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Zeitreise ins Mittelalter

Auf dem Durlacher Weihnachtsmarkt kämpfen die Badischen Schwertspieler

Das Feldlager bei der Karlsburg in Durlach ist längst bezogen. Schwertspieler sorgen beim Weihnachtsmarkt für besondere Akzente. Doch wer sind diese Leute?

Zwei Kämpfer/innen
Badische Schwertspieler in Aktion: Kämpferin Jordis zeigt Hauptmann Reinhard was sie so alles mit einer langen Holzstange machen kann. Foto: Klaus Müller

Hauptmann Reinhard schält sich aus dem schweren Kettenhemd. Das geht nur gebückt und kopfüber. So ähnlich muss sich jemand fühlen, der versucht, aus der Gefangenschaft einer Konservendose zu entfliehen. Zugegeben, der Vergleich ist etwas abstrus. Egal, zumal es Reinhard nun geschafft hat.

Die Frage, wie schwer das Kettenhemd denn ist, die ist schnell beantwortet. „Halten Sie es mal kurz auf dem Arm“, sagt er grinsend. Im „zivilisierten Leben“ hört der großgewachsene Mann übrigens auf den Namen Martin Decker. „Leck mich am Ärmel. Ist das Teil schwer.“ Etwa 13 Kilogramm, um genau zu sein, so Decker.

Neben ihm steht Kämpferin Jordis, alias Mara Bartelme, die den Hauptmann vor wenigen Minuten den Staub auf dem Durlacher Weihnachtsmarkt hat schmecken lassen. Im Kampf. Vor zahlreichen begeisterten Zuschauern. Und das auf einem Weihnachtsmarkt. Kein Problem.

Dem Publikum hat es gefallen. Und die Badischen Schwertspieler haben für gute Unterhaltung gesorgt. Ihr Feldlager steht vor der Karlsburg. Zum Durlacher Weihnachtsmarkt gehören sie längst wie die Lichterketten und geschmückten Weihnachtsbäume. „Wir sind zum zwölften Mal hier“, berichtet Marcel Regenscheit, der Markt-Obmann der kriegerischen wie sympathischen Truppe.

Kettenhemd + Publikum
So also fühlt sich ein schweres Kettenhemd an. Vorsichtig zupft so manches Kind daran. Und sauschwer ist das Teil auch noch. Foto: Klaus Müller

Das Interesse am Mittelalter, konkret an der Zeit zwischen 1380 und 1420, hat sie zusammengebracht. Seit 1990 gibt es die Badischen Schwertspieler. Sie sind nicht verschroben, sondern eher realistische Freunde der doch recht düsteren Mittelalterszeiten.

Suppe gibt es für die Badischen Schwertspieler in Durlach aus dem Eisenkessel

„Nein, leben wollte ich nicht in der Zeit“, betonen Mara, Martin und Verena Themsen. „Das unmittelbare Erlebnis, der Versuch, einiges nachzuleben, macht den Reiz aus“, erzählt Handwerkerin Themsen. Sie greift im Lager nicht zur Waffe, sondern zum Spinnrad. Ihr Gewand hat sie selbst geschneidert. Darunter, gerade bei den derzeit niedrigen Temperaturen, findet die Neuzeit Platz. „Ich trage Thermounterwäsche“, verrät sie.

Die Art von Unterwäsche braucht derweil Lukas Hay nicht. Das Feuer beim Eisenkessel wärmt. Ihn und den Inhalt in dem ausladenden Topf. „Es gibt eine Winter-Gemüse-Suppe“, lässt Hay in den Topf blicken. Fürs Mittelalter habe er schon immer ein Faible gehabt.

Dann mal weiter. Den Kochlöffel schwingen. Die Kämpfer und Kämpferinnen sind hungrig. Das Aufeinanderprallen der Schwerter und Äxte war anstrengend. Jetzt erst mal wieder zur Puste kommen, währenddessen das Publikum das Waffenarsenal der Schwertspieler bestaunt.

„Das sah heftig aus“, bemerkt ein Papa zu seinem Filius, der noch immer angesichts des Gesehenen staunt. „Keine Sorge, das ist nicht echt. Die spielen nur“, beruhigt Papa den Sohn.

Einmal pro Woche trainieren die Mittelalter-Fans für Auftritte wie auf dem Weihnachtsmarkt

Das mit dem „Spielen“ stimmt bedingt. Hinter so einem Kampf, bei dem niemand verletzt werden darf, steckt viel Arbeit. „Für jeden Kampf entwickeln die beteiligten Kämpfer eine bis ins kleinste Detail eingeübte Choreografie“, berichten Mara und Martin.

Bis das sichere Führen der Schwerter aus widerstandsfähigem Federstahl sitzt, bedarf es vieler Übungsstunden. Einmal die Woche wird trainiert. Aber der Truppe geht es nicht allein ums Kämpfen. Die Freiheit genießen, sich für kurze Zeit gedanklich und zielorientiert in eine andere Zeit zu katapultieren, Interesse an „lebendiger“ Geschichte und, ergänzt nicht nur Regenscheid, ab und zu aus dem Alltag zu fliehen, verbindet die Schwertspieler.

Übrigens: Schwertspieler gab es tatsächlich. Sie zogen im Mittelalter über die Märkte und zeigten ihre Schwertkünste. In dieser Tradition sind die Badischen Schwertkämpfer auf dem Durlacher Weihnachtsmarkt von Freitag bis Sonntag unterwegs.

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