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Keine Verletzten

Erleichterung nach Geiselnahme in Karlsruher Apotheke: Elf Geiseln befreit, Tatverdächtiger festgenommen

Fast fünf Stunden lang hält eine Geiselnahme in einer Karlsruher Apotheke die Einsatzkräfte im Atem. Dann stürmt die Polizei das Gebäude.

Spezialeinsatzkräfte der Polizei stürmen die Apotheke. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Spezialeinsatzkräfte der Polizei stürmen die Apotheke. Foto: Christoph Schmidt/dpa Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archiv

„Es hat keine Verletzten gegeben.“ Die Erleichterung bei diesem Satz ist Pressesprecher Dennis Krull deutlich anzumerken. Fast fünf Stunden lang hat ein 20-jähriger Geiselnehmer am Freitagabend die Einsatzkräfte in Atem gehalten und Teile der Karlsruher Südstadt lahmgelegt. Um 21.10 Uhr dringen dann Spezialkräfte der Polizei in eine Apotheke an der Ettlinger Straße ein.

Dreimal knallt es laut, wenige Minuten später löst sich bei den wartenden Polizeibeamten allmählich die Anspannung, und die ersten Rettungssanitäter packen ihre Sachen zusammen.

Es hat keine Verletzten gegeben.
Dennis Krull, Pressesprecher Polizei Karlsruhe

Alarmiert wird die Polizei um 16.23 Uhr. Ein bewaffneter Mann ist in die Congress-Apotheke gegenüber dem Festplatz eingedrungen und hat mehrere Menschen als Geiseln genommen. Wie viele, darüber wird in den nächsten Stunden immer wieder spekuliert.

Mal ist von acht Geiseln die Rede, mal von einer, häufig macht die Zahl Zwei die Runde. Selbst nach der Festnahme des Täters will sich Krull noch nicht auf eine Zahl festlegen. „Mehrere“, ist das einzige, was er zu diesem Zeitpunkt zu Protokoll gibt.

Über das Motiv ist nichts bekannt

Über das Motiv der Geiselnahme ist rund um die Apotheke ebenfalls nichts bekannt. Bereits wenige Minuten nach dem Notruf sind mehrere Einsatzwagen der Polizei vor Ort, sukzessive wird die Gegend um den Tatort gesichert und mit rot-weißem Flatterband gesperrt.

Wie ernst die Lage ist, wird spätestens nach der Absage von zwei Großveranstaltungen auf dem Festplatz klar. Die Show mit Hundetrainer Martin Rütter in der Schwarzwaldhalle wird von der Polizei aus Sicherheitsgründen ebenso abgeblasen wie die Karlsruher Meisterkonzerte im Konzerthaus.

Auf der Ettlinger Straße gibt es zu diesem Zeitpunkt schon kein Durchkommen mehr. Im Norden ist die Zufahrt zur Innenstadt bei der Kriegsstraße gesperrt, im Süden bei der Einmündung der Werderstraße. Nach und nach werden auch sämtliche Zufahrten von der Wilhelmstraße abgeriegelt.

Kein Verkehrschaos trotz Konzertabsagen

Ein Verkehrschaos entsteht trotzdem keines. Besucher der beiden Großveranstaltungen werden von der Polizei bereits vor der Einfahrt ins Parkhaus auf die Absagen hingewiesen, die meisten davon zeigen Verständnis und kehren um.

Indes wird das Aufgebot der Polizei immer größer, gut eine Stunde nach dem Notruf treffen Spezialkommandos in Bussen mit Böblinger und Stuttgarter Kennzeichen ein und werden von den Kollegen zum Einsatzort durchgewunken. Details zu der Geiselnahme gibt Krull zu diesem Zeitpunkt noch keine preis. Aber so viel verrät er doch: „Die Situation ist stabil und es greifen unsere Einsatzpläne.“

Wie lange die Geiselnahme noch dauern wird, kann am frühen Abend aber noch niemand sagen. Irgendwann sickert durch, dass die Polizei mit dem Geiselnehmer verhandelt. Eine Lösegeldforderung von einer Million Euro macht auch die Runde, bestätigt wird dieses Gerücht von der Polizei aber nicht.

Ein Karlsruher, der mit dem Einsatzstab der Polizei in Kontakt steht und einige der Geiseln persönlich kennt, korrigiert diese Zahlen im Gespräch mit dieser Redaktion sogar noch nach oben. Zwei Frauen und ein Mann seien in die Apotheke eingedrungen und hätten insgesamt acht Geiseln genommen.

