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Stadtbäume bedroht

Eingeschleppte Parasiten: Was winzige Pilze für die grüne Stadt Karlsruhe bedeuten

Ein Karlsruher Pilzkenner von internationalem Rang findet klammheimliche Zuwanderer nicht nur an exotischen Gewächsen aus aller Welt im Botanischen Garten des KIT, sondern auch schon in der Stadt.

Winzige exotische Parasiten auf heimischem Kreuzkraut zeigt der Pilzspezialist Markus Scholler Interessierten im Botanischen Garten des KIT am Fasanengarten.
Winzige exotische Parasiten auf heimischem Kreuzkraut zeigt der Pilzspezialist Markus Scholler Interessierten im Botanischen Garten des KIT am Fasanengarten. Foto: Peter Sandbiller

Weiß oder rosarot: In welcher Farbe haben die Kastanien an Ihrem Lieblingsort in diesem Jahr geblüht? Und hängen die großen Rosskastanienblätter schon seit Wochen braun und verdorrt an den Zweigen?

Viele Karlsruher haben vom Siegeszug der Miniermotte gehört, die sich ins Laub frisst und von Jahr zu Jahr schlimmeren Schaden an befallenen Bäumen anrichtet, wenn niemand das dürre Laub gezielt abtransportiert.

Markus Scholler hat aber noch eine Hiobsbotschaft. „Eine eingeschleppte Art Mehltau macht jetzt der Miniermotte Konkurrenz.“ Bisher hatten eher weißblühende Kastanien das Pech, der Motte zu gefallen. Die rotblühenden Kastanienbäume knöpft sich nun mit Vorliebe der Pilz vor.

Schnelle Transporte kippen die Balance

Leidenschaftlich widmet sich Scholler, oberster Pilzkenner am Staatlichen Naturkundemuseum Karlsruhe von internationalem Rang, unscheinbaren pilzlichen Parasiten und besonders den Rostpilzen, die jeder Gärtner fürchtet. Er studiert sie auf Blättern, andere in morschem Holz oder sogar an Maisblüten.

Flugs überwinden Transporte heute die Distanzen zwischen Kontinenten. Dadurch gerät das weltweite System von Wirtspflanzen und Parasiten aus der Balance. Winzige Zuwanderer entdeckt Scholler an exotischen Gewächsen aus aller Welt im Botanischen Garten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) – und neuerdings auch mitten in der Stadt. Die heimische Pflanzenwelt kommt zunehmend unter Druck.

Streifzug durch Pflanzenwelten am KIT im Karlsruher Fasanengarten

Ein gutes Dutzend Frauen und Männer schart Scholler in den prachtvollen Gewächshäusern des KIT am Fasanengarten um sich bei einer seiner Spezialführungen. Eine Mikrobiologin, eine Lehrerin, ein Gartenfreund mit Kamera: Alle sind voll bei der Sache. Einige schreiben mit.

Wie die pilzlichen Migranten wandert auch die Gruppe von einer Pflanzenwelt zur anderen. Wetterfest, mit Rucksack, Turnschuhen und teils kurzer Hose – die Naturverbundenheit ist offensichtlich. Kein Gewitterschauer hält die Teilnehmer davon ab, mit Scholler ein australisches Pilzchen auf einem heimischen Kreuzkraut zu entdecken.

Gefahr für Karlsruher Stadtbäume ist handfest

Einwandernde Pilzparasiten sind kein exotisches Studienobjekt, sondern ein handfestes Problem. Gartenliebhaber elektrisiert das Thema. Eingeschleppte Pilze sind der Tod für manchen Baum in Wald und Stadt, angefangen bei den Platanen, vielleicht aber auch für den aktuellen Hoffnungsbaum der Karlsruher Stadtplaner, den Zürgelbaum. Und Karlsruhes erster Insektenscout, Lisa Lehmann, sagt: „Das ist ein Thema, das in diese Zeit der Klimaverschiebung passt.“

An Eichen und Wein, Bocksdorn und Mais, Hainbuche und Johanniskraut zeigt der Kenner, welche Pilzparasiten sich klammheimlich satt saugen. So fachkundig sein Publikum ist, sprachlich bleibt der Spezialist bodenständig. Einzig die deutschen Pflanzennamen muss er sich regelmäßig soufflieren lassen.

Scholler könnte glatt das Zeitgefühl verlieren, wenn er sein Wissen mit den Zuhörern teilt. Etwa darüber, wie die wandernden Winzlinge die Welt verändern, so wie die verheerende Kartoffelfäule im 19. Jahrhundert.

„Ich könnte stundenlang darüber reden“, sagt der Pilzexperte. Aber das tut er nicht. Lieber zupft er merkwürdig fleckige Blätter vom mitgebrachten Ast eines Haselstrauchs und reicht sie herum. Viele heben eine Lupe vors Auge und mustern ihr Blatt gründlich. Wo zeigt sich der Pilzbefall: oben oder unten?

Jüngster Neuling bedroht badischen Hasel

Wieder geht es um einen Neuankömmling. „Ich habe gezielt danach gesucht“, sagt Scholler. Im Frühsommer in Oberstdorf landet er den ersten Treffer, Anfang September entdecken Scholler und zwei Praktikanten den Übeltäter prompt in Karlsruhe. Es ist der asiatische Haselmehltau.

2019 erstmals in der Schweiz nachgewiesen, richtet der Pilz seither großen Schaden auf Haselnussplantagen in der Türkei an. Im Badischen ist die Ausbreitung unausweichlich. „Er wird den Haselsträuchern und auch den Baumhaseln noch stark zu schaffen machen“, kündigt Scholler an.

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