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Rat von Wissenschaftlern

Erdgas-Krise: KIT-Experte empfiehlt Fracking in Baden-Württemberg

Erdgas-Fracking hat ein schlechtes Image, doch Energie-Experten empfehlen es inzwischen wärmstens – auch für Standorte in Baden-Württemberg. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einer umstrittenen Fördermethode.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, schließt Fracking in Deutschland vorerst aus.
Hält an Verbot fest: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, schließt Fracking in Deutschland aus. Foto: Fabian Sommer/dpa

Immer mehr Wissenschaftler empfehlen es, Umweltaktivisten verteufeln es, die Industrie wartet ab – und die Bundesregierung will nichts damit zu tun haben.

Wichtige Fragen und Antworten zur Debatte um Erdgas-Fracking hat unser Redaktionsmitglied Daniel Streib zusammengestellt.

So funktioniert Fracking
So funktioniert Fracking. Foto: BNN

Gibt es hierzulande nennenswerte Erdgas-Vorkommen?

Durchaus. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 5,2 Milliarden Kubikmeter gefördert – immerhin rund sechs Prozent des inländischen Bedarfs. Schwerpunkt ist das Land Niedersachsen. Nach Angaben der Deutschen Rohstoffagentur schlummern im deutschen Boden 150 Milliarden Kubikmeter reguläres Erdgas sowie bis zu 227 Milliarden Kubikmeter Schiefergas, das nur mit dem Fracking-Verfahren gewonnen werden kann.

Was ist das Fracking-Verfahren?

Mit „Fracking“ (von „Fraktur, Bruch“) ist meist die in den USA entwickelte unkonventionelle oder hydraulische Förderung von Erdöl und vor allem Erdgas unter Einsatz von Fracking-Flüssigkeit gemeint. Bei dieser Fördertechnik wird mit Wasser und Chemikalien großer Druck erzeugt, der für Risse in tiefen Gesteinsschichten sorgt. Das dort freigesetzte Gas wird durch Bohrleitungen an die Oberfläche gebracht. Damit werden auch schwer zugängliche Vorkommen erschließbar, vor allem in Schieferschichten. „Konventionelles Fracking“ meint die einfachere Erdgasförderung aus Sandstein.

Warum wird das Verfahren nicht genutzt?

Weil hydraulisches Fracking in Deutschland seit 2017 verboten ist. Die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) begründete das vor allem mit dem Wasserschutz. Bislang will die Ampelkoalition an dem Verbot festhalten. „Es gibt aktuell keine Pläne, diese Vorgaben zu ändern“, erklärte eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegenüber dieser Redaktion und verwies auf eine Ausnahmeregelung, die wissenschaftlich begleitete Probebohrungen erlaubt, sofern die betroffene Landesregierung zustimmt. Die Habeck-Sprecherin betonte: „Anträge auf Probebohrungen seitens der Wirtschaft gibt es bis dato allerdings nicht.“

Hat die Erdgas-Industrie demnach kein Interesse?

Doch. Probebohrungen seien bislang nur deshalb nicht durchgeführt worden, weil die Unterstützung aus Gesellschaft und Politik gefehlt habe, sagt Ludwig Möhring. Der Chef des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie argumentiert: „Mehrere Bundesländer, insbesondere Niedersachsen als wesentliches Land für eine denkbare Schiefergasproduktion in Deutschland, haben von vornherein erklärt, dass sie den Probebohrungen nicht zustimmen würden. Die Förderindustrie habe das respektiert und bislang keine Anträge gestellt.“ Und eine Sprecherin des Unternehmens Neptune Energy, das unter anderem in Speyer Erdöl fördert, sagt: „Wir unterstützen ausdrücklich eine neue sachlich geführte Debatte.“

Warum hat Fracking ein solch schlechtes Image?

Großen Anteil hat sicherlich der erfolgreiche US-Dokumentarfilm „Gasland“, der sich 2010 gegen durchaus zweifelhafte Geschäftspraktiken von „Fracking“-Pionieren in den USA richtete. Eine Szene des Films wurde weltberühmt: Aus dem Wasserhahn eines Wohnhauses strömt Gas – wenn man ein Feuerzeug daranhält, gibt es eine Stichflamme. Später wurden Ungereimtheiten bekannt. Dem Filmemacher wurde vorgeworfen, beim „brennenden Wasser“ nachgeholfen zu haben.

