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Hochsaison für Langfinger startet

„Wir müssen uns die Einbrecher-Brille aufsetzen“: Karlsruher Experte kennt die Tricks

Mit der Zeitumstellung beginnt die Hauptsaison für Einbrüche. Nach Wegfall vieler Corona-Regeln könnte diese 2022 schlimmer ausfallen. Ein Karlsruher Experte gibt Tipps, wie sich Menschen schützen können.

Präventions-Experte: Der Karlsruher Kriminalbeamte Andreas Taller (45) ist Fachberater für Sicherheitstechnik. Er zeigt das mit Abstand häufigste Einbruchswerkzeug: einen handelsüblichen Schraubenzieher.
Der Karlsruher Kriminalbeamte Andreas Taller zeigt das mit Abstand häufigste Einbruchswerkzeug: einen handelsüblichen Schraubenzieher. Foto: Daniel Streib

Man kann die Uhr nach ihnen stellen. Jedes Jahr Ende Oktober beginnt die Hauptsaison der Einbruchskriminalität. Und das hat einen guten Grund, sagt der Karlsruher Präventionsexperte Andreas Taller.

„Die Zeitumstellung ist so etwas wie ein Stichtag“, sagt der Kriminalbeamte. Die Kernarbeitszeit der Langfinger lasse sich ebenfalls gut eingrenzen. „Die kritische Phase ist zwischen 15 und 20 Uhr.“ Einbrüche bei Tageslicht sind besonders riskant, weil man gut gesehen werden kann. Einbrüche zur nachtschlafenden Zeit sind besonders riskant, weil die Bewohner dann meist zuhause sind.

Homeoffice, Kurzarbeit, Homeschooling und Co. sind auch die Gründe dafür, warum das Einbruchswesen eine ordentliche Corona-Delle zu verzeichnen hatte. „Die Zahl der versicherten Einbrüche ist 2021 auf ein historisches Tief gesunken“, sagt Jörg Asmussen.

Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) spricht deutschlandweit von einem Rückgang um 25 Prozent. Man sei auf dem niedrigsten Wert in der bis 1998 zurückreichenden Statistik. In Baden-Württemberg ist es sogar ein Rückgang von knapp 30 Prozent von 4.696 Einbrüchen in 2020 auf 3.298 im vergangenen Jahr.

Nach Corona könnten die Einbruchszahlen in Karlsruhe wieder steigen

Nach dem Ende vieler Corona-Maßnahmen halten Experten nun auch in der Langfinger-Branche einen Nachholeffekt für denkbar. Andreas Taller und seine Kollegen der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle (KBSt) des Polizeipräsidiums Karlsruhe haben für die kommende Saison nur ein Ziel: Möglichst viele Einbruchsrisiken in möglichst vielen Häusern und Wohnungen zu minimieren.

Einbrecher-Werkzeug Nummer eins ist ein Schraubendreher.
Andreas Taller, Präventionsexperte

Der sportliche Mann mit seinem kahlrasierten Schädel trägt Shirt und Jeans und wirkt nicht sofort wie ein Polizist. Doch aus der Hosentasche lugt unauffällig eine Polizeimarke.

Ohne diese Marke kann man ihn offenbar sogar für einen Einbrecher halten. Taller lacht und erzählt: Als er kürzlich einmal im Auto etwas länger auf einen Bekannten gewartet hatte, sei er von einem Nachbarn beargwöhnt worden. „Ich bin dann ausgestiegen und habe ihn gelobt. Der Nachbar hat nämlich alles richtig gemacht.“

Fast jeder zweite Einbruch endet beim Versuch

Einbrecher sind scheue Wesen. Um diese Erkenntnis dreht sich die ganze Prävention. „Man muss es den Einbrechern schwer machen. Er darf sich nicht sicher fühlen.“

Ein Gebäude sollte die Ausstrahlung haben, dass es nur Scherereien macht. Denn die Tat soll schnell und reibungslos ablaufen. „5 bis 15 Minuten dauert ein Einbruch insgesamt.

Hat sich ein Täter erst für ein bestimmtes Haus entschieden, ist entscheidend, wie schwer man es ihm macht, hineinzugelangen.“ Knapp 48 Prozent der Einbrüche enden beim Versuch. Das müsse noch viel mehr werden, sagt er Experte.

Was Langfingern das Leben schwer macht, kann man in einer Art Showroom im früheren Karlsruher Polizeipräsidium an der Beiertheimer Allee besichtigen. Die Experten der Einbruchsprävention erklären einem dort ein ganzes Arsenal von Verschlusssystemen für Türen und Fenster, die den Einbrecher viel zu viel Zeit kosten.

Die Sicherheitsklassen reichen von RC 1 bis RC 6, von Grundsicherung bis bombensicher. Auch über Alarmtechnik und entsprechende digitale Angebote und Apps kann man sich informieren. „Auch moderne digitale Systeme können sinnvoll sein. Das wichtigste ist aber erst einmal der mechanische Schutz.“

Experten versetzen sich in Gedankenwelt der Einbrecher hinein

Die Beratung ist kostenlos, wer Opfer eines Einbruchs wurde, erhält von der Kriminalprävention sogar eine persönliche Einladung. In den allermeisten Fällen beraten die Beamten auch vor Ort.

Denn jedes Haus, jede Wohnung habe individuelle Schwachstellen, die es aufzuspüren gelte. Dabei gehen die Kriminaler mit einer Technik vor, die man von überspannten TV-Kommissaren zu kennen glaubt. „Wir müssen uns die Einbrecher-Brille aufsetzen, also in den Täter möglichst gut hineinversetzen“, erklärt Taller.

Dass der Beratungsbedarf groß ist, zeigen Schätzungen, nach denen 80 Prozent der in deutschen Wohnhäuser verbauten Fenster praktisch keine Einbruchssicherung haben.

Das erklärt auch, warum das häufigste Einbruchsutensil nicht etwa das Brecheisen ist. „Einbrecher-Werkzeug Nummer eins ist ein handelsüblicher großer Schraubendreher“, sagt Taller und führt einem Übungsfenster vor, wie schnell das geht mit dem Aufhebeln.

Dass sich die Investition in neue oder verstärkte Fenster nicht nur in technischer Hinsicht lohnt, wird klar, wenn man sich die psychologischen Folgen eines Einbruchs vergegenwärtigt, der den geschützten Bereich der Opfer verletzt. Andreas Taller hat bei seiner Arbeit schon Betroffene erlebt, die nach der Tat nicht mehr in ihrer Wohnung leben konnten. Er sagt: „Ein Einbruch ist auch ein Einbruch in die Seele.“

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