. Das Bild entstand in den 1920er Jahren. Foto: TS Durlach

Es geht auch ohne Fußball. Zugegeben, ein paar Jahre lang rannten schon einige Sportler des damaligen Turnvereins Durlach und der heutigen Turnerschaft dem nicht ganz runden Leder hinterher.

Bis etwa 1924 dauerte das fußballerische Intermezzo, das 1910 seinen Anfang nahm. Dann war Schluss. Die Deutsche Turnerschaft wollte es so. Fußball unter dem Dach eines Turnvereins ging gar nicht.

Von dannen machten sich die Kicker und gründeten ihren eigenen Verein, die Spielvereinigung Durlach-Aue. Zwei Jahre zuvor kamen die Handballer zum Turnverein. Damit gehörten die Durlacher in Baden zu den Pionieren des Handballsports – eine Sportart, die 1919 in Berlin aus der Taufe gehoben wurde, und als Turnspiel galt.

Wo anfangen bei der Turnerschaft Durlach? Was herausheben? Handball, Fußball (das Thema dürfte erledigt sein) oder Turnen? Der Verein wird in wenigen Tagen, am 5. November, 175 Jahre alt.

Durlacher Turner sollen bei der Revolution von 1848 mitgemischt haben

Im Gründungsjahr wurde Buffalo Bill geboren; im damaligen „Deutschland“, nichts anderes als ein Länder-Flickenteppich, zeichneten sich die Vorboten der 1848er Revolution ab. Bei der Revolution, am Ende niedergeschlagen von preußischen Truppen, sollen Durlacher Turner kräftig mitgemischt haben. Dafür spricht, dass die badische Obrigkeit den Verein 1849 wegen „angeblicher Beteiligung am Freiheitskampf“ auflöste. 1861 folgte die Neugründung.

Und es wurde wieder eifrig geturnt. Da ging es schon mal im Sprung – natürlich im Freien auf einer Wiese – über einen tischähnlichen Bock. Es folgte ein Wirrwarr aus neuen Vereinen, weil es immer mal wieder Zoff unter den Mitgliedern im angestammten Verein gegeben haben soll.

Ein Eckpunkt sei genannt: 1888 verließen nach „persönlichen Differenzen“ einige Mitglieder den Turnverein und gründeten den Turnerbund Durlach. Auch das weiß Matthias Tröndle, Vereinsvorsitzender und Mitautor des TS-Reports „175 Jahre Turnerschaft Durlach“, zu berichten.

Turnerbund und Turnverein wurden von den Nazis gleichgeschaltet

„Die Gleichschaltungspolitik der Nazis führte dann dazu, dass 1934 der Turnverein und der Turnerbund zur Turnerschaft Durlach 1846 zusammengeschlossen wurden“, berichtet Tröndle weiter. Nach dem Krieg erfolgte die Neugründung der Turnerschaft, und zwar genau unter diesem Namen.

Inzwischen bewegt sich die TS Durlach mit ihren rund 1.250 Mitgliedern im recht ruhigen Fahrwasser. Eine der Stärken des Vereins ist laut Tröndle seine starke Verankerung in Durlach. Und seine Vielfalt. Etwas ketzerisch gesagt könnte man da fast vermuten, dass das frühe Aus des Fußballs dem Verein andere Entfaltungsmöglichkeiten eröffnete. „Vielleicht, wenn es über die Jahre Fußball bei uns gegeben hätte, würde dieser Sport den Verein dominieren“, mutmaßt Tröndle.

Heutzutage gehören zum Vereinsangebot unter anderem, Volleyball, Leichtathletik und Wandern, Fitness und Gesundheit, Turnen, Taekwondo, Basketball (und das bereits 1962 auch für Frauen), Tischtennis und natürlich Handball.

Teamgeist wie überhaupt eine starke Vereinsbindung zeichnen ebenso die Turnerschaft aus. „Da wird einfach gute Arbeit mit guten Trainern gemacht“, betreibt Tröndle etwas Werbung in eigener TS-Sache.

Durlacher Turnerschaft für Inklusion ausgezeichnet

Und dann gibt es ja noch den Inklusion-Sport bei der Turnerschaft: mit der 2009 gegründeten Handballgruppe „Durlach Tornados“, dem inklusiven Tischtennis und Judo. Was in vielen Vereinen beim Thema Inklusion, wenn überhaupt, am Anfang steht, ist bei der Turnerschaft gelebter und fast selbstverständlicher (Sport-)Alltag. Dafür wurde der Verein mehrfach ausgezeichnet – zum Beispiel mit dem „Goldenen Stern des Sports“.

Und wie sieht es mit Wünschen zum 175. aus? „Wir brauchen mehr Platz. Vor allem eine Großsporthalle“, sagt Tröndle ohne Wenn und Aber. „Bei uns ist wirklich alles da – Vereinsverbundenheit, junge Leute, die Verantwortung übernehmen, eine tolle Basisarbeit. Es fehlt halt nur am Platz.“ 175 Jahre Turnerschaft Durlach sollen im nächsten Jahr ausgiebig „nachgefeiert“ werden.

nach oben Zurück zum Seitenanfang