Für die Freilassung habe das Trio einen exorbitant hohen Betrag gefordert, auf jeden Fall deutlich mehr als eine Million Euro. Klar ist auch, dass die Congress-Apotheke erst wenige Wochen zuvor schon einmal überfallen wurde. Ohrenzeugen aus dem benachbarten Café wollen zu Beginn der Geiselnahme einen Schuss gehört haben.

Anwohner werden in Notunterkunft untergebracht

Je länger sich der Einsatz zieht, desto mehr Anwohner aus Schützenstraße und Ettlinger Straße kommen nicht in ihre Wohnungen. Die Stadt organisiert mit Rettungsdiensten und Notfallseelsorgern eine Notunterkunft in der Nebeniusschule.

Geiselnahme in Karlsruhe
Geiselnahme in Karlsruhe Foto: BNN-Infografik

Mehr als ein Glas Wasser, eine Tasse Tee, ein paar Lebkuchen und einen Sitzplatz gibt es dort aber nicht. Knapp drei Stunden nach dem Beginn des Großeinsatzes wartet dort ein gutes Dutzend Leute. Eine davon ist Eva Hörst. „Ich habe mich in der Apotheke mal beworben“, sagt sie. „Nun bin ich froh, dass ich nicht genommen wurde.“

Gegen 20 Uhr trifft Oberbürgermeister Frank Mentrup in der Notunterkunft ein. „Die Stadt kann leider erst mal gar nichts machen“, sagt das Stadtoberhaupt. „Das ist alleine Sache der Polizei.“

Allzu viele Neuigkeiten vom Einsatz kann Mentrup den Wartenden auch nicht liefern. Die genaue Zahl der Geiseln habe er noch nicht einmal im Telefonat mit Polizeipräsidentin Caren Denner erfahren, teilt er den Leuten in der Schulmensa mit, seiner Einschätzung nach handele es sich nach wie vor um eine „extrem unübersichtliche Situation“.

Tatenlos will Mentrup auch nicht dastehen. Kurzerhand lässt er zehn Pizzen bestellen und organisiert für die Wartenden Zimmer im Hotel Achat am Mendelssohnplatz. Ein Angebot, das einige der Ausgesperrten spontan annehmen.

Einen Beitrag zur Beendigung des Geiseldramas kann Mentrup aber nicht leisten. Es sei erst das zweite Mal in zehn Jahren als Oberbürgermeister, dass er von der Polizei angerufen wurde, berichtet er in der Notunterkunft.

OB Mentrup bedankt sich bei Einsatzkräften

Doch auch Mentrup weiß, wie tragisch eine Geiselnahme wenige Monate vor seinem Amtsantritt endet. Am 4. Juli 2012 tötet ein 53-jähriger Mann bei einer Geiselnahme in der Karlsruher Nordstadt erst vier Menschen und anschließend sich selbst.

Als die Geiselnahme an der Ettlinger Straße ohne Verletze zu Ende geht, bedankt sich Mentrup mit einer Pressemitteilung bei den Einsatzkräften und wünscht den befreiten Geiseln, „dass sie die schrecklichen Ereignisse bald hinter sich lassen können“.

Die Stadt kann leider erst mal gar nichts machen
Frank Mentrup, Oberbürgermeister Karlsruhe

Während noch einige Menschen in der Schulmensa ausharren und auf die versprochenen Pizzen warten, holt das Spezialkommando der Polizei zum entscheidenden Schlag aus. Im Laufschritt eilen einige bewaffnete Einsatzkräfte mit Schutzausrüstung entlang der Ettlinger Straße zur Apotheke. Keine zehn Minuten später gibt Krull sein erstes erleichtertes Fazit bekannt.

Komplett beendet ist der Einsatz deshalb aber noch nicht. Während die Polizei das Gebäude nach möglichen weiteren Tätern durchsucht, werden weitere Details der Geiselnahme bekannt gegeben.

Gegen 22 Uhr spricht die Polizei erstmals von „mehr als zwei Geiseln“. Um 22.30 Uhr ist dann von einem Täter und einem weiteren Verdächtigen und von „mindestens sieben Geiseln“ die Rede. Außerdem sei der Geiselnehmer ein polizeibekannter Straftäter. Erst um 23.11 Uhr dann diese Meldung: Elf Geiseln wurden ermittelt, und eine davon könnte eine Mittäterin des Geiselnehmers sein.

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