Wie gefährlich ist Fracking?

Kritikpunkte sind ein hoher Wasserverbrauch, der Einsatz von Chemikalien, die Freisetzung von Methan und eine nicht vollständig geklärte Erdbebengefahr. Befürworter sagen jedoch, modernes Fracking sei viel besser als sein Ruf. Mit Bohrtiefen jenseits der 1.000 Meter sei man vom Grundwasser weit entfernt und könne eine strikte Trennung garantieren. Auch die Chemie stimme inzwischen. Holger Weiß von der Fracking-Expertenkommission der Bundesregierung erklärte unlängst, Fracking-Flüssigkeit sei heute kein Gift mehr, sondern eher mit verdünntem „Spüli“ vergleichbar. Frank Schilling, Professor für Technische Petrophysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), sagt: „Modernes Fracking ist in der aktuellen Situation absolut vertretbar und sollte in einer rationalen Energiepolitik eine Rolle spielen.“ Wegen der höheren Umweltauflagen würde in Deutschland gewonnenes Fracking-Gas weniger schädliche Treibhausgase wie Methan freisetzen. Zudem würde man mit heimischer Produktion im Vergleich zum Import von LNG-Flüssiggas rund 25 Prozent Energie und Treibhausgasemissionen sparen, da das Gas vor Ort ja nicht energieintensiv heruntergekühlt und verflüssigt werden muss, rechnet Schilling vor.

Wie ist das Stimmungsbild in der Landespolitik?

Baden-Württembergs FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisiert: „Einerseits amerikanisches Frackinggas zu verflüssigen, über den Atlantik fahren zu lassen und in Deutschland wieder umzuwandeln, andererseits aus angeblich ökologischen Gründen an einem Fracking-Verbot in Deutschland festzuhalten ist keine Energiepolitik, sondern das Floriansprinzip.“ Es gebe inzwischen umweltschonende Fracking-Methoden, die durchaus zu verantworten sind. „Deshalb halte ich es im Sinne der Versorgungssicherheit und eines bezahlbaren Gaspreises für notwendig, die Potenziale der heimischen Schiefergasvorkommen zunächst einmal zu erkunden, um dann über eine Förderung zu entscheiden. Hierfür muss das Verbot fallen.“ Für Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) hingegen ist Fracking „ein Vorschlag, der ins Nirwana führt“.

Wie schnell könnte Fracking in Deutschland umgesetzt werden?

Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Habeck betont: „Aktuell geht es darum, Lösungen zu suchen und umzusetzen, die für diesen und den kommenden Winter helfen können, die Gasversorgung sicherzustellen. Hier hilft das unkonventionelle Fracking nicht, da die Verfahren bereits bei den wissenschaftlichen Probebohrungen zeitlich aufwändig sind.“ KIT-Professor Schilling sieht das etwas anders: „Technisch gesehen wäre Fracking-Förderung in Deutschland innerhalb eines halben oder dreiviertel Jahres machbar“, so der Karlsruher Wissenschaftler.

Im Falle einer Genehmigung: Wo würde sich Fracking lohnen?

Neben den großen Vorkommen in Niedersachsen kämen auch wenige kleinere Gebiete in Betracht. KIT-Professor Schilling zufolge gelten Teile unterhalb der Schwäbischen Alb bis zum Bodensee als interessant. Die Vorkommen am Oberrhein seien hingegen wohl nicht groß genug. Das versichert auch der größte süddeutsche Erdölförderer. „Für die gemeinsame Lagerstätte Römerberg-Speyer des Konsortiums aus Neptune Energy und Palatina GeoCon können wir den Einsatz der Fracking-Technologie ausschließen, da die Lagerstättenbedingungen dies nicht hergeben“, betonte eine Sprecherin auf Anfrage.

Wie halten es die europäischen Nachbarn mit dem Fracking?

Fracking ist in den meisten europäischen Ländern seit Jahren nicht erlaubt. Allerdings flammt die Diskussion im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg vielerorts wieder auf. In Großbritannien führte das vergangenen Donnerstag zu einer Aufhebung des Verbots. Die neue Premierministerin Liz Truss erklärte, sie wolle gewiss nichts tun, was ein Risiko berge, aber Energiesicherheit sei nun einmal lebenswichtig.

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